Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Können Bakterien aus dem Stuhl Gesunder eine Therapieoption sein?

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

5. Juli 2016

Prof. Dr. Britta Siegmund

Berlin – Die Übertragung von Darmbakterien aus den Faeces gesunder Spender könnte eine therapeutische Option für Menschen mit chronisch entzündlichen Darmentzündungen (CED) sein. Das deuteten erste Ergebnisse mehrerer aktueller Studien an, berichtete Prof. Dr. Britta Siegmund, Direktorin der Medizinischen Klinik I der Berliner Charité, Campus Benjamin Franklin, auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in Berlin [1].

Der fäkale Mikrobiota-Transfer (FMT) wird bereits heute – auch hierzulande – als Heilversuch bei der therapierefraktären Clostridium-difficile-Kolitis eingesetzt, wenn die dabei übliche Antibiotikatherapie versagt hat. Siegmund verwies auf eine 2013 im New England Journal of Medicine publizierte Studie, „die zeigte, dass mit FMT bei mehr als 90 Prozent dieser Patienten eine Heilung erreicht werden kann“. In den USA gibt es zu diesem Zweck bereits Stuhlbanken wie OpenBiome, bei denen fäkale Mikrobiom-Transplantate geordert werden können.

Zwei kontrollierte Studien zu fäkalem Mikrobiota-Transfer

 
Wir wissen, dass es bei CED-Patienten insbesondere bei erhöhter Krankheitsaktivität zu einer Reduktion der Bakterienvielfalt im Darm kommt. Prof. Dr. Britta Siegmund
 

Anknüpfend an diese Behandlungserfolge wurde in jüngster Zeit versucht, auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) den FMT als Therapieansatz zu nutzen. „Wir wissen, dass es bei CED-Patienten insbesondere bei erhöhter Krankheitsaktivität zu einer Reduktion der Bakterienvielfalt im Darm kommt“, erklärte Siegmund. Dabei würden Bakterien wie das offenbar günstige Eigenschaften besitzende Faecalibacterium prausnitzii von anderen verdrängt. Gesucht sind Therapieoptionen, die dies wieder rückgängig machen können.

 
Ob man dazu am Ende die Bakterien selbst braucht oder ob vielleicht deren Stoffwechselprodukte ausreichen, gilt es ebenfalls noch zu erforschen. Prof. Dr. Britta Siegmund
 

Nach mehreren unkontrollierten Fallserien wurden 2015 dann 2 kontrollierte FMT-Studien bei Colitis-ulcerosa-Patienten publiziert, deren primärer Endpunkt eine Remission war. Eine in Gastroenterology publizierte niederländische Studie verglich dabei Patienten, die Darmbakterien gesunder Spender erhalten hatten, mit solchen, die eigene fäkale Mikrobiota erhielten. In einer in der gleichen Zeitschrift publizierten kanadischen Studie wurde der Kontrollgruppe Wasser als Placebo verabreicht.

Gute Spender – schlechte Spender?

„Zwar waren die bei einem Teil der mit FMT behandelten Colitis-ulcerosa-Patienten beschriebenen Zustandsverbesserungen statistisch nicht signifikant und der primäre Endpunkt wurde formal nicht eindeutig erreicht, dennoch sind einige Ergebnisse dieser Interventionen bemerkenswert“, berichtete Siegmund. So habe sich bei allen Patienten mit verbesserter Symptomatik eine Zunahme der mikrobiellen Diversität im Darm feststellen lassen. Darüber hinaus scheine die Mikrobiota bestimmter Spender die Therapiechancen gegenüber denen anderer Spender deutlich zu erhöhen.

 
Es ist durchaus denkbar, dass FMT eines Tages auch bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eine erfolgversprechende Therapieoption darstellen wird. Prof. Dr. Britta Siegmund
 

Damit könnte es, so die Gastroenterologin weiter, entscheidend sein, das Mikrobiom eines „Idealspenders“ zu definieren, um hier möglicherweise auch im Labor das „Spenderpräparat“ generieren zu können. „Ob man dazu am Ende die Bakterien selbst braucht oder ob vielleicht deren Stoffwechselprodukte ausreichen, gilt es ebenfalls noch zu erforschen“, erklärte Siegmund im Gespräch mit Medscape. Zunächst sei es jedoch wichtig, die Beziehung zwischen Mikrobiota und dem jeweiligen Zustand des Patienten besser zu verstehen.

Klinische Entwicklung erst am Anfang

Im Vergleich zu anderen neuen Therapieoptionen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie etwa den monoklonalen Antikörpern Ustekinumab und Vedolizumab sowie Tyrosinkinase-Inhibitoren steht man Siegmund zufolge beim fäkalen Mikrobiota-Transfer noch weit am Anfang der Entwicklung. Zu den ungeklärten Aspekten gehört dabei unter anderem auch, ob die Darmbakterien den Patienten besser über eine Duodenalsonde oder ein Klistier verabreicht werden und wie oft die Behandlung zu wiederholen ist.

„Es ist durchaus denkbar, dass FMT eines Tages auch bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eine erfolgversprechende Therapieoption darstellen wird. Vorerst jedoch“, so die Berliner Gastroenterologin, „sollte mit Ausnahme der therapierefraktären Clostridium-difficile-Kolitis kein FMT außerhalb von Studien erfolgen.“

 

REFERENZEN:

1. Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), 23. Juni 2016, Berlin

 

Kommentar

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