Patienten im Alter unter 65 Jahren mit neu diagnostiziertem Mantelzell-Lymphom profitieren von der Zugabe von hochdosiertem Cytarabin zur Immunchemotherapie vor einer autologen Stammzell-Transplantation (ASCT): Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 6,1 Jahren war die Zeit bis zum Therapieversagen bei Zugabe von hochdosiertem Cytarabin mit 9,1 Jahren im Median signifikant länger als in der Kontrollgruppe mit 3,9 Jahren. Dies ist das Ergebnis einer Phase-3-Studie, die vom European Mantle Cell Lymphoma Network durchgeführt und in Lancet publiziert wurde [1].
„Eine hochdosiertes Cytarabin enthaltende Immunchemotherapie gefolgt von ASCT sollte als Therapiestandard für Patienten mit Mantelzell-Lymphom im Alter bis zu 65 Jahren in Erwägung gezogen werden“, so das Fazit von Prof. Dr. Olivier Hermine, Abteilung für Hämatologie, Hôpital Necker, Paris, und seinen Kollegen.
Die Ergebnisse dieser „Meilensteinstudie werden wahrscheinlich die Rolle von Cytarabin in der Frontline-Therapie jüngerer Patienten mit Mantelzell-Lymphom in den nächsten Jahren festigen“, so der Kommentar von Prof. Dr. Peter Martin, Weill Cornell Medical College, New York, im begleitenden Editorial [2]. Die Ergebnisse haben sich bereits in den aktualisierten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) vom Februar 2016 zur Behandlung des Mantelzell-Lymphoms niedergeschlagen.
Überlebenszeit nur vier bis fünf Jahre
Das Mantelzell-Lymphom ist ein Subtyp der B-Zell-Lymphome, der 5 bis 10% aller Lymphome ausmacht. „Obwohl sich das mediane Gesamtüberleben in den letzten drei Jahrzehnten verdoppelt hat, ist das Mantelzell-Lymphom unheilbar mit einer Überlebenszeit von nur 4 bis 5 Jahren im Median“, so Hermine. Ergebnisse einer Metaanalyse zeigten, dass die Zugabe von Rituximab zu konventioneller Chemotherapie das Gesamtüberleben zwar verbessert, die Rate kompletter Remissionen (CR) liegt aber unter 50% und die Zeit bis zum Therapieversagen ist kürzer als 2 Jahre bei Therapie mit R-CHOP (Rituximab plus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison).
Die erste randomisierte Studie des European Mantle Cell Lymphoma Network hatte ergeben, dass eine myeloablative Konsolidierung gefolgt von einer ASCT eine weitere Verbesserung der Überlebenschancen von Patienten bis zu einem Alter von 65 Jahren ermöglichte. Aufgrund von ermutigenden Ergebnissen aus Phase-2-Studien führte nun das Europäische Mantelzell-Lymphom Netzwerk eine weitere randomisierte Phase-3-Studie durch, in der es offen und randomisiert den Effekt einer zusätzlichen Gabe von hochdosiertem Cytarabin zur Immunchemotherapie vor der ASCT untersuchte.
Phase-3-Studie zum Vergleich verschiedener Induktionstherapien
In 128 hämato-onkologischen Abteilungen oder Praxen in Deutschland, Frankreich, Belgien und Polen wurden zwischen Juli 2004 und März 2010 497 Patienten im Alter unter 65 Jahren mit unbehandeltem Mantelzell-Lymphom in die Studie aufgenommen. Randomisiert wurden die Patienten wie folgt behandelt:
Kontrollgruppe: 6 Zyklen R-CHOP (Rituximab plus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison) gefolgt von myeloablativer Radiochemotherapie und ASCT
Cytarabin-Gruppe: 6 Zyklen von alternierendem R-CHOP oder R-DHAP (Rituximab plus Dexamethason, hochdosiertem Cytarabin, Cisplatin) gefolgt von einem hochdosiertes Cytarabin enthaltendes Konditionierungsregime und ASCT
Primärer Endpunkt war die Zeit bis zum Therapieversagen von der Randomisierung bis zur stabilen Erkrankung nach mindestens 4 Induktionszyklen, Progression oder Tod jeder Ursache. Sekundäre Endpunkte waren die Rate kompletter Remissionen (CR) und die Gesamtansprechrate nach Induktion und nach ASCT, das progressionsfreie Überleben (PFS), das Gesamtüberleben (OS) und die Verträglichkeit.
