Steigende Zahlen von Typ-2-Diabetes bei Heranwachsenden: Was ist zu tun?

Manuela Arand

Interessenkonflikte

27. Juni 2016

New Orleans – Noch ist es vor allem ein amerikanisches Phänomen: Weil immer mehr Jugendliche deutlich übergewichtig sind, entwickeln auch immer mehr einen Typ-2-Diabetes. Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, wann das Problem auch in Deutschland virulent wird.

Zurzeit liegt die Prävalenz auch in den USA noch zu niedrig, als dass sich ein systematisches Screening lohnen würde: Während jährlich etwa 15.000 Kinder und Jugendliche an einem Typ-1-Diabetes erkranken, liegt die Inzidenz des Typ 2 mit etwa 5.000 pro Jahr noch deutlich niedriger. Experten rechnen aber damit, dass sich das rasch ändern könnte, wenn es nicht gelingt, dem Anstieg der Adipositas-Raten Einhalt zu gebieten.

„Der Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen unterscheidet sich in seiner Pathophysiologie, den Komplikationen und psychosozialen Begleiterscheinungen grundlegend vom Typ 1, aber auch vom Typ-2-Diabetes des Erwachsenen“, betonte Prof. Dr. Kristen J. Nadeau, University of Colorado, USA, beim Kongress der American Diabetes Association [1]. „Außerdem ist die Prognose schlechter als beim Typ 1.“

Pubertät verschlechtert die Stoffwechselsituation

Die Pubertät ist auch hier Krisenzeit. Die Insulinsensitivität sinkt deutlich. Die Insulinsekretion verdoppelt sich, was der Gewichtszunahme weiteren Vorschub leistet. Das birgt aber auch Chancen, so Nadeau: „Obwohl unsere therapeutischen Optionen insgesamt limitiert sind, haben wir bei Pubertierenden Möglichkeiten, die sich bei älteren Patienten nicht mehr bieten.“

 
Der Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen unterscheidet sich in seiner Pathophysiologie, den Komplikationen und psychosozialen Begleiterscheinungen grundlegend vom Typ 1 … Prof. Dr. Kristen J. Nadeau
 

So kann durch eine frühzeitige Gewichtsintervention die Stoffwechsellage langfristig so gebessert werden, dass der Diabetes wieder verschwindet. Bei adipösen Jugendlichen mit Hyperglykämie bleibt derzeit die Stoffwechselstörung in jedem dritten Fall transient, ein Drittel behält eine gestörte Glukosetoleranz zurück und ein Drittel entwickelt einen manifesten Diabetes.

Typ-2-Diabetes im Jugendalter sollte nicht als Bagatelle betrachtet werden – im Gegenteil: Die Progredienz ist im Vergleich zu erwachsenen Patienten deutlich beschleunigt, die Betazellfunktion nimmt rasant ab. „Wir müssen damit rechnen, dass diese jungen Patienten deutlich früher Folge- und Begleiterkrankungen entwickeln“, betonte Nadeau.

Hinzu kommt, dass die gängige Standardtherapie oft versagt. In der großen US-Studie TOD2AY, in der knapp 700 jugendliche Typ-2-Diabetiker randomisiert mit Metformin alleine, Metformin plus Rosiglitazon oder Metformin plus intensive Lebensstilintervention behandelt wurden, sprach nach 2 Jahren nur noch jeder Zweite auf das Biguanid an.

Gute Blutzuckerkontrolle zögert Sekundärversagen hinaus

 
Wir müssen damit rechnen, dass diese jungen Patienten deutlich früher Folge- und Begleiterkrankungen entwickeln. Prof. Dr. Kristen J. Nadeau
 

Anscheinend lässt sich dem durch eine gute Stoffwechselkontrolle von Anfang an vorbeugen: Wenn es gelingt, den HbA1c unter 6,3% zu halten, kommt es deutlich seltener zum Sekundärversagen.

Als einziges orales Antidiabetikum sei Metformin auch für junge Patienten unter 18 Jahren zugelassen, erinnerte Nadeau. Wenn diese Therapie nicht mehr greift, bleibt derzeit nur der Griff zum Insulin. Neue Antidiabetika, namentlich DPP4-Inhibitoren, GLP1-Analoga und SGLT2-Hemmer befinden sich in der klinischen Prüfung.

Bis valide Ergebnisse vorliegen, wird es aber wohl noch dauern. Für aussagekräftige Studien zu den 3 genannten Medikamentengruppen würden ca. 5.000 Probanden gebraucht, also ein ganzer Jahrgang jugendlicher Diabetiker, rechnete Nadeau vor. Bedenkt man dann noch, dass klinische Studien mit Freiwilligen und mit engen Ein- und Ausschlusskriterien arbeiten, dürfte es Jahre dauern, genügend Teilnehmer zu finden.

Bariatrische Operation der Mutter senkt Adipositasrisiko beim Kind

Seit der Typ-2-Diabetes nicht mehr nur die älteren Jahrgänge trifft, muss man vermehrt mit Schwangerschaften bei jungen Diabetikerinnen rechnen, warnte Prof. Dr. Robin S. Goland, Columbia University College, New York. Der Typ-2-Diabetes führt zur Makrosomie beim Kind samt postnataler Wachstumsbeschleunigung und Adipositasrisiko. Übergewicht fördert wiederum eine frühe Diabeteserkrankung – der Teufelskreis schließt sich.

Eine Möglichkeit vorzubeugen wäre eine gute Stoffwechseleinstellung während der Schwangerschaft, doch die Erfahrung aus TOD2AY lehrt, dass die Mehrzahl der jungen Patientinnen das nicht schafft. Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit zur Prävention, so die Diabetologin: Durch präkonzeptionelle bariatrische Operation der Mutter lässt sich das Adipositasrisiko beim Kind um fast 2 Drittel reduzieren.

 

REFERENZEN:

1. 76. Kongress der American Diabetes Association (ADA), 09. bis 14. Juni 2016, New Orleans/USA

 

Kommentar

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