Daniel Schnelting ist 3-facher Deutscher Meister und Jugendeuropameister über 200 Meter. Anja Renfordt ist mehrfache Weltmeisterin im Kickboxen – Disziplinen Leicht- und Vollkontakt. Alexander Piel ist mehrfacher Deutscher Meister und Europa-Cup Sieger im Karate. Die Leichtathletin Stephanie Hill (Sprint und Weitsprung) war Fackelläuferin bei den ersten Olympischen Jugend-Winterspielen in Innsbruck 2012. Was alle diese jungen Menschen verbindet: Sie sind nicht nur Leistungssportler, sondern haben auch einen Typ-1-Diabetes. Denn das eine schließt heutzutage das andere nicht aus.
Menschen mit Diabetes – besonders solche mit Typ-1-Diabetes – haben ihren Stoffwechsel heute dank engmaschiger und exakter Überwachung, optimierter Therapie und langjähriger persönlicher Erfahrung oft sehr gut im Griff. Für solche Patienten stellen auch körperliche Höchstleistungen bei spezialisiertem Training und unter kontrollierten Bedingungen wie bei einem sportlichen Wettkampf kein unlösbares Problem dar.
Die individuelle Anpassung der Therapie an die sportliche Betätigung ist dabei eng verknüpft mit dem Ausmaß der körperlichen Belastung: Je härter das Training ist, desto spezifischer muss die die Therapie sein. Auf der Webseite www.special-ones.de berichten Hochleistungssportler mit Diabeteserkrankung von ihren Erfahrungen und wie sie ihre Insulintherapie an den Sport angepasst haben. Eine Leichtathletin trägt beispielweise ihre Insulinpumpe auch während des Trainings, verringert aber je nach Trainingsintensität ihr Basalinsulin mit temporär unterschiedlichen Raten, die sie vorher in ihre Pumpe einprogrammiert hat – bei leichtem aeroben Training in verringerter, bei Sprints in erhöhter Dosis.
Die Herausforderung ist die Unterzuckerung
Die größte Herausforderung beim Sport ist für alle Diabetiker die Vermeidung von Hypoglykämien. Im lockeren Training und bei Langzeitbelastung wird meist die Insulinzufuhr reduziert. Bei kurzen Sprints oder Kämpfen, wie etwa beim Karate, kann sie aber erhöht werden, auch um die erhöhte Adrenalinzufuhr auszugleichen. Lediglich für den Kampf selbst wird die Pumpe kurz abgenommen, damit sie keinen Schaden nimmt.
Andere Athleten setzen auf den Insulinpen. Sie verringern an Wettkampftagen den Bolus zu den Mahlzeiten und essen vor dem Start zusätzliche Kohlenhydrate, tragen aber sicherheitshalber einen Sensor, um den Blutzucker regelmäßig unauffällig zu kontrollieren. Häufig steigt er nach dem Sport an und fällt 2 bis 3 Stunden später stark ab. Um einer Hypoglykämie vorzubeugen, nehmen die Athleten nach dem Sport Kohlenhydrate zu sich.
Sport für „normale“ Zeitgenossen mit Diabetes
Wie sieht es aber mit Diabetespatienten aus, die Freude an der Bewegung (gefunden) haben und ihre sportliche Betätigung über den üblichen Rahmen einer Diabetiker-Sportgruppe hinaus erweitern möchten? Im Prinzip genauso: Nach einer sportmedizinischen Untersuchung, einer Beratung über die Dosisreduktion potenziell hypoglykämieträchtiger Medikamente (Insulin, Sulfonylharnstoffe und Glinide, wenn unmittelbar vor dem Sport eingenommen) und einem Trainingsplan für eine geeignete Sportart ist (fast) alles möglich [1].
Bei der sportmedizinischen Untersuchung beurteilt der Arzt zunächst die Kondition, das Herz und die orthopädischen Gegebenheiten. Speziell für ältere Patienten mit Typ-2-Diabetes sollte sich eine neurologische und augenärztliche Untersuchung sowie eine spezielle Inspektion der Füße anschließen, um diabetestypische Symptome im Ansatz zu erkennen und behandeln zu können. Bei proliferativer Retinopathie oder Nephropathie ist Kraft- oder Kampfsport kontraindiziert. Bei Neuropathie sollte zunächst ein Gleichgewichtstraining absolviert und speziell geeignete Schuhe getragen werden.