Länger bis zum Therapieversagen, aber kein längeres Überleben
234 von 249 Patienten der Kontrollgruppe und 232 von 248 Patienten der Cytarabin-Gruppe wurden in die Primäranalyse eingeschlossen. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 6,1 Jahren war die Zeit bis zum Therapieversagen in der Cytarabin-Gruppe mit 9,1 Jahren im Median signifikant länger als in der Kontrollgruppe mit 3,9 Jahren (Hazard Ratio: 0,56, p = 0,038). Auf die Induktionstherapie hatten 90% der Kontrollpatienten und 94% der Cytarabin-Patienten angesprochen. Ein komplettes Ansprechen wurde bei 39% der Kontrollpatienten und bei 55% der Cytarabin-Patienten erreicht (p = 0,0005). Nach der Induktionsphase war bei 47% der Kontrollgruppe und bei 81% der Cytarabin-Gruppe keine minimale Resterkrankung im peripheren Blut mehr nachweisbar (p < 0,0001), für die minimale Resterkrankung im Knochenmark betrugen die entsprechenden Zahlen 26 bzw. 61% (p < 0,0001).
Nach der ASCT waren die Gesamtansprechraten in beiden Gruppen mit 97% (Kontrolle) und 98% (Cytarabin) ähnlich. Der Anteil der Patienten mit nicht mehr nachweisbarer minimaler Resterkrankung in Blut und Knochenmark war in der Cytarabin-Gruppe immer noch höher.
Ähnlich wie die Zeit bis zum Therapieversagen war auch das progressionsfreie Überleben in der Cytarabin-Gruppe mit 9,1 Jahren ab der Randomisierung signifikant länger als in der Kontrollgruppe mit 4,3 Jahren (p < 0,0001). Zum Zeitpunkt der Analyse war der endgültige Wert des Gesamtüberlebens noch nicht erreicht, es unterschied sich zu dieser Zeit zwischen den beiden Gruppen nicht. Die 5-Jahres-Überlebensraten betrugen 69% in der Kontroll- und 76% in der Cytarabin-Gruppe. „Der Nutzen war in allen Risikogruppen ähnlich“, konstatiert Martin im Editorial. „Obwohl die Richtung der Befunde nicht überraschend war, so war doch ihr Ausmaß erstaunlich.“
Patienten, die mit hochdosiertem Cytarabin behandelt wurden, wiesen mehr hämatologische Toxizitäten vom Grad 3/4 auf, z.B. mehr febrile Neutropenien, was zu erwarten war. Durch die Zugabe von Cisplatin kam es zu mehr Grad-1/2-Nebenwirkungen an den Nieren. „Dies wird zweifellos manche Ärzte den Wert der zusätzlichen Substanzen in Frage stellen lassen“, so Martin. Er wies jedoch darauf hin, dass die Behandlungs-assoziierte Sterblichkeit mit 3,4% in beiden Gruppen vergleichbar gewesen sei.
„Bei fast allen Parametern war die Studie ein Erfolg. Aber es bleibt eine brennende Frage: Warum gab es keinen Unterschied beim Überleben?“ so Martin. Trotz einer Verdoppelung der Zeit bis zum Therapieversagen sei das 5-Jahres-Überleben in beiden Gruppen mit 65% bzw. 76% ähnlich gewesen. Daher stellten sich 2 Fragen: „Ziehen die Patienten einen Nutzen aus all diesen Forschungen? Und welches ist der optimale Endpunkt in kommenden Studien?“
Die Antwort auf die erste Frage sei nicht einfach. Es scheine zwar so zu sein, dass Patienten heute länger als früher lebten, aber die Ergebnisse von Beobachtungsstudien belegten, dass es unter Real-World-Bedingungen nach wie vor schlecht für die Patienten aussehe. Die Besserung könnte eher gefühlt als real sein, weil z.B. die Erkrankung besser und früher diagnostiziert werden könne. Neue Therapien könnten einen Effekt über die nachgewiesene Verlängerung der Remissionsdauer hinaus haben. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dann müssten Frontline-Therapien ohne kuratives Potenzial weniger toxisch werden, damit weitere Therapielinien auch realisierbar seien.
Auch die zweite Frage zum geeigneten Endpunkt in Studien sei komplex. Zwar seien Phase-3-Studien mit dem Gesamtüberleben als Endpunkt der Goldstandard, aber sie stoßen an die Grenzen der Machbarkeit oder auch Irrelevanz, wenn sie zu lange dauerten. „Die Studie von Hermine und Kollegen begann im Jahr 2004, obwohl sie zu Ergebnissen führte, die heute genauso relevant sind wie zum Zeitpunkt der Planung.“ Auch Therapien, die die Tiefe oder Dauer des Ansprechens verbesserten ohne das Überleben zu verlängern, hätten ihren Wert, der möglicherweise nicht sofort sichtbar sei. Wichtig sei die Beurteilung im Kontext von Toxizitäten und Effekten auf nachfolgende Behandlungen.
REFERENZEN:
1. Hermine O, et al: Lancet (online) 13. Juni 2016
2. Martin P: Lancet (online) 13. Juni 2016
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Diesen Artikel so zitieren: Mantelzell-Lymphom: Mit Hochdosis-Cytarabin plus Immunchemotherapie fünf Jahre länger bis zum Therapieversagen - Medscape - 30. Jun 2016.
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