Zur Infektion mit dem Fuchsbandwurm kommt es durch Kontakt mit einem Wurm-infizierten Tier oder bei der Wald- und Gartenarbeit über infektiösen Tierkot – die langfristigen Folgen können lebensbedrohlich sein: Die in den Körper aufgenommenen Larven des Fuchsbandwurms, Echinococcus multilocularis, befallen zunächst die Leber und infiltrieren dann andere Organe. Eine neu entwickelte Ultraschall-Klassifikation soll helfen, die als alveoläre Echinokokkose (AE) bezeichnete Erkrankung früher als bisher zu diagnostizieren.
Insgesamt sind Fuchsbandwurm-Infektionen selten – in Deutschland werden jährlich etwa 25 bis 40 Neuerkrankungen registriert (klassische Endemiegebiete sind die Schwäbische Alb und Bayern). Endwirte der Parasiten sind neben Füchsen auch Hunde, seltener Katzen. Die Larven entwickeln sich in den Organen der Zwischenwirte (meist Nagetiere wie Feld- und Wühlmäuse bzw. Tiere, die den Endwirten als Nahrung dienen).
Klinische Symptome meist erst nach einem Jahrzehnt
„Das Tückische bei einer Infektion des Menschen ist, dass es meist erst nach zehn bis 15 Jahren zu klinischen Symptomen wie Oberbauchschmerzen oder einem Ikterus kommt“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Kratzer, Leiter des Sonografiezentrums an der Klinik für Innere Medizin I der Universität Ulm, im Gespräch mit Medscape. Derweil hat das Larvengewebe jedoch – vergleichbar mit dem Wachstum eines malignen Tumors – die Leber infiltriert und ist in manchen Fällen bereits in andere Organe wie Lunge, Herz oder Gehirn metastasiert.

Prof. Dr. Wolfgang Kratzer
Unbehandelt wird die Letalität der AE mit 90% innerhalb von 10 bis 15 Jahren nach Diagnosestellung angegeben. „Damit ist die AE eine der wenigen potenziell letal verlaufenden Helminthosen“, so Kratzer, „und hinsichtlich ihrer Therapie ist eine möglichst frühe Diagnose wichtig.“
Diese wird vor dem Auftreten klinischer Symptome meist per Zufall gestellt, etwa wenn aus anderen Gründen eine bildgebende Untersuchung der Leber bzw. des Oberbauchs stattfindet. „Da Ultraschall-Untersuchungen insbesondere des Oberbauchs sehr häufig sind, besteht hier die Chance, frühzeitig auch eine alveoläre Echinokokkose zu erkennen.“
Werkzeug zur Differentialdiagnose
Um die Differentialdiagnose zu erleichtern, hat Kratzer zusammen mit anderen Kollegen aus der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) eine neue Ultraschall-Klassifikation entwickelt und im World Journal of Gastroenterology publiziert [1]. Zuvor wurden retrospektiv die klinischen Daten und Sonographiebefunde von 185 Patienten der Ulmer Universitätsklinik ausgewertet, die zwischen 1999 und 2014 die Diagnose AE erhielten.
„Unser Hauptziel war es dabei“, so der Internist, „niedergelassenen Ärzten bzw. solchen, die nicht so häufig mit einer AE konfrontiert sind, ein Werkzeug in die Hand zu geben, mit dem es ihnen erleichtert wird, bei entsprechendem Ultraschallmuster auch an eine AE zu denken.“
Bisher existiert eine analoge Ultraschall-Klassifikation der WHO nur für die zystische Echinokokkose – den Hundebandwurm. Beide Erkrankungen unterscheiden sich jedoch erheblich. Klassifikationen gibt es Kratzer zufolge auch für die AE-Differentialdiagnose durch CT und MRT, „Ultraschall-Untersuchungen stehen bei deren Entdeckung jedoch klar an erster Stelle.“ Nicht selten haben die Untersucher wegen des infiltrierenden Charakters des AE-Larvengewebes dabei zuerst den Verdacht, dass ein Malignom der Leber oder Gallenwege oder aber Lebermetastasen vorliegen.
Fünf typische Ultraschallmuster
Die von den DEGUM-Experten für die AE entwickelte Klassifikation „Echinococcus Multilocularis Ulm Classification-Ultrasound“ (EMUC-US) unterscheidet 5 Muster: Am häufigsten zeigte sich bei den ausgewerteten Patientenbefunden das Sturm- und Hagelmuster (54,1%), es folgten das pseudozystische (13,5%) und ein Ossifikationsmuster (13%). Deutlich seltener waren ein hämangiomartiges (8,1%) und schließlich ein metastasenartiges Muster (6,5%), während sich knapp 5% der Befunde keinem dieser Muster zuordnen ließen.
„Wir wollen nun untersuchen, welche Zusammenhänge zwischen der Bildmorphologie und den klinischen sowie epidemiologischen Parametern bestehen“, berichtet Kratzer. Zudem ist geplant, eine nationale AE-Datenbank zu erstellen. Zur Diagnose einer AE gehört neben sorgfältiger Anamnese und Bildgebung auch die Serodiagnostik (ELISA, IHA, Western Blot), wobei das negative Ergebnis eines Antikörpertests eine Erkrankung nicht ausschließt.
Bislang nur ein Drittel der Patienten noch radikal operabel
Therapeutisch erfolgt im Idealfall die radikale Resektion der Larvenherde in der Leber. „Allerdings“, so Kratzer, „wird bislang nur etwa ein Drittel der Patienten in einem primär noch operablen Stadium diagnostiziert. Bei allen Patienten ist eine medikamentöse Benzimidazol-Therapie indiziert und mitunter lebenslang erforderlich.“ Die initiale Behandlung einer alveolären Echinokokkose sollte dem Experten zufolge möglichst immer in einem dafür ausgewiesenen Zentrum (wie an den Universitätskliniken Heidelberg, Ulm oder Würzburg) erfolgen, in dem eine interdisziplinäre Betreuung gewährleistet ist.
Zur Prävention einer AE wird insbesondere empfohlen, Hunde und Katzen regelmäßig zu entwurmen und sich nach Tierkontakt sowie nach Erdarbeiten im Wald, Garten und Feld gründlich die Hände zu waschen. Daneben sollten bodennah wachsende Lebensmittel (z.B. Beeren und Pilze sowie Fallobst), die eventuell mit dem Kot infizierter Endwirte kontaminiert sind, vor dem Verzehr gut gewaschen oder (vor allem in AE-Endemiegebieten) auch gekocht werden.
REFERENZEN:
1. Kratzer W, et al: World J Gastroenterol. 2015;21(43): 12392-12402
© 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Selten, aber tückisch: Neue Ultraschall-Klassifikation für die Praxis, um Fuchsbandwurm-Infektionen früher zu erkennen - Medscape - 23. Jun 2016.
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