Choosing Wisely in der Pneumologie: Empfehlungen setzen auch auf Hausärzte – besonders bei Rauchern und Impfungen

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

18. Juli 2016

Prof. Dr. Berthold Jany

Rauchen ist in 85% der Fälle die Ursache für die Chronisch-obstruktive Lungenkrankheit (COPD). Ähnliches gilt für das Lungenkarzinom. Die „Klug entscheiden“-Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) beziehen sich deshalb auch auf den Risikofaktor Rauchen: Künftig sollte bei jedem Raucher die Lungenfunktion gemessen werden, um frühzeitig krankhafte Veränderungen zu erfassen. Darüber hinaus sollte jedem Raucher mit COPD, Asthma, Lungenkrebs oder Lungenfibrose eine strukturierte Tabakentwöhnung angeboten werden [1].

 
Die Messung der Lungenfunktion bei symptomarmen Rauchern wird kaum durchgeführt. Prof. Dr. Berthold Jany
 

„Die Messung der Lungenfunktion bei symptomarmen Rauchern wird kaum durchgeführt“, kritisiert Prof. Dr. Berthold Jany, Chefarzt der Abteilung Innere Medizin der Missionsärztlichen Klinik der Universität Würzburg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), gegenüber Medscape. Er fügt hinzu: „Viele Raucher haben Symptome, an die sie sich gewöhnt haben, etwa `Raucherhusten´. Das sind oft bereits Symptome einer COPD. Je früher eine Obstruktion entdeckt wird, desto besser für die Prognose. Eine Therapie wird früher eingeleitet und das Tabakrauchen eher aufgegeben.“

Hausarzt hat großen Einfluss auf das Rauchverhalten

Die Spirometrie kann niederschwellig erfolgen: „Seit Jahren ist bekannt, dass die Durchführung beim Hausarzt die Detektion der COPD fördern kann“, bestätigt Jany. Unklare Resultate erforderten dann das Know-how des Pneumologen, auch die Differenzialdiagnose Asthma / COPD und eine entsprechende Therapieeinleitung.

Den Hausarzt sieht Jany auch bei der Tabakrauchentwöhnung in einer wichtigen Rolle: „Der bei jedem Kontakt mit dem Hausarzt von diesem formulierte dringende Rat, mit dem Rauchen aufzuhören, führt signifikant häufiger zur Aufgabe des Rauchens. Das ist nachgewiesen. Dieser Hinweis dauert keine Minute und stellt eine effektive Maßnahme dar. Strukturierte Programme sind noch effektiver und werden flächendeckend viel zu wenig angeboten“, so der Pneumologe.

 
Seit Jahren ist bekannt, dass die Durchführung beim Hausarzt die Detektion der COPD fördern kann. Prof. Dr. Berthold Jany
 

Eine Unterversorgung bestehe auch bei der pneumologischen Rehabilitation: Zwar ist die Effektivität von Rehabilitation nach akuter Exazerbation einer COPD vielfach nachgewiesen. Dennoch erhält nur ein sehr geringer Teil der Patienten eine entsprechende Reha. Jany: „Verlässliche Daten gibt es zu diesem Thema aus Deutschland nicht. In England bekommen neun Prozent der Patienten nach einer Exazerbation eine Reha. In Deutschland sind es geschätzte vier bis fünf Prozent der Patienten.“

Die Gründe für die niedrige Quote sind vielfältig: „Es gibt bürokratische Hürden. Außerdem sind die sehr positiven Ergebnisse einer qualifiziert durchgeführten pneumologischen Reha zu wenig bekannt und ambulante Strukturen für pneumologische Rehabilitationen sind nicht oder kaum vorhanden“, zählt Jany auf. Dabei kann schon der Hausarzt seit einigen Monaten direkt eine pneumologische Reha beantragen.

Lungenkranke Patienten zu selten gegen Influenza geimpft

 
In England bekommen neun Prozent der Patienten nach einer Exazerbation eine Reha. In Deutschland sind es geschätzte vier bis fünf Prozent. Prof. Dr. Berthold Jany
 

Auch beim Impfstatus gibt es Nachholbedarf: Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen sollten ab dem 60. Lebensjahr gegen Influenza und Pneumokokken geimpft werden. „Das Ziel einer Impfquote von 75 Prozent wird bei Influenza nicht annähernd erreicht. Nur etwa 50 Prozent der über 60-Jährigen sind nach RKI-Daten gegen die saisonale Influenza geimpft. Bei den chronisch Kranken ist die Quote noch niedriger.“

Beklagenswert ist auch eine niedrige Influenza-Impfquote beim medizinischen Personal in Krankenhäusern. „Niedergelassene Ärzte sind wesentlich häufiger gegen Influenza geimpft“, berichtet Jany. Die Impfquote für die Pneumokokken-Impfung sei noch schlechter. „Nach Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind lediglich zehn Prozent gegen Pneumokokken geimpft – in Ostdeutschland mehr, im Westen weniger“, berichtet Jany.

