Durban – Experimentelle Impfstoffe, die speziell designt wurden, um vor dem in Südafrika hauptsächlich zirkulierenden HIV-Stamm zu schützen, haben robuste Ergebnisse in einer Interimsanalyse der Phase-1/2-Studie „HIV Vaccine Trials Network (HVTN) 100“ erbracht. [1]
„Es ist erfreulich zu sehen, dass Impfstoffe, die spezifisch für Südafrika entwickelt und produziert worden sind, die Kriterien erfüllen und sogar übertreffen, die für die weitere Erforschung der Substanzen in einer großen Wirksamkeitsstudie festgelegt wurden“, sagt Dr. Larry Corey vom Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle in einer Stellungnahme.
„In vielen Fällen übertrafen die HVTN-100-Ergebnisse sowohl unsere eigenen Kriterien als auch die in RV144 [eine frühere, in Thailand durchgeführte HIV-Impfstoff-Studie] beobachteten Immunantworten, berichtete Dr. Linda-Gail Bekker vom Desmond Tutu HIV Zentrum in Kapstadt, Südafrika gegenüber Journalisten.
In der früheren RV144-Studie hatten die verwendeten Impfstoffe 1 Jahr nach der Impfung zu 60% vor einer HIV-Infektion geschützt, nach 3,5 Jahren aber nur noch zu 31%.
Impfstoff-Design auf südafrikanisches HI-Virus abgestimmt
Für die bei der International AIDS Conference 2016 vorgestellte HVTN 100-Studie waren die in RV144 verwendeten Impfstoffe so modifiziert worden, dass sie spezifisch vor dem Subtyp C des HI-Virus schützen, der in Südafrika weit verbreitet ist. Die Wissenschaftler veränderten außerdem das mit einem der Impfstoffe verwendete Adjuvans, um eine stärkere Immunantwort zu provozieren, und fügten einen Booster hinzu, um die Dauer der Immunantwort zu verlängern.
Von den nicht mit HIV infizierten Teilnehmern in HVTN 100 erhielten 185 den experimentellen Impfstoff und 37 ein Placebo. „Wir wollten sichergehen, dass diese Impfstoffkandidaten bei nicht mit HIV infizierten Personen sicher sind, und wenn sie sich als sicher herausstellen, wie die Immunogenität aussieht“, erläuterte Bekker bei einer Pressekonferenz.
Der Behandlungsplan sah 5 Injektionen vor: In Monat 0 und 1 erhielten die Teilnehmer den ALVA-HIV-Impfstoff. In den Monaten 3, 6 und 12 wurde ihnen der ALVA-HIV-Impfstoff zusammen mit dem bivalenten Subtyp-C-gp120/MF59-Impfstoff gespritzt.
Die Wissenschaftler analysierten erste Immunogenitätsdaten nach 6,5 Monaten und verglichen Blutproben der HVTN-100-Studienteilnehmer mit archivierten Proben von RV144-Impfstoffempfängern. In der aktiven Therapiegruppe war bei 100% der Teilnehmer die Entwicklung neutralisierender Antikörper auf mehrere Schlüsselantigene des Impfstoffes zu beobachten (p < 0,001).
Des Weiteren war die T-Zell-Reaktion mit dem HVTN 100-Regime signifikant stärker als mit dem RV144-Regime. Die kumulative Immunantwort auf 2 Schlüsselregionen der HIV-Hülle (V1 und V2) betrug 80% – weit über der 63%-Schwelle, die etabliert wurde, um als Modell für eine 50%ige Impfstoffwirksamkeit zu dienen – wenn die Immunantwort auf die V1- und V2-Regionen das einzige Korrelat für die Schutzwirkung war, berichtete Bekker.
Basierend auf diesen Ergebnissen wollen die Wissenschaftler im November mit der HVTN 702-Phase-2b/3-Wirksamkeitsstudie starten. Sie planen, 5.400 HIV-negative Männer und Frauen zwischen 18 und 35 Jahren zu rekrutieren, die gefährdet sind, sich mit HIV zu infizieren.
Die Teilnehmer werden das gleiche Impfregime erhalten wie in HVTN 100, aber für zusätzliche 2 Jahre nachbeobachtet werden, um zu bestätigen, dass das Regime langanhaltend vor HIV schützt.
Weltweit erster präventiver HIV-Impfstoff in Aussicht
„HVTN 702 wird die ausschlaggebende Studie sein, die zur Zulassung eines HIV-Impfstoffes in Südafrika führen könnte – und damit dem ersten präventiven HIV-Impfstoff weltweit“, sagte Corey, der der federführende Autor der Studien ist. „Vor 16 Jahren, als ich erstmals nach Durban kam, war an einen Impfstoff noch gar nicht zu denken. Die Tatsache, dass wir hier nun über einen Impfstoff sprechen, ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Fortschritte gemacht wurden“, sagte er gegenüber Journalisten.
Impfstoff soll Frauen die Kontrolle über den Schutz vor HIV geben
Die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes wird dabei helfen, die HIV-Epidemie im Zaum zu halten“, sagte Dr. Carl Dieffenbach, Direktor der Abteilung für AIDS am National Institute of Allergy and Infectious Diseases. „Im Grunde brauchen wir Präventionsmaßnahmen, ähnlich wie die Beschneidung des Mannes, die so generalisierbar sind, dass sie in der Allgemeinbevölkerung angewendet werden können“, erklärte er bei der Pressekonferenz. „Wir müssen wirklich etwas tun, um die außerordentlich hohe HIV-Inzidenz in Südafrika zu senken, und der beste Weg, um das zu schaffen, ist mit einem sicheren und dauerhaft wirksamen Impfstoff“, ergänzte er.
„Eine Impfung ist die ultimative Empowerment-Strategie für Frauen“, betonte Glenda Gray, Vorsitzende des HVTN 702-Protokolls und Präsidentin sowie Chief Executive Officer des South African Medical Research Council. „Sie lassen sich eine Spritze in den Arm geben und niemand weiß, dass sie sich haben impfen lassen. Die Frauen müssen nicht mit ihrem Partner über Safer Sex verhandeln und sind trotzdem geschützt“, erklärte sie. „Was wir wollen, ist, den Frauen die Kontrolle über den Schutz vor HIV in die Hand zu geben, und das erreichen wir am besten, indem wir einen Impfstoff finden.“
Dieser Artikel wurde von Nadine Eckert aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. International AIDS Conference 2016, 18. bis 22. Juli 2016, Durban, Südafrika; Abstract TUAX102LB
Medscape Nachrichten © 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Grünes Licht für HIV-Impfstoff-Studie in Südafrika – ist die weltweit erste präventive HIV-Vakzine in Aussicht? - Medscape - 29. Jul 2016.
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