Der Überlegung, Personen ohne Symptome eines Genitalherpes routinemäßig auf eine Infektion mit Herpes-simplex-Viren (HSV) zu untersuchen, hat die US Preventive Services Task Force (USPSTF) jetzt erneut eine Absage erteilt [1]. Da es an zuverlässigen Tests für die verantwortlichen HSV-Varianten mangele, dürfte ein serologisches Screening bei Jugendlichen und Erwachsenen einschließlich Schwangeren zu hohen Belastungen ohne erkennbaren Nutzen führen, ließ die Behörde verlauten. Sie bestätigt damit ihre Haltung aus dem Jahre 2005.
In Europa ist Screening kein Thema
„Die Empfehlung der US-Behörde ist verständlich und aus wissenschaftlichen und medizinischen Gründen auch richtig. Europaweit gehören solche serologischen Untersuchungen aufgrund einer fehlenden klinischen Konsequenz schon seit 20 Jahren nicht zum klinischen Alltag“, bestätigt Prof. Dr. Dr. h.c. Ioannis Mylonas, Leiter der Abteilung Infektiologie an der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Ludwig-Maximilians-Universität in München, gegenüber Medscape. Herpes – ob labial oder genital – sei in erster Linie eine klinische Diagnose. Dementsprechend empfehle auch die Leitlinie zu Virus-Infektionen in der Schwangerschaft keine generelle Testung von Frauen im gebärfähigen Alter auf HSV-spezifische Antikörper. Das Testergebnis habe nämlich weder therapeutische noch prophylaktische Konsequenzen, so der Münchner Frauenarzt weiter.
Auch für die Deutsche Urologische Gesellschaft (DGU) besteht bei infizierten Männern erst Handlungsbedarf, sobald die Krankheit manifest ist, wie deren Pressesprecher Prof. Dr. Christian Wülfing betont. Eine Ausnahme bilden lediglich Risikogruppen wie HIV-positive oder andere immunsupprimierte Männer.
Viele wissen nicht, dass sie infiziert sind
Die angloamerikanische Diskussion über ein generelles serologisches Screening auf HSV-Antikörper hat jedoch einen konkreten Hintergrund. Der an sich schmerzhafte Genitalherpes wird in erster Linie durch HSV-2 hervorgerufen, in letzter Zeit aber auch vermehrt durch HSV-1. Laut Mylonas verlaufen die meisten Primärinfektionen allerdings asymptomatisch. Viele wissen daher nicht, dass sie infiziert sind. Oftmals werden bei einem milden Verlauf der Erkrankung die Symptome von ihnen auch nicht erkannt.
Außerdem handelt es sich um eine rezidivierende Erkrankung mit asymptomatischen Phasen. „Heute weiß man, dass der Großteil der sexuellen Übertragungen von HSV sich während der asymptomatischen Phasen ereignet, da sich die Patienten einer asymptomatischen Virusausscheidung nicht bewusst sind“, hebt der Infektiologe in seinem kürzlich publizierten Review hervor. Mit einem Screening verbinde sich die Hoffnung, das Risiko einer Transmission sowohl zwischen den Sexualpartnern als auch zwischen Schwangerer und Fetus bzw. Neugeborenem zu vermindern.
Keine geeigneten Tests, zu kurze symptomfreie Periode
Die US-Behörde hat deshalb prüfen lassen, wie es um die Genauigkeit serologischer Tests bestellt ist und ob die Vorteile eines Screenings die Nachteile überwiegen. Für den Nachweis von HSV-2, dem Haupterreger des Genitalherpes, sind in den USA 2 Tests zugelassen, die aufgrund ihrer Verfügbarkeit für ein Screening taugen. Sie sind jedoch entweder zu unspezifisch oder zu unempfindlich, sodass der positive prädiktive Wert für die allgemeine US-Bevölkerung lediglich bei 50% bzw. 75% liegen dürfte.
Als Goldstandard für die serologische Herpes-Diagnostik gilt der Western-Blot. Allerdings gibt es in den USA hierfür nur ein einziges Labor, womit die Möglichkeit beschränkt ist, einen mit den kommerziellen Tests erzielten, positiven Erstbefund überprüfen zu lassen. Außerdem existieren keinerlei Studien zur Screening-Genauigkeit serologischer HSV-Tests bei Schwangeren.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Variante HSV-1, die vor allem Lippenherpes hervorruft, zunehmend auch für Genitalherpes verantwortlich ist. Für diesen Fall gibt es keinen serologischen Test, was den möglichen Nutzen eines serologischen Screenings bei symptomfreien Personen weiter einschränkt.
Im Gegensatz zu anderen Infektionskrankheiten, für die ein Screening empfohlen wird, dürfte nach Ansicht der USPSTF bei einer HSV-Infektion die symptomfreie Periode zu kurz sein, als dass sich der Verlauf der Erkrankung durch Screening, frühe Entdeckung und Therapie beeinflussen ließe.
Die zu erwartende hohe Rate an falsch-positiven Befunden dürfte außerdem zu einer Mehrfachbelastung der Betroffenen führen: unnötige präventive Medikation, Angstgefühle und das Zerbrechen von Partnerschaften. So kommt die US-Behörde zu dem Schluss, dass die Nachteile die Vorteile eines generellen serologischen Screenings eher überwiegen. Sie setzt deshalb vielmehr auf Aufklärung und Beratung, die das Sexualverhalten Infizierter verändern sollen.
Einmal infiziert, immer infiziert
Der Genitalherpes gehört zu den häufigen sexuell übertragenen Infektionen und nimmt weltweit zu. Die USPSTF schätzt, dass in den USA etwa 1 von 6 Personen im Alter von 14 bis 49 Jahren Genitalherpes entwickelt. Gegenwärtig gibt es keine Heilung und auch keinen Impfstoff. Einmal infiziert, verbleibt das Virus lebenslang im Körper des Menschen. Aus diesem Grund nimmt die Häufigkeit der Infektion mit dem Alter zu. Hier verweist die USPSTF für das HSV-2 auf Daten aus den Jahren 2005 bis 2008: Während im Teenager-Alter nur 1,4% infiziert sind, steigt der Anteil bei den Erwachsenen im Alter von 40 bis 49 auf 26,1%.
„Aktuelle epidemiologische Daten sind für Deutschland leider nicht verfügbar“, weiß Mylonas, der auch die Arbeitsgemeinschaft für Infektionen und Infektionsimmunologie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe leitet. Daten aus den 90er Jahren zeigten eine Prävalenz von 82,6% für HSV-1 und 13,2% für HSV-2. Weltweit sei die Häufigkeit einer HSV-2-Infektion um rund 30% in den letzten 30 Jahren gestiegen. Das dürfte prinzipiell auch für Deutschland gelten.
REFERENZEN:
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Herpes genitalis: Serologisches Screening bei asymptomatischen Personen macht keinen Sinn - Medscape - 12. Aug 2016.
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