Mehr psychosoziale Unterstützung und die Behandlung therapiebedingter körperlicher Beschwerden – das wünschen sich Brustkrebspatientinnen für der Nachsorge. Dies geht aus einer Umfrage unter mehr als 900 Frauen hervor, die operativ behandelt wurden. Die Befragung belegt andererseits auch eine gute Akzeptanz der Brustkrebsnachsorge in Deutschland. So gut wie alle Patientinnen (99%) nehmen regelmäßig die Nachsorgetermine wahr [1].
70% der Frauen gaben bei der Befragung an, psychosoziale Unterstützung zu vermissen und 55% sahen ihre körperlichen Beschwerden als nicht genügend wahrgenommen und behandelt. „Es handelt sich bei diesen Punkten um wichtige Bausteine der Brustkrebsnachsorge“, sagt Dr. Christina Walter, Oberärztin an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Tübingen, im Gespräch mit Medscape. „Diese Umfrage zeigt, dass wir sie noch mehr als bislang schon in die Nachsorge integrieren müssen. Da scheinen wir als Gynäkologen noch Verbesserungspotential zu haben.“
Trügerische Beruhigung durch unnötige Tests
Verbesserungspotenzial gibt es möglicherweise auch bei der Art der durchgeführten Untersuchungen. Stefan Feiten und sein Team vom Institut für Versorgungsforschung in der Onkologie in Koblenz stellten fest: Die Ärzte veranlassen oft mehr diagnostische Untersuchungen als empfohlen.
63% der von Feiten und seinen Kollegen ebenfalls befragten Ärzte veranlassten bei asymptomatischen Patientinnen Laboruntersuchungen und 40% die Bestimmung von Tumormarkern. Häufiges Ziel dieser Untersuchungen ist, die Patientinnen zu beruhigen.
Doch: „Beides ist bei beschwerdefreien Patientinnen in der Nachsorge nicht vorgesehen“, so Walter. „Streng genommen gehören bei unauffälligen Patientinnen nur die klinische Untersuchung beim Frauenarzt alle drei Monate, die halbjährliche Ultraschalluntersuchung, die jährliche Mammographie und das Erfassen von therapiebedingten Nebenwirkungen zur Nachsorge.“
Die Gynäkologin weiß jedoch aus Erfahrung: „Viele Patientinnen sind immer auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten, zu bestätigen, dass alles in Ordnung ist. Sie drängen dann auch auf solche Untersuchungen.“ Und auch Feiten und seine Mitautoren schreiben: „Die Patientinnen glauben, dass sie eine bessere Überlebenschance durch mehr Tests haben.“ Dies stehe jedoch im Widerspruch zur verfügbaren Evidenz hinsichtlich der Effektivität von Nachsorgeuntersuchungen.
Hier sei der betreuende Arzt gefragt, die Patientin darüber aufzuklären, was diese Untersuchungen, z.B. die Bestimmung von Tumormarkern, bedeuten und welche Konsequenzen sie haben oder eben auch nicht haben, betont Walter. „Das eigentliche Einsatzgebiet von Tumormarkern – und das einzige auf dem ihr Nutzen belegt ist – ist das Monitoring der Therapie“, so die Gynäkologin. „Ein am Anfang erhöhter Tumormarker sollte unter einer spezifischen Therapie abfallen.“
Offen nach Problemen fragen
Nachsorge sollte mehr sein als reine Rezidiv-Erkennung durch möglichst viele Tests. Und die nun vorgelegten Umfrageergebnisse zeigen sehr gut, worauf der Fokus noch mehr gelenkt werden sollte: die Behandlung von therapiebedingten Beschwerden und die psychische Gesundheit der Frauen. „Es ist wichtig, das Gespräch mit der Patientin auf solche Themen zu lenken, um den Bedarf zu eruieren“, sagt Walter. Denn viele Frauen würden solche Probleme beim Frauenarzttermin nicht von selbst ansprechen. „Öffnen sie der Patientin mit offenen Fragen die Tür, um kundzutun, was sie gerade belastet.“
Darüber hinaus sollte die Behandlung therapiebedingter Beschwerden im Vordergrund stehen. „Viele Patientinnen bekommen noch über Jahre eine Antihormontherapie z.B. mit Aromatasehemmern“, berichtet Walter. „Deshalb ist es wichtig, nach Nebenwirkungen dieser Medikamente zu fragen, etwa Knochenschmerzen, Hitzewallungen oder Schlafstörungen.“
Denn, so die Gynäkologin, für diese therapiebedingten Beschwerden gebe es gute Möglichkeiten der Hilfestellung: „Eine Sache, die wissenschaftlich belegt und statistisch relevant Erleichterung von diesen Beschwerden bringt, ist Sport und körperliche Aktivität. Dazu muss man die Patientinnen zwar motivieren, aber wenn dies gelingt, wirkt es und hat nicht noch weitere Nebenwirkungen wie es vielleicht bei medikamentösen Therapiemaßnahmen der Fall wäre.“
Patientinnen, die regelmäßig Sport treiben, vertragen die Behandlung besser, brechen sie weniger häufig ab und erleiden weniger Rezidive. „Das ist ein Aspekt, der noch viel mehr zu den Patientinnen getragen werden sollte“, betont Walter. Und dafür sei auch kein Halbmarathon notwendig, auch mit 30 bis 45 Minuten zügigem Spazierengehen am Tag könne man sich schon etwas Gutes tun.
REFERENZEN:
1. Feiten S, et al: Geburtshilfe Frauenheilkd. 2016;76(05): 557-563
© 2016 WebMD LLC
Diesen Artikel so zitieren: Brustkrebsnachsorge: Patientinnen wollen viel mehr psychosoziale Unterstützung - Medscape - 8. Jul 2016.
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