Metastasiertes Prostatakarzinom: Länger leben mit Bestrahlung des Primärtumors plus Androgen-Entzug statt Monotherapie

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

25. Juli 2016

Die Kombination von Androgen-Deprivation und Bestrahlung verlängert das Überleben bei Männern mit metastasiertem Prostatakarzinom. Das zeigt jetzt eine Arbeit im Journal of Clinical Oncology [1]. Studienautor Dr. Chad G. Rusthoven von der University of Colorado in Aurora, Colorado, bilanziert: „In unserer großen Analyse zeigen Männer mit metastasiertem Prostatakarzinom, die eine Bestrahlung und einen Androgen-Entzug erhalten hatten, ein substanziell längeres Überleben als die Männer, die nur hormonell behandelt wurden.“ Prospektive Studien, die lokale Therapien für metastasierte Prostatakarzinome auswerteten, seien deshalb gerechtfertigt, so Rusthoven.

Prof. Dr. Oliver Hakenberg

„Die Studienergebnisse offenbaren allerdings nichts wirklich Neues. Es ist bekannt, dass die Kombination sowohl einer alleinigen perkutanen Strahlentherapie als auch einer alleinigen Hormontherapie überlegen ist“, kommentiert Prof. Dr. Oliver Hakenberg, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Urologie, die Arbeit Rusthovens. Die Kombination wird, so Hakenberg, grundsätzlich bei Prostatakarzinomen mit mittlerem und hohem Risiko, die bestrahlt werden, eingesetzt.

Rusthoven und seine Kollegen hatten Daten der National Cancer Database (NCDB) ausgewertet. Das NCDB wurde nach Männern mit frisch diagnostiziertem metastasierten Prostatakarzinom (mPCA) durchsucht, die alle mittels Androgen-Deprivation (ADT) behandelt wurden und von denen vollständige Datensets zur Strahlentherapie, zur Chirurgie, zum PSA-Wert, zum Gleason-Score und zum Charlson-Deyo Komorbiditäts-Score vorlagen. Im Zeitraum 2004 bis 2012 wurden so 6.382 Männer (medianes Alter 69 Jahre) identifiziert, darunter 538 Männer (8,4%), die zusätzlich eine Strahlentherapie der Prostata erhalten hatten.

Kombination aus Bestrahlung und Hormontherapie ist der alleinigen Hormongabe überlegen

Im medianen Follow up von 5,1 Jahren war die Kombination Strahlentherapie und ADT in der univariaten Analyse assoziiert mit einem verbesserten Gesamtüberleben (p < 0,001). In der multivarianten Analyse lag die Hazard Ratio (HR) bei 0,624 (Konfidenzintervall: 0,551–0,706; p < 0,001), justiert nach Alter, Jahr, Ethnie, Komorbiditäts-Score, PSA-Level, Gleason Score, T-stage (Tumorstadium), Chemotherapie-Gabe, Behandlungseinrichtung und Versicherungsstatus.

 
In unserer Analyse zeigen Männer mit metastasiertem Prostatakarzinom, die eine Bestrahlung und einen Androgen-Entzug erhalten hatten, ein substanziell längeres Überleben als die Männer, die nur hormonell behandelt wurden. Dr. Chad G. Rusthoven
 

In der Wirkungsevaluation mittels Propensity Score zeigte sich ein überlegenes medianes Gesamtüberleben (55 vs. 37 Monate) und ein verbessertes 5-Jahres Gesamtüberleben (49% vs. 33%) zugunsten der Strahlentherapie plus Androgen-Entzug im Vergleich zur alleinigen Androgen-Deprivation (HR 0,67, p < 0,001). Rusthoven und seine Kollegen ermittelten das Gesamtüberleben der Probanden nach 5 und nach 3 Jahren sowie nach einem Jahr. In allen diesen 3 Gruppen war das Gesamtüberleben unter Strahlentherapie verbessert (p < 0,05). In der Gruppe ≥ 1 Jahr lag die HR bei 0,55 und in der Gruppe ≥ 3 Jahre lag die HR bei 0,54.

