Doping im Freizeitsport: Auch Amateur-Fußballern drohen Herzversagen, Schlaganfall und Depressionen

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

30. Juni 2016

Doping betrifft nicht nur den Profisport: Immer mehr Amateurfußballer, Freizeitläufer oder Hobby-Rennradfahrer greifen zu Pillen, Spritzen und anderen Präparaten, um ihre Leistung zu steigern, Schmerzen zu verringern oder die Übermüdung ihres Körpers zu verhindern. Das Schlimme daran: Freizeitsportler unterschätzen oft die gefährlichen gesundheitlichen Auswirkungen der Einnahme leistungssteigernder Substanzen, insbesondere die von Anabolika, warnen Experten der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) [1].

 
Die Pathologen finden bei der Autopsie oft eine ausgedehnte Verkalkung der Blutgefäße. Prof. Dr. Dr. Eberhard Nieschlag
 

„Die Einnahme wird häufig bagatellisiert“, sagt Prof. Dr. Dr. Eberhard Nieschlag, ehemaliger Direktor des heutigen Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie am Universitätsklinikum Münster. „Im Leistungssport wird Doping vor allem als Verstoß gegen die Fairness geahndet. Freizeitsportler haben also vermeintlich wenig zu befürchten.“

Das sei ein fataler Irrtum, denn eine langzeitige und hochdosierte Nutzung dieser illegal im Internet oder auch in Fitnessstudios angebotenen Hormonpräparate drohen Thrombosen, Schlaganfälle, Depressionen und sogar Herzversagen. Das zeigen immer wieder Todesfälle durch Herzversagen bei jungen Sportlern, die Anabolika über längere Zeit eingenommen haben. Todesursachen sind dann Erkrankungen des Herzmuskels, eine Herzrhythmusstörung oder ein Herzinfarkt. „Die Pathologen finden bei der Autopsie oft eine ausgedehnte Verkalkung der Blutgefäße“, was zu einem Herzinfarkt führen könne, sagt Nieschlag.

Anabolika für Muskelaufbau und -Regeneration

Prof. Dr. Wilhelm Schänzer

In den 1980er Jahren griffen vor allem Bodybuilder zu anabolen androgenen Steroiden (AAS), um den Muskelaufbau zu beschleunigen. Heute avanciert Doping, auch mit Anabolika, die in Spritzen- oder Tablettenform oder als Gels und Cremes sowie als Pflaster vorkommen, zur gängigen Praxis in vielen Bereichen des Breitensports. Schätzungsweise 5 bis 15% aller Amateursportler haben bereits zu Dopingmitteln, unter anderem Anabolika, gegriffen. Hormonexperten bezeichnen die Steroide auch als „Performance and Appearance Enhancing Drugs“ (PEAD), also als Drogen, die sowohl Leistung als auch Aussehen verbessern.

Unter der Einnahme von Anabolika nimmt die Muskelmasse zu, ohne dass Körperfett eingelagert wird. Die Steroide sind also vor allem interessant für Sportler, die Leistung auch durch Muskelmasse erzielen, also neben Bodybuildern auch etwa Sprinter, Weitspringer, Schwimmer oder Gewichtheber, aber auch Mannschaftssportler wie Hand- und Fußballer.

„Für Fußballer könnten Anabolika von Interesse sein, um zum Beispiel nach Verletzungen die Muskulatur hinsichtlich Kraft und Schnellkraft optimal wieder aufzubauen“, erklärt Prof. Dr. Wilhelm Schänzer, Leiter des Instituts für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln, gegenüber Medscape. Das Institut ist ein von der Welt Anti Doping Agentur (WADA) akkreditiertes Labor für Dopinganalytik. „Möglicherweise unterstützen Anabolika auch die Regenerationsphase nach extremen Belastungen.“

Organschäden und psychische Beeinträchtigungen drohen

 
Für Fußballer könnten Anabolika von Interesse sein, um zum Beispiel nach Verletzungen die Muskulatur optimal wieder aufzubauen. Prof. Dr. Wilhelm Schänzer
 

