Meinung

Olympische Spiele: „Die Forderungen des Innenministers sind nur durch Doping zu erreichen“

Teresa Nauber

Interessenkonflikte

27. Juli 2016

In diesem Artikel

Eine hohe Dunkelziffer

Medscape: Gibt es Schätzungen, wie viele Athleten auf Dopingmittel zurückgreifen?

Prof. Dr. Dr. Simon: Wir haben bis 2011 eine Studie zur Dunkelziffer des Dopings im Hochleistungssport durchgeführt. Dabei ist herausgekommen, dass zwischen 30 und 45 Prozent der Spitzenathleten, die das Niveau hätten bei Olympischen Spielen zu starten, zugeben, dass sie sich im Jahr vor dem Hauptwettkampf durch Doping vorbereitet haben. Diese Ergebnisse sind 5 Jahre alt, aber wir durften sie nie publizieren, weil der damals ja nachweislich korrupte Weltleichtathletikverband mit Klage gedroht hat. Über Umwege und findige Journalisten wurde sie jetzt dennoch auf der Seite des Britischen Parlaments ins Netz gestellt.

Medscape: Bis zu 45 Prozent? Kann man sich als Athlet denn überhaupt noch ungedopt zu den Spielen trauen?

Prof. Dr. Dr. Simon: Die Frage ist vielmehr, ob man es da ungedopt hinschafft. Dafür muss man beweisen, dass man eine Endkampfchance hat, also unter den Weltbesten mithalten kann. Für viele ist das unrealistisch und das wird denen auch so gesagt. Ich denke aber schon, dass es Ausnahmen gibt, die von ihrer Veranlagung her diese Leistung sauber erbringen können. In welchem Umfang es die in welcher Sportart noch gibt, wissen wir allerdings nicht.

Medscape: Mal abgesehen von dem Leistungsvorteil, den man sich illegal verschafft – welcher Gefahr setzen Sportler ihre Körper aus, wenn sie dopen?

„Wir kennen die Nebenwirkungen nicht, auch nicht die Langzeitnebenwirkungen.“ Prof. Dr. Dr. Simon

Prof. Dr. Dr. Simon: Wir wissen darüber nicht viel. Wir kennen die Nebenwirkungen nicht, auch nicht die Langzeitnebenwirkungen. Es gibt eine Studie an französischen Tour-de-France-Fahrern, die allerdings vor über 30 Jahren aktiv waren. In der konnte keine erhöhte Sterblichkeit gegenüber normalen Franzosen festgestellt werden. Einziger Schönheitsfehler dieser Studie ist, dass man davon ausgehen kann, dass diese bei der enormen Sauerstoffaufnahme normalerweise deutlich länger gelebt hätten. Das wurde nicht berücksichtigt. Wie sich neuere Substanzen wie IGF-1 auswirken, wissen wir noch nicht. Dass das nicht gesund sein kann, ist aber wohl klar. Wie tödlich es ist, wird individuell und je nach Anwendung unterschiedlich sein. Beim Rauchen und Alkohol ist das ja ähnlich: Der eine stirbt daran, der andere wird trotzdem sehr alt.

Medscape: Die Fußball-EM liegt gerade hinter uns. Früher behaupteten die Funktionäre immer, im Fußball bringe Doping gar nichts. Stimmt das?

Prof. Dr. Dr. Simon: Selbst die DFB-Verbandsärzte behaupten das heute nicht mehr, weil es einfach nicht stimmt. Im modernen Fußball wird nichts dem Zufall überlassen. Die Spieler werden leistungsphysiologisch genau erfasst. Und wenn man einen Spieler hat, der es mit schlechten leistungsphysiologischen Werten in die Zweite Bundesliga geschafft hat, dann kann man sich leicht vorstellen, was für einen Topspieler man bekommt, wenn man die Schwächen durch Doping ganz gezielt ausmerzt. Die Koordination leidet darunter übrigens nicht, wie früher gern behauptet wurde.

Kommentar

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