Typ-2-Diabetes: Was kommt nach Metformin? Nicht jede Kombi neuer Antidiabetika passt für jeden

Simone Reisdorf

Interessenkonflikte

24. Juni 2016

New Orleans –Wie geht es weiter nach Metformin? Mögliche Therapie-Eskalationen bei Typ-2-Diabetes, wenn das Biguanid allein nicht mehr ausreicht, diskutierten Experten beim Kongress der American Diabetes Association (ADA) in New Orleans [1]. Einige der Referenten hielten neue, bislang wenig untersuchte Kombinationen wie Inkretin-basierte Therapien + SGLT-2-Hemmer ± Metformin für besonders aussichtsreich. Andere schwören auf Insulin als das „kleine Schwarze“ (passt immer) in der Therapie des Typ-2-Diabetes. Einig waren sie sich alle darin, dass die Behandlung individuell und patientenzentriert erfolgen muss.

Goldene Trias aus HbA1c-Kontrolle, Hypoglykämievermeidung und Gewichtsmanagement

„Beim Management des Typ-2-Diabetes kommt es nach Ansicht vieler Experten vor allem auf drei Dinge an“, betonte PD Dr. Pablo F. Mora, Endokrinologe/Diabetologe aus Dallas, Texas, USA: „Eine gute glykämische Kontrolle und zugleich wenig oder keine Hypoglykämien sowie eine gute Kontrolle des Körpergewichts zu haben.“

PD Dr. Ildiko Lingvay, Endokrinologin, ebenfalls aus Dallas, präzisierte: „Wir müssen die Patienten frühzeitig und intensiv behandeln – und passend zur Physiologie. Dabei sollten wir unerwünschte Nebeneffekte wie Hypoglykämien und Gewichtszunahme vermeiden und vorteilhafte Effekte der Medikamente jenseits der Glukosekontrolle ausnutzen.“

Wirksame Optionen: Inkretin-basierte Therapien oder SGLT-2-Hemmer

 
Wir müssen die Patienten frühzeitig und intensiv behandeln – und passend zur Physiologie. PD Dr. Ildiko Lingvay
 

„Eine exzellente Therapieoption nach Metformin-Versagen sind GLP-1-Rezeptoragonisten“, zeigte sich Mora überzeugt. Denn sie hätten neben Insulin den größten Effekt auf die Blutzuckersenkung. Zudem lasse sich mit der Kombination Metformin/GLP-1-Rezeptoragonist oftmals eine deutliche Gewichtsreduktion erzielen.

Als einen weiteren wichtigen Vorteil der GLP-1-Rezeptoragonisten nannte Mora ihre kardiovaskuläre Sicherheit. Diese Aussage wurde durch die inzwischen vorgestellten Daten der LEADER-Studie zu Liraglutid untermauert (wie Medscape berichtete). An unerwünschten Effekten seien unter GLP-1-Rezeptoragonisten vor allem gastrointestinale Symptome zu verzeichnen.

Prof. Dr. Fernando Ovalle, Diabetologe aus Birmingham, Alabama, USA, fokussierte auf die SGLT-2-Inhibitoren wie Empagliflozin, Dapagliflozin und Canagliflozin und beurteilte sie nach seiner klinischen Erfahrung als „untereinander sehr ähnlich“. Neben der Reduktion der Blutglukose bieten sie auch eine Blutdrucksenkung und Verringerung des Körpergewichts als erwünschte Nebeneffekte.

In der EMPA-REG OUTCOME-Studie hat der SGLT-2-Hemmer Empagliflozin einen deutlichen kardiovaskulären Nutzen bei Typ-2-Diabetikern mit kardiovaskulärer Vorerkrankung gezeigt. Eine auf dem ADA-Kongress präsentierte vorgeplante Analyse bestätigte zudem ein verbessertes Ergebnis der Empagliflozin-Patienten hinsichtlich der Verzögerung der Niereninsuffizienz, selbst bei Patienten mit vorgeschädigten Nieren (wie Medscape berichtete).

Als unerwünschte Nebeneffekte der SGLT-2-Hemmer nannte Ovalle vor allem die Neigung zu Genitalinfektionen, die etwa 15% der Frauen betreffen, sowie volumenbedingte Symptome: „Die SGLT-2-Hemmer sind osmotische Diuretika, sie können Effekte von Volumendepletion auslösen, wenn wir nicht aufpassen.“ Dies gelte verstärkt in den ersten 3 Wochen.

 
Die SGLT-2-Hemmer sind osmotische Diuretika, sie können Effekte von Volumendepletion auslösen, wenn wir nicht aufpassen. Prof. Dr. Fernando Ovalle
 

Die Frage, ob Empagliflozin die Therapielandschaft bei Typ-2-Diabetes verändert, würde Ovalle persönlich mit Ja beantworten; dies müsse allerdings noch durch unabhängige Studien bestätigt werden. Für Diabetiker mit kardiovaskulärer Erkrankung sei jedenfalls die Zusatztherapie mit einem SGLT-2-Hemmer mit bewiesenem kardiovaskulärem Nutzen empfehlenswert.

Beides miteinander kombinieren?

„Für einen guten langfristigen Therapieerfolg ist es wichtig, dass wir die Patienten frühzeitig und intensiv behandeln“, betonte Lingvay. Dies sei am besten mit Kombinationstherapien zu erreichen, die sich idealerweise in ihren Wirkmechanismen ergänzen und hinsichtlich unerwünschter Wirkungen gegenseitig abfedern, um die Krankheitslast zu minimieren und die Adhärenz zu steigern.

