Nierenerkrankung: Zu viel Salz scheint das Risiko für Herzinsuffizienz, Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich zu erhöhen

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

28. Juni 2016

Bei Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen kann ein zu hoher Salzkonsum das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich erhöhen. Das ergab eine US-Studie, die bei mehr als 3.700 Patienten mit Nierenerkrankungen den Zusammenhang zwischen Natriumausscheidung im Urin und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht hat [1].

„Unsere Analysen zeigten ein signifikant erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei den Patienten mit der höchsten Natriumausscheidung im Urin, unabhängig von mehreren wichtigen kardiovaskulären Risikofaktoren“, berichtet das Autorenkollektiv um Dr. Katherine Mills von der Tulane University School of Public Health and Tropica Medicine in New Orleans, USA.

Prof. Dr. Christian Rump

Insgesamt trat bei 29,8% der Studienteilnehmer, die innerhalb von 24 Stunden mehr als 4,55 g Natrium ausschieden, während des Follow-up (im Schnitt 6,8 Jahre) mindestens ein kardiovaskuläres Ereignis des kombinierten primären Endpunkts (Herzinsuffizienz, Myokardinfarkt und Schlaganfall) auf. Unter den Teilnehmern, die weniger als 2,89 g/24 Stunden ausschieden, waren es 18,4%.

Salzverzicht lohnt doppelt

„Da es aktuell kaum Studien zu diesem Zusammenhang bei Patienten mit Nierenerkrankungen gibt, sind die Erkenntnisse für uns neu und durchaus relevant“, kommentiert Prof. Dr. Christian Rump, Leiter der Klinik für Nephrologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, im Gespräch mit Medscape. „Man sieht: Es lohnt sich auf jeden Fall, den Salzkonsum zu beschränken, nicht nur zur Senkung des Blutdrucks, sondern auch zur zusätzlichen Reduktion von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“

Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen haben bekanntermaßen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und leiden häufig an Bluthochdruck. Ebenfalls erwiesen ist, dass erhöhter Salzkonsum den Blutdruck zusätzlich in die Höhe treibt. Jedoch gab es bisher kaum Studien zum Zusammenhang von Kochsalzkonsum und kardiovaskulären Ereignissen bei Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen.

Innerhalb der Chronic Renal Insufficiency Cohort (CRIC)-Studie sollte dieser Zusammenhang nun näher unter die Lupe genommen werden. Dazu untersuchte das Forscherteam an 7 Standorten in den USA insgesamt 3.757 Studienteilnehmer (Durchschnittsalter 58 Jahre, 45% Frauen) mit chronischer Nierenerkrankung leichten oder mittleren Grades (altersspezifische geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) 20-70 ml/min/1,73m2). Etwa die Hälfte von ihnen hatte Diabetes.

 
Unsere Analysen zeigten ein signifikant erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei den Patienten mit der höchsten Natriumausscheidung im Urin. Dr. Katherine Mills
 

Zu Studienbeginn und beim ersten und zweiten jährlichen Untersuchungstermin (vor dem Auftreten eines kardiovaskulären Ereignisses) haben Mills und ihre Kollegen innerhalb von 24 Stunden dreimal die Natriummenge im Urin gemessen und daraus den Mittelwert berechnet. Anhand der Natriummenge im Urin kann man den Salzkonsum abschätzen (3 g Natrium entspricht 7,5 g Kochsalz oder Natriumchlorid).

Die durchschnittliche Natriumausscheidung innerhalb von 24 Stunden betrug 3,7 g, wobei die Teilnehmer im höchsten Quartil täglich mehr als 4,55 g Natrium ausschieden, was einer geschätzten Kochsalzzufuhr von etwa 11,5 g entspricht. Im untersten Quartil betrug die Natriummenge weniger als 2,89 g pro Tag (weniger als 7 g Salzzufuhr). Bei den Patienten mit den höchsten Natriummengen im Urin wurden auch die höchsten systolischen Blutdruckwerte gemessen.

Im Laufe des Follow-up traten insgesamt 804 kombinierte kardiovaskuläre Erstereignisse auf. Bei Teilnehmern im höchsten Viertel der Natriumausscheidung im Urin stellten die Forscher ein signifikant erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse fest, unabhängig von anderen Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, der Einnahme von Blutdrucksenkern und dem vorherigen Auftreten kardiovaskulärer Erkrankungen. Vor allem das Risiko einer Herzinsuffizienz war bei diesen Patienten deutlich höher als bei denjenigen mit niedrigerer Natriummenge im Urin.

Tabelle 1: Kardiovaskuläre Ereignisse während des Follow-up abhängig von der Natriumausscheidung

Endpunkt    Natriummenge im Urin  Inzidenz  
Herzinsuffizienz   ≥4.548 mg/24 Std.
<2.894 mg/24 Std. 
23,2%
13,3%
Myokardinfarkt       ≥4.548 mg/24 Std.
<2.894 mg/24 Std.  
10,9%
7,8%
Schlaganfall   ≥4.548 mg/24 Std.
<2.894 mg/24 Std.     
  6,4%
2,7%


„Bestätigen sich diese Resultate in klinischen Studien, könnte eine moderate Minderung des Salzkonsums das kardiovaskuläre Risiko von Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen und hohem Salzkonsum mindern“, schlussfolgern Mills und ihre Kollegen.

