To do or not to do – Rheumatologen erstellen Liste mit Positiv- und Negativempfehlungen, auch für fachfremde Kollegen

Inge Brinkmann

Interessenkonflikte

6. Juli 2016

Zu hohe Erwartungshaltungen der Patienten oder mangelhafte Leitlinienkenntnisse – für Über- oder Unterversorgung in der Medizin gibt es viele Gründe. Um dem entgegenzuwirken, hat die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) eine „Klug entscheiden“-Liste mit je 5 Positiv- bzw. Negativ-Empfehlungen aus dem Bereich der Rheumatologie erarbeitet und im Ärzteblatt veröffentlicht [1].

Die Positiv-Empfehlungen adressieren dabei diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die zu selten angewendet werden, obwohl ihr Nutzen nachgewiesen ist. Dazu zählt nach Ansicht des Autorenteams z.B. die Punktatuntersuchung bei akuten Gelenkschwellungen unklarer Genese. Die „Negativ“-Empfehlungen beschreiben dagegen Maßnahmen, die häufig durchgeführt werden, obwohl sie keinen Nutzen bringen. Beispiel hierfür ist eine bildgebende Diagnostik bei unspezifischen Rückenschmerzen ohne Hinweise auf Frakturen, einen Tumor oder andere sogenannte „Red Flags“.

Entstanden ist die Liste im Rahmen der „Klug entscheiden“-Initiative der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Inspiriert ist diese wiederum durch das amerikanische „Choosing-Wisely“-Programm, das 2012 vom American Board of Internal Medicine (ABMI) ins Leben gerufen worden ist. Rund 70 medizinische Fachgesellschaften aus den USA haben mittlerweile ihre spezifischen „Choosing wisely“-Empfehlungen erstellt; in Deutschland gibt es bereits Listen aus der Angiologie, der Infektiologie, der Endokrinologie und der Pneumologie, 7 weitere sollen noch folgen.

Die Empfehlungen stellen Erkrankungen in den Mittelpunkt – keine Fachgebiete

Prof. Dr. Matthias Schneider

Um die Vermittlung von „Geheimwissen“ geht es weder bei den amerikanischen noch den deutschen Listen. Denn: In den S3-Leitlinien oder Nationalen Versorgungsleitlinien lassen sich die einzelnen Punkte bereits nachlesen. Die „Klug entscheiden“-Empfehlungen hätten trotzdem ihre Berechtigung, sagt Prof. Dr. Matthias Schneider, Direktor der Poliklinik für Rheumatologie an der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, im Gespräch mit Medscape.

Zum einen wegen der – in allen medizinischen Bereichen häufig vorzufindenden – mangelnden Leitlinienkenntnisse, so Schneider. Tatsächlich werden Leitlinien oft als zu lang und zu unübersichtlich wahrgenommen. Doch während man sein eigenes Fachgebiet noch gut überblicke, hapere es oft in fachfremden Bereichen, ergänzt der Düsseldorfer Experte.

„Die ‚Klug entscheiden‘-Empfehlungen der DGRh richten sich bewusst an Mediziner aus allen Bereichen“, sagt er. Denn natürlich hätten Rheumapatienten nicht nur mit Rheumatologen zu tun. Dass etwa das kardiovaskuläre Risiko bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen erhöht sei und deshalb ein entsprechendes Risikoprofil bestimmt werden müsse, sollte auch der Hausarzt verinnerlichen (Punkt 5 der Positiv-Empfehlungen). Gleiches gelte für die regelmäßige Überprüfung des Impfstatus der Rheumapatienten unter Immunsuppression (Punkt 4 der Positiv-Empfehlungen).

 
Die ‚Klug entscheiden'- Empfehlungen der DGRh richten sich bewusst an Mediziner aus allen Bereichen. Prof. Dr. Matthias Schneider
 

„Die Empfehlungen stellen Versorgungsaspekte zu bestimmten Erkrankungen in den Mittelpunkt, keine Fachgebiete“, erklärt Schneider, 2. Vizepräsident der DGRh und selbst Mit-Autor der aktuellen Empfehlungen.

Die „Klug entscheiden“-Empfehlungen der DGRh

Ob die amerikanische Initiative eine deutsche Entsprechung bekommen sollte, wurde jedoch trotz grundsätzlicher Zustimmung längere Zeit kontrovers diskutiert. U.a. wurde bemängelt, dass „Choosing wisely“ nur Probleme der Überversorgung – welche nicht nur Patienten schädigen kann, sondern auch viel Geld verschlingt – adressiert. Die tatsächliche Unterversorgung in verschiedenen Bereichen werde dagegen von der US-Kampagne ignoriert.

Kommentar

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