Schwere Mastozytose: Erstmals deutliche Lebensverlängerung – mit Midostaurin

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

19. Juli 2016

Der Tyrosinkinaseinhibitor Midostaurin bewirkt bei Patienten mit schwerer Mastozytose, wie aggressiver systemischer Mastozytose und Mastzell-Leukämie, eine Rückbildung der Organveränderungen und eine deutliche Überlebensverlängerung [1]. Dies zeigt eine jüngst im New England Journal of Medicine erschiene Phase-2-Studie. „Für Patienten mit Mastozytose stellt diese neue Therapieoption erstmals einen echten Fortschritt dar“, betont Prof. Dr. Karin Hartmann, eine der Studienautorinnen und Professorin für Immundermatologie sowie Leiterin eines Mastozytose-Zentrums an der Universität zu Lübeck, gegenüber Medscape. „Die bislang eingesetzten Therapieverfahren – z.B. Stammzelltransplantation, Cladribin oder Interferon – waren nur teilweise wirksam und mit deutlichen Nebenwirkungen verbunden.“

„Die Mastozytose ist eine sehr seltene Erkrankung, die schwereren Verlaufsformen wie die aggressive systemische Mastozytose oder die Mastzell-Leukämie noch seltener“, erklärt PD Dr. Frank Siebenhaar, Koordinator des Interdisciplinary Mastocytosis Center Charité in Berlin, auf Nachfrage von Medscape. Doch die wenigen Patienten, die erkranken, trifft es dafür umso schlimmer: „Das sind bösartige Erkrankungen, die oft rasch zum Tode führen“, so Siebenhaar.

Prof. Dr. Karin Hartmann

60 Prozent der Patienten sprechen auf Midostaurin an

116 Patienten mit aggressiver systemischer Mastozytose (n = 16), systemischer Mastozytose (n = 57) oder Mastzell-Leukämie (n = 16) wurden in der nun veröffentlichten Studie mit Midostaurin behandelt – und trotz dieser überschaubaren Anzahl von Teilnehmern „handelt es sich dabei um die weltweit größte Studie, die bisher an Patienten mit schweren Verlaufsformen der Mastozytose durchgeführt wurde“, betont Hartmann.

Im Mittel 11 Monate, teils aber auch bis zu 51 Monate, erhielten die Patienten 2-mal täglich jeweils 100 mg Midostaurin. 60% von ihnen sprachen auf die Therapie an. „Organveränderungen wie Hepatosplenomegalie bildeten sich zurück und Mastzellinfiltrate im Knochenmark gingen zurück“, berichtet Hartmann, die in Deutschland das Kompetenznetzwerk Mastozytose e.V. gegründet hat und Board-Mitglied des europäischen Mastozytose-Kompetenznetzwerks ist.

Außerdem war das Überleben der Patienten deutlich besser als unter den bisherigen Therapieoptionen: Unter der Behandlung mit Midostaurin beobachteten Hartmann und die anderen Forscher um Erstautor Dr. Jason Gotlib, Stanford University School of Medicine, ein mittleres Gesamtüberleben von 28,7 Monaten.

 
Für Patienten mit Mastozytose stellt diese neue Therapieoption erstmals einen echten Fortschritt dar. Prof. Dr. Karin Hartmann
 

Midostaurin wird off-label bereits zur Behandlung von Patienten mit schwerer Mastozytose eingesetzt und „ich habe auch schon Patienten gesehen, die das Mittel seit sechs Jahren einnehmen und stabil sind“, so die Immundermatologin.

Zwar sei auch mit Midostaurin keine Heilung der schweren Mastozytose möglich, so Siebenhaar, „aber für die betroffenen Patienten ist die damit assoziierte Lebenszeitverlängerung von großer Bedeutung“.

Gute Wirksamkeit auch bei aggressiven Verlaufsformen

Midostaurin wurde ursprünglich nicht für die Therapie der Mastozytose entwickelt, sondern für andere hämatologische Erkrankungen wie die chronisch myeloische Leukämie. Es hemmt den KIT-Rezeptor – eine Tyrosinkinase – auf den Mastzellen, der bei Patienten mit Mastozytose durch eine Mutation dauerhaft aktiviert ist und so zur Vermehrung der Mastzellen führt.

 
Ich habe auch schon Patienten gesehen, die das Mittel seit sechs Jahren einnehmen und stabil sind. Prof. Dr. Karin Hartmann
 

„Midostaurin hemmt allerdings nicht nur den KIT-Rezeptor, sondern auch andere Kinasen. Bei den aggressiven Formen der Mastozytose ist das von Vorteil, da bei ihnen noch andere Mutationen in anderen Kinase-Genen vorliegen“, erklärt Siebenhaar.

Tatsächlich sei die mit Midostaurin assoziierte Verringerung des Sterberisikos bei den Patienten mit Mastzell-Leukämie besonders markant gewesen, so die Autoren. Und „bei den Patienten mit aggressiver systemischer Mastozytose war zum Studienende das mittlere Überleben noch gar nicht erreicht“, berichtet Hartmann. Um die Wirkung aufrecht zu erhalten, dürfe das Medikament allerdings nicht abgesetzt werden.

 
Das Medikament ist nicht harmlos und es verursacht Nebenwirkungen, aber es handelt sich … überwiegend um Nebenwirkungen vom Grad 1 oder 2. Prof. Dr. Karin Hartmann
 

Da ist es vorteilhaft, dass Nebenwirkungen der Studie zufolge wohl selten zum Absetzen des Medikamentes führen werden. „Das Medikament ist nicht harmlos und es verursacht Nebenwirkungen“, stellt Siebenhaar klar, „aber es handelt sich – wie die vorliegende Studie zeigt – überwiegend um Nebenwirkungen vom Grad 1 oder 2.“

Meistens litten die Patienten an Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, also Nebenwirkungen, die man symptomatisch behandeln kann. „Bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung wie der aggressiven Mastozytose überwiegt deshalb eindeutig der Nutzen des Mittels“, betont Hartmann.

Als nächstes wollen die Forscher Midostaurin bei Patienten erproben, die an leichteren Mastozytoseformen erkrankt sind. Aufgrund der bisherigen positiven Ergebnisse bestehe große Hoffnung, so Hartmann, dass Midostaurin auch bei dieser Patientengruppe wirksam sei.

 

REFERENZEN:

1. Gotlib J, et al: NEJM (online) 30. Juni 2016

 

Kommentar

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