Die Größenordnung der Assoziation zwischen PCA-Bestrahlung und verbessertem Überleben war für Patienten mit Gleason < 8 größer als für Patienten, die einen Gleason 9 oder 10 aufwiesen. Auch beim Tumorstadium profitierten eher die Patienten mit Tumorstadium T1 bis T3 als die Patienten mit T4. Keine signifikanten Interaktionen zeigten sich zwischen Bestrahlung einerseits und Alter, PSA-Wert oder Lymphknotenbefall andererseits.

„Bei allen Vorbehalten, die gegenüber einer retrospektiven Datenbank-Analyse angebracht sind, stützt unsere Studie die Hypothese, dass der primäre Prostatatumor eine fundamentale Rolle in der Metastasen-Expansion spielen könnte und dass eine effektive lokale Therapie diese komplexe Dynamik zwischen Primärtumor, der Mikroumgebung sekundärer Organe und der metastasierenden Erkrankung unterbrechen könnte“, sagte Rusthoven gegenüber MedPage Today .

Der Androgen-Entzug drückt den PSA-Wert drastisch nach unten

 
Es ist bekannt, dass die Kombination sowohl einer alleinigen perkutanen Strahlentherapie als auch einer alleinigen Hormontherapie überlegen ist. Prof. Dr. Oliver Hakenberg
 

Der Überlebensvorteil, den die Kombination bringt, überrascht Hakenberg ebenfalls nicht: „Dass eine Strahlentherapie besser wirkt, wenn bereits eine Androgen-Deprivations-Therapie erfolgt ist, findet sich auch in unseren S3-Leitlinien.“ In Rusthovens Arbeit wird der Erfolg der Kombinationstherapie aus ADT und nachfolgender Bestrahlung an der Höhe des PSA-Wertes gemessen. „Ein Androgen-Entzug drückt den PSA-Wert aber bereits drastisch nach unten, insofern überrascht es nicht, dass das bei hinzukommender Strahlentherapie auch so ist“, erklärt er. Hakenberg erinnert an die jahrelange Diskussion zwischen Radiologen und Urologen, ob die Strahlentherapie oder der Androgen-Entzug den PSA-Wert effektiver senke. „Und es hat sich gezeigt, dass der Androgen-Entzug dabei sehr wirksam ist.“

Dr. David Beyer, Facharzt für Onkologische Radiologie am Arizona Oncology Services in Scottsdale, nennt gegenüber MedPage Today die Studie eine „interessante Abweichung von der Art und Weise, wie wohl die meisten Onkologen metastasierende Prostatakarzinome einschätzen.“ Oft werde nämlich gedacht: „Bildet ein Tumor Metastasen, dann spielt es keine Rolle, was du unternimmst, um das Prostatakarzinom zu behandeln, weil es bereits woanders ist und es deshalb unnötig ist, die Prostata zu behandeln“, so Beyer. Er fährt fort: „Diese Studie zeigt, dass es einen Wert hat, die Prostata – und damit den Primärtumor – zu behandeln. Es nützt ausgewählten Patienten, deren Erkrankung außerhalb der Prostata liegt. Behandelt man nicht nur mit Hormonen, sondern fügt die Bestrahlung auf die Prostata hinzu, bekommt man ein besseres Ergebnis.“

 
Diese Studie zeigt, dass es einen Wert hat, die Prostata – und damit den Primärtumor – zu behandeln. Dr. David Beyer
 

Beyer schränkt ein, dass die Kombination nicht für Patienten mit sehr hohem Risiko geeignet ist, und erinnert daran, dass diejenigen mit Gleason Score > 8, 9 oder 10 nicht denselben Benefit unter zusätzlicher Bestrahlung zeigten wie Patienten mit kleinerem Gleason Score. „Doch für die enorme Mehrheit der Patienten liegt nahe, dass die Kombination einen Wert hat“, sagte er. „Offenkundig hatten die meisten Patienten PSA-Werte von 20, 40, 50. Das sind vermutlich keine Patienten, bei denen sich 20 oder 30 einzelne Knochenmetastasen zeigen.“

 

REFERENZEN:

1. Rusthoven C, et al: JCO (online) 20. Juni 2016

 

Kommentar

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