Würzburg – Zika, Chikungunya, Ebola und MERS – dies sind nur einige der Erreger und Krankheiten, deren möglicher Import nach Europa Infektiologen Sorgen bereitet. „Für keine dieser Erkrankungen gibt es zugelassene Impfstoffe und Medikamente“, erinnerte auf dem 13. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin Prof. Dr. Marylyn Addo [1].

Prof. Dr. Marylyn Addo
„Erschwert wird die effektive Bekämpfung vieler ,neuartiger Viren‘ dadurch, dass sie tierische Reservoire haben oder von Insekten übertragen werden können“, erläuterte die Leiterin der Sektion Tropenmedizin am Zentrum für Innere Medizin der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Das Problem ist auf höchster Ebene erkannt und wird auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) thematisiert, etwa in dem kürzlich beschlossenen R&D Blueprint for Action to Prevent Epidemics.
Ungeimpfte Reisende könnten Gelbfieber verbreiten

Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit
Der große Ebola-Ausbruch in Westafrika gilt seit dem 9. Juni 2016 als beendet. Sierra Leone, Guinea und Liberia behalten jedoch noch ein hohes Vigilanz- und Surveillanceniveau, da ein Restrisiko von vereinzelten neuen Übertragungen bleibt. Aktuell beschäftigt die WHO-Experten ein Gelbfieberausbruch, der im Dezember 2015 in Angola begann. Es gab bisher 2.900 Verdachtsfälle, von denen 819 bestätigt wurden und mehr als 300 tödlich endeten. Aus Angola wurde die Krankheit mindestens 51 Mal in die Demokratische Republik Kongo eingeschleppt, 2 Mal nach Kenia und 11 Mal nach China. „Dies unterstreicht das Risiko einer internationalen Ausbreitung durch nicht geimpfte Reisende“, so Addo. Die WHO hat den Ausbruch zwar als ernsthaft eingestuft, nicht aber in die höchste Gefahrenklasse eines Gesundheitnotstandes.
Infektionen mit dem Zika-Virus haben dagegen diesen Status erreicht, berichtete in Würzburg Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, der am Bernhard-Nocht-Institut das Kooperationszentrum der WHO für Arboviren leitet. Das Virus war offenbar aus Polynesien nach Brasilien eingeschleppt worden. In Deutschland wurden bislang etwa 60 Fälle bekannt, davon Ende Mai 2016 die erste Ansteckung durch einen Sexualkontakt, so Schmidt-Chanasit.
Kürzlich hatten 150 Mediziner mit einem Brief an die WHO Schlagzeilen gemacht, in dem sie forderten, die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro abzusagen, weil Zika-Virus Infektionen in Brasilien drastisch zugenommen haben und zu mittlerweile mehr als 1.400 bestätigten Fällen schwerer Schädelfehlbildungen bei Feten und Neugeborenen geführt haben. „Die Mehrheit der hier versammelten Infektiologen ist sicher gegen eine Verlegung oder Absage der Sommerspiele“, kommentierte Addo gegenüber Medscape. “Wir glauben, dass die Empfehlungen der WHO zum Schutz der Sportler und Reisenden eine angemessene Antwort auf die Infektionsgefahr darstellen.” Unter den Briefschreibern seien im Übrigen auch keine namhaften Virologen oder gar Zika-Experten gewesen, stellten Addo und Schmidt-Chanasit übereinstimmend fest.
Stechmücken ums Mittelmeer als Vektoren für Zika-Viren
Die beiden Forscher erwarten allerdings ebenso wie Dr. Dennis Tappe von der Abteilung Mikrobiologische Zentraldiagnostik des Bernhard-Nocht-Instituts einen Anstieg der importierten, reiseassoziierten Fälle von Zika-Virus-Infektionen in Europa. Tappes Arbeitsgruppe hatte 2013 den ersten importierten Fall einer Zika-Virus Infektion nach Europa beschrieben und infiziert im Labor derzeit heimische und “zugewanderte” Stechmückenarten, um zu prüfen, ob eine Transmission durch die Insekten möglich ist. Tappes Urteil lautet, dass insbesondere die invasive Stechmückenart Aedes albopictus möglicherweise einen kompetenten Vektor darstellt.
Klimatisch seien große Bereiche rund um das Mittelmeer dafür geeignet, dass sich die Viren dort in Mücken etablieren könnten. „Aufgrund dessen ist es besonders wichtig, in den kommenden Sommermonaten die Detektion von importierten Fällen weiter voranzutreiben, um das Risiko lokaler Transmissionen einzudämmen.”
REFERENZEN:
1. 13. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin, 15. bis 18. Juni 2016, Würzburg
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Diesen Artikel so zitieren: Zika, Chikungunya, Ebola: Neuartige Viren gelangen mit infizierten Reisenden immer öfter nach Europa - Medscape - 30. Jun 2016.
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