Ergometrische Voruntersuchung ist besonders wichtig
„Bei Diabetikern gilt es, ein besonderes Augenmerk auf die Ergometrie zu richten, denn der Diabetes hat oft bereits den Grundstein für koronare Herzkrankheiten und andere makrovaskuläre Probleme gelegt“, berichtet Dr. Peter Zimmer von der AG Diabetes und Sport der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG). „Prinzipiell ist aber für die große Mehrheit der Menschen mit Diabetes jedes Plus an Bewegung sinnvoll. Lediglich bei Patienten mit hochgradigen Herzrhythmusstörungen oder instabiler koronarer Herzkrankheit ist Sport – unabhängig von der Diabeteserkrankung – kontraindiziert.“
Die Empfehlungen im Einzelnen:
Unmittelbar vor Aufnahme der Aktivität sollten der Blutzucker und bei Insulinpflicht auch die Ketonkörper (bei Blutzucker > 250mg/dl) gemessen werden.
Diabetespatienten, die mit Sport beginnen, sollten Trainingsintensität- und -dauer nur langsam steigern und ihre Werte regelmäßig kontrollieren.
Sehr sinnvoll ist ein Sporttagebuch, in das sie alle Aktivitäten und Werte eintragen. So werden die Neu-Sportler einerseits zur steten Kontrolle angehalten und können andererseits auf ihre Erfahrungen zurückgreifen, etwa im Hinblick auf zu erwartende Blutzuckerwerte bei bestimmten Trainingseinheiten.
Ein Sporttagebuch hilft, individuelle Erfahrungen festzuhalten
Aber auch für den betreuenden Arzt ist das Sporttagebuch ein wichtiges Dokument, das die Patienten zu jedem Besuch mitbringen sollten. Hier könne das Zustandekommen der Daten erklärt und Verbesserungen besprochen werden. „Die Insulinreduktion ist bei jeder längeren körperlichen Belastung die entscheidende Herausforderung“, erklärt Zimmer. „Am besten ist es, wenn die diabetischen Patienten entsprechende Anpassungslogarithmen trainieren.“
Diese Anpassungslogarithmen sind prinzipiell vorgegeben, lassen sich aber mit einem Sporttagebuch gut individualisieren. „Wer eine Bergtour unternimmt, braucht währenddessen sicher etwa nur halb so viel Insulin wie an „normalen“ Tagen“, nennt Zimmer, der auch in den Alpen Arzt-Patienten-Seminare für sportinteressierte Diabetiker betreut, als Beispiel.
Von „üblichen“ zu exotischen Sportarten ist vieles möglich
Ausdauersportarten wie Schwimmen und Radfahren eignen sich für die meisten Patienten, Joggen setzt ein gesundes Verhältnis zwischen Gelenkstabilität und Körpergewicht voraus. „Aber wie die Beispiele der Leistungssportler mit Typ-1-Diabetes zeigen, sind bei entsprechendem Trainingszustand, sorgfältigem Monitoring und stets individuell und situativ angepasster Therapie starke sportliche Leistungen auch für Typ-1- und Typ-2-Diabetiker möglich“, fasst Zimmer zusammen.
In vielen Städten gibt es spezielle Diabetiker-Sportgruppen, die sich für nahezu alle Patienten mit Diabetes zum Einstieg in eine sportlichere Lebensweise eignen. Wer dann nach höherer Intensität und Leistung oder dort nicht angebotenen Sportarten strebt, kann sich – unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Regeln – individuell steigern und sein eigenes Programm aufstellen. Hilfestellungen hierfür finden Interessierte unter www.diabetes-sport.de und www.idaa.de.
REFERENZEN:
1. Zimmer, P. MMW Fortschr. Med. 2013;8:71-75
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Olympia trotz Diabetes? Mit sorgfältigem Monitoring und angepasster Therapie ist (fast) alles möglich – Tipps von Experten - Medscape - 2. Aug 2016.
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