
Prof. Dr. Hartwig Klinker
Würzburg – Ärzte sollten ihre Patienten häufiger auf das menschliche Immunschwächevirus HIV und auf das Hepatitis-C-Virus (HCV) testen, um bislang unerkannte Infektionen aufzuspüren, forderte Prof. Dr. Hartwig Klinker, Leiter der Infektiologie der Medizinischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Würzburg, anlässlich des 13. Kongresses für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin in Würzburg [1].
Die Zahl der Infizierten in Deutschland schätzte der Kongresspräsident bei HIV auf 87.000 und bei HCV auf 250.000 bis 400.000 Menschen. Unentdeckt seien vermutlich etwa 13.000 Infektionen mit HIV und ein nicht näher bezifferter Anteil der HCV-Träger. Bei den jährlich etwa 5.000–6.000 Erstdiagnosen von HCV handele es sich größtenteils um sogenannte Altinfektionen, die schon vor etlichen Jahren erworben wurden. „Beiden Infektionen ist gemeinsam, dass sie über viele Jahre hinweg ohne Symptome verlaufen können und von den Ärzten nicht entdeckt werden, wenn man nicht daran denkt“, erinnerte Klinker.
Häufigere Tests bei Patienten aus Risikogruppen
2 Gründe nannte der Infektiologe für die oftmals verspätete Diagnosestellung: „Allzu oft verdrängen Patienten das Risiko einer Ansteckung, beispielsweise bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr oder Drogenkonsum – vor allem wenn er bereits lange zurück liegt.“ Auf Seiten der Ärzte würden solche Situationen nicht gerne angesprochen. Und weiter: „Hinsichtlich der Stigmatisierung sind wir nicht wirklich vorangekommen.“
Tests wie ein Leberscreening zur Messung des Enzyms Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) würden in der Praxis zu selten gemacht, obwohl sie einfach und kostengünstig sind. „Der weit verbreitete GGT-Wert sagt dagegen vergleichsweise wenig aus“, kritisierte Klinker.
Hinweise auf eine mögliche HIV-Infektion sind laborchemisch Blutbildveränderungen oder Eiweißverschiebungen, verschiedene Haut- und Schleimhautveränderungen wie Soor, Dellwarzen, ein seborrhoisches Ekzem oder eine Gürtelrose. Weitere Warnzeichen, bei denen der behandelnde Arzt einen HIV-Test durchführen sollte sind Lymphknotenvergrößerungen, Gewichtsabnahme, Fieber, Nachtschweiß und Durchfälle, auch wenn der Patient nicht zu einer HIV-Risikogruppe gehört. Flächendeckende Test für alle Menschen fordert Klinker aber ausdrücklich nicht. „Es ist besser, die Risikogruppen zu beachten.“
Folgeschäden wären vermeidbar
Das Tragische an den verspäteten Diagnose ist Klinker zufolge, dass die Krankheiten gut therapierbar sind, wenn sie früh erkannt werden. „Dank intensiver Forschungsanstrengungen ist es in den vergangenen 30 Jahren gelungen, sehr wirksame antivirale Therapien sowohl die Hepatitis B und C, als auch für die HIV-Infektion zu entwickeln.“
Für die chronische Hepatitis B nannte der Mediziner eine Rate von 5 bis 8% klinischer Heilungen und eine anhaltende Viruskontrolle in mehr als 95% der Fälle. Insbesondere die Behandlung der Hepatitis C habe sich seit 2014 revolutioniert, bemerkte Klinker, mit drastisch verkürzten Behandlungszyklen und wesentlich weniger Nebenwirkungen. „Mehr als 90 Prozent dieser Patienten werden definitiv geheilt.“ Auch wenn bei HIV keine Heilung in Sicht ist, so lässt sich die Infektion doch bei den allermeisten Patienten langfristig kontrollieren und die Lebenserwartung ist nahezu gleich der bei Nichtinfizierten.
„Umso schwerwiegender ist es, dass uns immer wieder Patienten begegnen, deren Infektion zu spät erkannt wird. Manche mit einer verschleppten Hepatitis leiden dann schon unter schweren Folgeschäden wie einer Leberzirrhose, die wir bei rechtzeitiger Behandlung hätten verhindern können.“
REFERENZEN:
1. 13. Kongress für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin, 15.-18. Juni 2016, Würzburg
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Diesen Artikel so zitieren: Viel zu häufig unerkannt: Infektiologen plädieren für häufigere Testung auf HCV und HIV - Medscape - 24. Jun 2016.
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