Durch eine vermehrte Bildung von roten Blutkörperchen verbesserten die synthetischen Derivate des Sexualhormons Testosteron zwar die Sauerstoffversorgung im Gewebe, erklärt Nieschlag. Jedoch bestehe dadurch die Gefahr eines Blutgerinnsels. „Im Gehirn hat das einen Schlaganfall, in den Lungen eine Lungenembolie und in den Beinen eine Thrombose zur Folge.“ Da die meisten Anabolika in der Leber abgebaut werden, droht bei längerer Einnahme eine Fettleber, bei Überdosierung sogar ein Versagen der Leberfunktion.

„Daten zeigen, dass ein kontinuierlicher Gebrauch von Anabolika insbesondere die Leber und den Herzmuskel schädigen können“, sagt auch Schänzer. Hierbei seien 17-Methylsteroide wie Metandienon und Stanozolol besonders gefährlich, während körpereigene Anabolika wie das männliche Sexualhormon Testosteron als weniger schädigend einzustufen seien. 

 
Daten zeigen, dass ein kontinuierlicher Gebrauch von Anabolika insbesondere die Leber und den Herzmuskel schädigen können. Prof. Dr. Wilhelm Schänzer
 

Doch nicht nur der Körper, auch die Psyche leidet unter langfristiger Einnahme von Steroiden. „Anabolika-Anwender sind häufig leicht erregbar und aggressiv“, berichtet Nieschlag. Einige neigen zur Selbstüberschätzung, was sowohl im Sport als auch im Alltag gefährliche Folgen haben kann. Andere entwickeln sogar Symptome einer Psychose oder starke Depressionen, die noch viele Jahre nach dem Absetzen der Anabolika anhalten können, sagt der Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Andrologie. 

Dopingkontrollen in den unteren Fußballligen?

Da es im Freizeitsport im Gegensatz zum Profisport so gut wie keine Dopingkontrollen gibt, sinkt die Hemmschwelle zur Nutzung der Substanzen. Was viele Anwender von AAS nicht wissen: Nach der Dopingmittel-Mengen-Verordnung von 2013 werde schon der Erwerb und Besitz „nicht geringer Mengen“ von Anabolika mit einer Freiheitsstrafe geahndet, erklärt Schänzer.

Bei vielen Freizeitsportlern fehlt außerdem die Aufklärung über potenzielle Schädigungen. „Die meisten Menschen, die PEAD einnehmen, sind sich der gesundheitlichen Risiken nicht bewusst, die häufig noch durch die Kombination verschiedener Präparate gesteigert werden können“, sagt Prof. Dr. Matthias Weber, Leiter des Endokrinen und Neuroendokrinen Tumorzentrums der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

 
Zur Abschreckung sind sporadisch angesetzte Dopingkontrollen in den Amateurligen sinnvoll. Prof. Dr. Wilhelm Schänzer
 

Er sieht Handlungsbedarf bei der Nationalen Anti-Doping Agentur NADA, denn deren Warnung vor der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln im Sport reiche nicht aus. „Die NADA sollte auch deutlich vor den gesundheitlichen Risiken von PEAD warnen“, fordert Weber. „Freizeitsportler sind hier stärker gefährdet, da sie keinen Kontrollen unterliegen und häufig sogar größere Mengen einnehmen als die Profis.“

Dopingkontrollen im Freizeitsport, etwa in den Amateurligen, seien eine Möglichkeit zur Eindämmung der Nutzung illegaler Substanzen und damit auch der gesundheitlichen Gefährdung von Breitensportlern, sagt Schänzer. „Zur Abschreckung sind sporadisch angesetzte Dopingkontrollen in den Amateurligen sinnvoll“, so der Experte für Dopinganalytik. „Besser wären allerdings gezielte Dopingkontrollen, wenn konkrete Hinweise auf den Missbrauch verbotener Dopingmittel einschließlich Anabolika vorhanden sind.“

 

REFERENZEN:

1. Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie: Pressemitteilung, 17. Juni 2016

 

Kommentar

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