 
Kein Antibiotikum zu verordnen kostet Zeit. Es erfordert Überzeugungskraft und Aufklärung des Patienten. Prof. Dr. Berthold Jany
 

Eine Überversorgung besteht dagegen bei der Verordnung von Antibiotika für Patienten mit einer unkomplizierten Bronchitis. „Zuverlässige Zahlen gibt es aus den USA: Hier hat die Rate der Antibiotika-Verschreibungen bei akuter unkomplizierter Bronchitis in den Jahren 1996 bis 2010 auf 70 Prozent bei Erwachsenen zugenommen. Wahrscheinlich ist die Rate in Deutschland niedriger, sie sollte aber bei viraler Bronchitis bei null Prozent liegen“, betont Jany. Er plädiert dafür, Patienten, die auf ein Antibiotikum drängen, nicht nachzugeben: „Kein Antibiotikum zu verordnen kostet Zeit. Es erfordert Überzeugungskraft und Aufklärung des Patienten. Verschiedene Strategien können hier helfen, wie z.B. der Rat, zur Einlösung des Rezepts ein oder zwei Tage zu warten. Bereits das verringert die Rate des Antibiotika-Gebrauchs.“

Zu häufig falsch benutzt – neue Inhalatoren nur nach ausführlicher Schulung

 
Je nach Inhalator nutzen zwischen 20 und 80 Prozent aller Patienten die Geräte nicht richtig. 25 Prozent geben an, nie eine Einführung in den richtigen Gebrauch erhalten zu haben. Prof. Dr. Berthold Jany
 

Begrenzt werden sollten Computertomographien (CT) des Brustkorbs zur Diagnose von Lungenembolien oder Lungenkrebs bei Patienten mit niedrigem Risiko. Die DGP rät auch zur Zurückhaltung bei der Neu-Verschreibung von Inhalatoren bei COPD-Patienten. Dies solle nicht geschehen, ohne dass der Patient für den Gebrauch des Inhalators geschult wurde und die richtige Anwendung gesichert ist.

„Je nach Inhalator nutzen zwischen 20 und 80 Prozent aller Patienten die Geräte nicht richtig. 25 Prozent der Patienten geben an, nie eine Einführung in den richtigen Gebrauch erhalten zu haben“, berichtet Jany. Seiner Erfahrung nach werden nach mangelhaftem Ansprechen und unzureichender Besserung der Atembeschwerden zu schnell weitere Inhalatoren und weitere Inhalativa verordnet. Sein Tipp: „Kein neues Medikament und kein neues Inhalationsgerät ohne ausführliche Schulung.“

Klug entscheiden auf einen Blick

Die 5 Positiv-Empfehlungen

1). Messung der Lungenfunktion bei jedem Raucher

2). Rauchern mit einer chronischen Lungenerkrankung soll immer eine strukturierte Tabakrauchentwöhnung angeboten werden.

3). Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen sollen ab dem 60. Lebensjahr gegen Influenza und Pneumokokken geimpft werden.

4). Nach einer akuten Exazerbation einer COPD, die zu einem Krankenhausaufenthalt führte, soll eine pneumologische Rehabilitation erfolgen.

5). Bei Adipösen, Diabetikern, Patienten mit Vorhofflimmern und Patienten mit Hypertonie, die über Schnarchen berichten, soll eine Diagnostik zum Ausschluss eines Schlafapnoesyndroms erfolgen.

Die 5 Negativ-Empfehlungen

1). Eine akute unkomplizierte Bronchitis soll bei Patienten ohne chronische Lungenerkrankung nicht mit einem Antibiotikum behandelt werden.

2). Bei einer niedrigen klinischen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Lungenembolie und negativen D-Dimeren soll keine CT-Angiografie der Lunge durchgeführt werden.

3). Bei Patienten mit obstruktiven Atemwegserkrankungen wie Asthma und COPD soll eine Therapie mit Inhalatoren nicht begonnen oder geändert werden, ohne dass der Patient im Gebrauch des Inhalationssystems geschult worden ist und die korrekte Anwendung der Inhalatoren überprüft wurde.

4). Bei Patienten, denen im Krankenhaus wegen einer akuten Verschlechterung ihrer Erkrankung eine Langzeit-Sauerstofftherapie verordnet wurde, soll ohne Überprüfung der Notwendigkeit (weiter andauernde Hypoxämie) keine Weiterverordnung erfolgen.

5). Ein CT-Screening für Lungenkrebs soll bei Patienten mit einem niedrigen Risiko nicht durchgeführt werden.

 

REFERENZEN:

1. Jany B: Deutsches Ärzteblatt 2016;113(19): 930-933

 

Kommentar

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