Der große Vorteil der Kombination DPP-4-Inhibitor/SGLT-2-Hemmer sei, dass beide einmal täglich oral verabreicht werden können. Das Duo GLP-1-Rezeptoragonist/SGLT-2-Hemmer bringe dagegen eine noch etwas stärkere Senkung von HbA1c und Körpergewicht.

Lingvay zitierte aktuelle Studiendaten; etwa eine Studie von Julio Rosenstock und seinen Kollegen: Hier senkte die Kombination von Saxagliptin/Dapagliflozin über 6 Monate den Blutzucker effektiver als die Einzelkomponenten. In einer Studie von Ralph DeFronzo und seinen Kollegen wurde mit Linagliptin/Empagliflozin schon nach wenigen Wochen bei vielen Patienten ein mittlerer HbA1c-Wert im Zielbereich unter 7% erreicht und ein Jahr lang aufrechterhalten.

Zur Kombination SGLT-2-Hemmer/GLP-1-Rezeptoragonist nach/mit Metformin gibt es kaum Daten, bedauerte Lingvay. Eine aktuelle Subgruppenanalyse der kardiovaskulären Sicherheitsstudie für Canagliflozin, CANVAS, habe aber bei Patienten, die bereits einen GLP-1-Inhibitor erhielten und nun auch 100 mg oder 300 mg Canagliflozin bekamen, eine zusätzliche HbA1c-Senkung um einen Prozentpunkt vs. Placebo gezeigt. Außerdem addierte sich der Gewichtsverlust in der kombiniert behandelten Gruppe mit der höheren Canagliflozin-Dosis auf bis zu 3,7% (3,9 kg) vs. Ausgangswert in einem Jahr; unter Placebo sank das Gewicht nur um 0,4% (0,6 kg).

 
Insulin bleibt die sicherste Option nach Metformin-Versagen. Prof. Dr. Alice Y. Cheng
 

Passt Insulin immer?

Insulin passt zwar für Patienten nach Metformin-Versagen nicht immer, aber sehr oft, folgt man Prof. Dr. Alice Y. Cheng, Toronto, Ontario, Kanada. Sie lobte das älteste Antidiabetikum als das „kleine Schwarze“, das fast überall richtig ist: Es ist gut untersucht, es adressiert einen zentralen Defekt beim Typ-2-Diabetes, ist effektiv – bei frühem Einsatz auch in niedrigen Dosen – und die Insulingabe entlastet die Betazellen.

„Insulin bleibt die sicherste Option nach Metformin-Versagen“, betonte Cheng und verwies auf die ORIGIN-Studie, in der die kardiovaskuläre und onkologische Therapiesicherheit von Insulin glargin U100 über etwa 7 Jahre nachgewiesen worden war.

 
Insulin passt zu vielen anderen Antidiabetika, und diese Kombinationen können unerwünschte Wirkungen des Insulins mindern. Prof. Dr. Alice Y. Cheng
 

Cheng ergänzte: „Insulin passt zu vielen anderen Antidiabetika, und diese Kombinationen können unerwünschte Wirkungen des Insulins mindern.“ Auch mit den neueren Antidiabetika lasse sich ein modernes Basalinsulin gut kombinieren. So seien bei Fixkombinationen wie IDegLira (Insulin degludec/Liraglutid) und dem in Deutschland noch nicht verfügbaren iGlarLixi (Insulin glargin U100/Lixisenatid) weniger Injektionen nötig als etwa bei einer intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT) – bei gleich guter Blutzuckerkontrolle. Ein Wermutstropfen sei allerdings ein Anstieg der gastrointestinalen Probleme unter den Insulin-GLP1-Kombinationen.

Bei der gemeinsamen Gabe von Basalinsulin und DPP-4-Hemmern lässt sich der HbA1c-Wert weiter senken, ohne dass das Gewicht weiter ansteigt; die Verträglichkeit ist meist gut, so Cheng. Wird zum Basalinsulin stattdessen ein SGLT-2-Hemmer hinzugegeben, so lasse sich eine Reduktion von HbA1cund Gewicht erzielen; man sollte allerdings auf das Risiko von Hypoglykämien und Genitalinfektionen achten. Cheng schloss mit einem Zitat der Sängerin Edith Piaf: „Wenn ein kleines Schwarzes passend ist, sollte man es durch nichts anderes ersetzen.“

Individuell, patientenzentriert, physiologisch

Prof. Dr. Christopher Sorli, Billings, Montana, USA, führte die patientenzentrierte Vorgehensweise an fiktiven Beispielen von Typ-2-Diabetikern aus. Er fasste zusammen: „Individualisierung ist alles! Wir sollten das individuelle HbA1c-Ziel des Patienten in seiner (elektronischen) Patientenakte dokumentieren, damit jeder im therapeutischen Team Zugriff darauf hat. Diesen Zielwert sollten wir auf sicherem Wege – ohne Unterzuckerungen – erreichen.“ Und, in Übereinstimmung mit Lingvay: „Die Vorgehensweise sollte immer patientenbezogen und physiologisch sein."

 

REFERENZEN:

1. 76. Kongress der American Diabetes Association (ADA), 9. bis 14. Juni 2016, New Orleans, USA

 

Kommentar

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