„Diese Ergebnisse könnten für mehr als 20 Millionen Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz in den USA relevant sein“, schreiben Dr. Neil Powe und Dr. Kirsten Bibbins-Domingo vom Priscilla Chan and Mark Zuckerberg San Francisco General Hospital in San Francisco, Kalifornien, in einem Editorial zu der Studie [2]. Erweisen sich die festgestellten Zusammenhänge als kausal, könnte eine moderate Minderung des Salzkonsums „beträchtliche Auswirkungen haben auf die Prävention von Herzinsuffizienz, Herzinfarkt und Schlaganfall“, so ihre Einschätzung.

Hypertonie ist nicht die Ursache

 
Es lohnt sich auf jeden Fall, den Salzkonsum zu beschränken, nicht nur zur Senkung des Blutdrucks, sondern auch zur zusätzlichen Reduktion von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Prof. Dr. Christian Rump
 

Hinsichtlich des Mechanismus hinter dem erhöhten kardiovaskulären Risiko bei erhöhtem Salzkonsum konnten die Autoren noch keine klaren Aussagen treffen, zumal der festgestellte Zusammenhang zwischen hoher Natriumausscheidung und erhöhtem kardiovaskulärem Risiko unabhängig vom systolischen Blutdruck der Patienten weiter bestand, wie Mills und ihre Kollegen überraschend festgestellt hatten.

„Das deutet an, dass bei Patienten mit Nierenerkrankungen ein anderer Mechanismus die Auswirkungen des Salzkonsums auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen beeinflusst“, schreiben sie. Unter anderem können endotheliale Dysfunktion, erhöhter oxidativer Stress, der zu vaskulären Schädigungen führe, Insulinresistenz oder direkte Auswirkungen auf die Aktivität des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems eine Rolle spielen, so ihre Vermutung.   

„Im ersten Moment dachte ich: Der festgestellte Effekt muss mit dem erhöhten Blutdruck der Patienten zusammenhängen“, sagt Rump. „Dass dem nicht so zu sein scheint, überrascht mich schon.“

Möglicherweise sei aber auch die Anzahl der Ereignisse, insbesondere von Herzinsuffizienz, niedriger als von den Forschern angenommen. Eine Herzinsuffizienz, erklärt Rump, sei insbesondere bei Patienten mit Nierenerkrankungen, die viel Salz zu sich nehmen, schwer zu diagnostizieren. Aufgrund der Tatsache, dass Salz Wasser binde, „könnte es sich in manchen Fällen um eine simple Überwässerung statt um eine Herzinsuffizienz handeln“, vermutet er, was die höheren Herzinsuffizienz-Raten bei Patienten mit hohem Salzkonsum eventuell erklären könnte.

 
Ich würde auch Patienten mit Nierenerkrankungen etwa sechs Gramm Kochsalz am Tag empfehlen. Prof. Dr. Christian Rump
 

Obwohl der Mechanismus, der dem festgestellten Zusammengang zugrunde liege, unklar bliebe, „ist diese Studie im Moment das Beste, was wir auf diesem Gebiet haben“, fügt Rump an.

Ein Esslöffel Salz am Tag – auch für Nierenkranke

Um jedoch konkrete Aussagen zu den Auswirkungen des Salzkonsums auf die kardiovaskuläre Ereignisrate bei Patienten mit Nierenerkrankungen machen zu können, müsse eine prospektive klinische Studie mit 2 unterschiedlichen Kochsalzmengen, etwa 7 g und 12 g, die die Patienten pro Tag zu sich nehmen, gemacht werden, so Rump.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät Erwachsenen, täglich nicht mehr als 6 g Salz – etwa einen Esslöffel – zu sich zu nehmen. Die WHO geht noch einen Schritt weiter und empfiehlt die tägliche Salzmenge auf 5 g zu begrenzen. Von diesen Richtwerten sind die Deutschen mit einem geschätzten Tageskonsum von etwa 9 bis 12 g weit entfernt.

„Ich würde auch Patienten mit Nierenerkrankungen etwa sechs Gramm Kochsalz am Tag empfehlen“, sagt Rump. „Denn diese Studie zeigt: Eine Beschränkung der Salzmenge kann nicht nur den Blutdruck senken, sondern auch die harten kardiovaskulären Endpunkte reduzieren.“ Allerdings: Für eine sehr starke Reduzierung der Salzzufuhr, etwa auf unter 2 bis 3 g für Patienten mit Nierenerkrankungen, gebe es aktuell keine direkte Evidenz für eine positive Auswirkung auf die kardiovaskuläre Ereignisrate.

Allgemeinmediziner, schreiben Powe und Bibbins-Domingo im Editorial, sollten den Salzkonsum ihrer Patienten mit Nierenerkrankungen regelmäßig zur Sprache bringen und Patienten auf „verstecktes“ Salz in Fertiggerichten, Brot, Frühstücksflocken, Käse oder Suppen aufmerksam machen. Denn vielen Patienten sei der Kochsalzgehalt zahlreicher Lebensmittel nicht bewusst.

„Ärzte und Gesundheitsexperten müssen die Bevölkerung verstärkt über evidenzbasierte Zielwerte und Auswirkungen des Salzkonsums aufklären und dadurch eine Verhaltensänderung beschleunigen“, mahnen sie. Denn Anstrengungen zur Reduzierung des Salzkonsums von Patienten mit Nierenerkrankungen „könnte viele Leben retten und Kosten sparen.“

 

REFERENZEN:

1. Mills KT, et al: JAMA 2016;315:2200-2210

2. Powe NR, et al: JAMA 2016;315: 2173-2174

 

Kommentar

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