Meinung

Olympische Spiele: „Die Forderungen des Innenministers sind nur durch Doping zu erreichen“

Teresa Nauber

Interessenkonflikte

27. Juli 2016

In diesem Artikel

Die beliebtesten Dopingmittel

Medscape: Welche Dopingmittel werden heute eigentlich verwendet?

Prof. Dr. Dr. Simon: Für ein schlimmes Dopingmittel derzeit halte ich humananaloges Insulin. Damit können die Sportler ihren Glykogenspeicher ganz schnell wieder auffüllen. Normalerweise dauert das bis zu drei Tage. Ist der Speicher nicht voll, ist das ein krasser Leistungsnachteil, und auch die Verletzungsgefahr könnte höher sein. Für Europameisterschaften im Fußball, wo die Spieler in kurzer Zeit viele Spiele absolvieren müssen, ist das sehr attraktiv. Man kann das Insulin aber auch missbrauchen, um im Kraftbereich Muskelmasse aufzubauen. Kombiniert mit der Zufuhr von Kohlenhydraten, Proteinen und Krafttraining wird das im Bodybuilding schon lange als Dopingmittel angewandt, wahrscheinlich auch im Gewichtheben.

Medscape: Und lässt sich das nachweisen?

Prof. Dr. Dr. Simon: Das Problem ist, dass die Industrie bemüht ist, kurzwirksames Insulin so humananalog wie möglich herzustellen. Das ist gut für Diabetiker, aber schlecht für den Nachweis im Kampf gegen Doping. Auch mit Glykolisierungsmustern können wir es nicht mehr zuverlässig von körpereigenem Insulin unterscheiden.

Übrigens gibt es auch Leistungssportler, die Insulin ganz offiziell verwenden dürfen: Typ1-Diabetiker bekommen eine Ausnahmegenehmigung. Mit einem intensivierten Insulinfahrplan können sie so viel Muskelmasse in kurzer Zeit aufbauen, wie es ein gesunder Athlet nie könnte. Juristen argumentieren dann, man dürfe gegen Diabetiker kein Berufsverbot aussprechen, daher sei das in Ordnung. Aber gegen einen 1,50 Meter großen Mann sprechen wir auch ein indirektes Berufsverbot aus: Er kann leider nicht in der NBA Basketball spielen. Da kommt auch kein Jurist und sagt: Ihr müsst den aber in die Sportart integrieren.

Medscape: Was gibt es noch außer Insulin?

Prof. Dr. Dr. Simon: Insulin wird gern kombiniert mit IGF-1. Das ist ein Wachstumshormonpräparat, das seit 2005 auf dem amerikanischen Markt zugelassen ist. IGF-1 ist der Downstream-Effektor von hGH, also dem Wachstumshormon, und wirkt direkt auf die Muskulatur, steigert auch deren Qualität, indem anabole Stoffwechselwege in den Muskelzellen verbessert werden. Zugleich hat IGF-1 aber auch eine insulinähnliche Wirkung.

Medscape: Und wie sieht es da mit dem Nachweis aus?

Prof. Dr. Dr. Simon: Es gibt IGF-1-Varianten, die durch Modifikation in ihrer Halbwertszeit verändert sind. Die lassen sich nachweisen. Aber es gibt Varianten, die so humanidentisch sind, dass man sie nicht nachweisen kann.

Medscape: Wird auch Testosteron immer noch eingesetzt?

Prof. Dr. Dr. Simon: Ja. Und auch das lässt sich schwer nachweisen, wenn man es richtig macht. Normalerweise ist im Screenigtest ein erhöhter Testosteron-Epitestosteron-Koeffizient nachweisbar, wenn man Testosteron exogen zuführt. Um beim Screening nicht aufzufallen, führt man also gleichzeitig Epitestosteron zu. Man kann exogene Testosteronzufuhr auch durch die Massenspektrometrie nachweisen, indem man den C13-Anteil gegenüber C12 bestimmt. Der ist deshalb verändert, weil man bei der konventionellen Herstellung von Testosteron ein pflanzliches Steroidgerüst verwendet. Wenn man auch bei der Massenspektrometrie nicht auffallen will, nimmt man Testosteron, dessen Synthese von einem tierischen Steroidgerüst ausgehend betrieben wurde. Man spricht dann von „sauberem“ Testosteron, das in Kombination mit „sauberem“ Epitestosteron absolut gar nicht mehr nachweisbar ist. Sie können als Spitzensportler das ganze Jahr über vollgepumpt mit Testosteron antreten und es gibt keine Möglichkeit, das zu detektieren.

„Spitzensportler können das ganze Jahr über vollgepumpt mit Testosteron antreten und es gibt keine Möglichkeit, das zu detektieren.“ Prof. Dr. Dr. Simon

Medscape: Was ist mit Blutdoping?

Prof. Dr. Dr. Simon: Auch das gibt es nach wie vor. Man mischt heutzutage unterschiedliche EPO-Formen und injiziert sich ganz geringe Mengen, die sich nicht nachweisen lassen. Es gab und gibt vermutlich immer noch die Möglichkeit, bestechliche Antidopinglabore immer mal wieder um eine Analytik zu bitten, um zu checken, ob man unterhalb des Schwellenwertes liegt. Es gab sogar schon einen Volkswirt in Österreich, der Spitzensportler dopte und Urinproben seiner Sportler zusammen mit der reinen Dopingsubstanz ans Gewässeramt schickte, mit dem Auftrag zu schauen, ob die massenspektrometrische Analyse das mitgeschickte Gift (Dopingmittel) in der verunreinigten Gewässerprobe (Athleten-Urin) finden würde. Die Leute sagen immer, man bräuchte einen spezialisierten Mediziner, wenn man noch manipulieren wollte. Das stimmt einfach nicht. Man braucht einen Menschen, der sich informiert und ein bisschen nachdenkt, das ist alles.

Medscape: Insulin, EPO, Testosteron – viel getan hat sich bei den Mitteln selbst also nicht, oder?

Prof. Dr. Dr. Simon: Nein. Wenn man sich die Dopingprozesse der letzten Jahrzehnte anschaut, war immer von den gleichen Substanzen die Rede. Hinzugekommen sind noch Designer-Steroide, also Substanzen, die speziell für den Dopingmarkt hergestellt werden. Da wird bei einem konventionellen Steroid eine Seitenkette leicht verändert. Dann ist die Substanz nicht mehr nachweisbar. Dagegen ist man mit keiner Analytik gefeit. Aber warum sollte man das Risiko eingehen und Neues auszuprobieren, wenn altbewährtes Doping so einfach ist?

Kommentar

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