Hunderttausende Menschen aus aller Welt werden anlässlich der Olympischen Spiele nach Brasilien reisen. Immer wieder wird daher die Befürchtung geäußert, dies könnte zu einer internationalen – unkontrollierbaren – Ausbreitung des Zika-Virus beitragen. Eine online in Annals of Internal Medicine veröffentlichte Hochrechnung von Epidemiologen der Yale School of Public Health kommt nun aber zu dem Schluss, dass dieses Risiko gering ist [1].
Das Team um Erstautor Joseph A. Lewnard geht bei seinen Berechnungen davon aus, dass von August bis September 2016 zwischen 350.000 und 500.000 Menschen die Olympiade und die anschließenden Paralympischen Spiele besuchen werden. Bei vergleichbarer Exposition gegenüber der Infektion wie die einheimische Bevölkerung liege die Ansteckungswahrscheinlichkeit eines jeden Besuchers in Rio de Janeiro bei mindestens 1/56.300 und höchstens 1/6.200, schreiben sie. Daraus ergebe sich eine Spannbreite von minimal 6 bis maximal 80 Zika-Ansteckungen unter den Besuchern der Olympiade.
Geringe Auswirkungen auf den einzelnen Besucher
Weiterhin rechnen Lewnard und seine Kollegen vor, dass unter den Infizierten lediglich 1 bis 16 Personen auch Symptome entwickeln. Da aufgrund der Reisewarnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nur wenige Schwangere nach Rio de Janeiro reisen würden, bekräftigten diese Schätzungen erneut den nur geringen Effekt, den das Zika-Virus auf den einzelnen Reisenden habe. Sie bestätigen damit die Stellungnahmen der WHO und einer Gruppe brasilianischer Wissenschaftler als Reaktion auf einen offenen Brief besorgter Wissenschaftler, die vorgeschlagen hatten, die Olympischen Spiele wegen der Zika-Epidemie in Brasilien zu verschieben.
Ein weiterer Faktor, so das Team um Lewnard, der die Wahrscheinlichkeit einer internationalen Ausbreitung des Zika-Virus begrenze, sei, dass die natürliche Elimination des Virus durchschnittlich bereits nach 9,9 Tagen erfolge. Dadurch sinkt die Zahl der Reisenden, die den Erreger in ihre Heimatländer einschleppen könnten, auf 3 bis 37 Personen.
Risiko hauptsächlich durch sexuelle Übertragung
Es wird erwartet, dass mehr als die Hälfte der Olympia-Besucher aus den USA und Kanada, Europa, Ozeanien, Japan, Südkorea und Israel anreisen werden – also aus Regionen mit einem geringen Übertragungsrisiko durch lokale Steckmücken-Populationen. Das führt Lewnard und seine Kollegen zu der Schlussfolgerung: „Die sexuelle Übertragung durch Männer ist daher die hauptsächliche Sorge während der zu erwartenden 14,9 bis 192,2 Personen-Tage, in denen die Rückkehrer insgesamt virämisch sind.“
Die etwa 30% Besucher aus lateinamerikanischen Ländern würden nochmals zwischen 9,0 und 116,0 Personen-Tage beitragen, während derer sie das Virus im Blut tragen. „Im Vergleich zu den bereits vorhandenen Infektionen in diesen Ländern, ist das aber vernachlässigbar.“
Aus Afrika schließlich, wo besorgte Kritiker die größte Gefahr für eine Ausbreitung der Epidemie sehen, werden nur wenige Besucher in Rio de Janeiro erwartet (4%). Hier errechnen die Epidemiologen zwischen 1,1 und 14,5 virämische Personen-Tage.
Kein Grund für Absage oder Verlegung
„Unsere Ergebnisse unterstreichen das geringe Risiko für Zika-Infektionen, -Erkrankungen und -Übertragungen unter den Besuchern der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro“, fassen Lewnard und seine Kollegen zusammen. Und sie fügen hinzu, dass ihre Ergebnisse die gegenwärtige Haltung der WHO unterstützten, dass eine Absage oder Verlegung der Olympiade an einen anderen Ort keinen signifikanten Einfluss auf die internationale Ausbreitung des Zika-Virus haben würde.
REFERENZEN:
1. Lewnard L et al: Ann Intern Med (online) 26. Juli 2016
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Olympia 2016: Wie wirken sich die Spiele auf die weltweite Ausbreitung des Zika-Virus aus? - Medscape - 1. Aug 2016.
Kommentar