Jugendliche, die E-Zigaretten konsumieren, werden – sobald sie Tabakprodukte legal kaufen können – mit größerer Wahrscheinlichkeit zu gewöhnlichen Zigaretten greifen als Heranwachsende, die kein Interesse an E-Zigaretten haben. Das geht aus einer kleinen prospektiven Kohortenstudie hervor, über die Wissenschaftler vom Tobacco Center of Regulatory Science an der University of Southern California in Los Angeles im Fachblatt Pediatrics berichten [1].

Dr. Ute Mons
Die Ergebnisse von Dr. Jessica Barrington-Trimis und ihrem Team zeigen, dass das Risiko, als Erwachsener Tabakprodukte zu rauchen, durch die Benutzung von E-Zigaretten in der Jugendzeit um mehr als das Sechsfache steigt – selbst wenn die Heranwachsenden nicht vorhatten, später zum Raucher zu werden.
„Frühere, überwiegend querschnittlich konzipierte Studien hatten einen solchen Gateway-Effekt von E-Zigaretten bereits nahegelegt“, sagt Dr. Ute Mons von der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg im Gespräch mit Medscape. Die neue Studie weise hingegen ein Längsschnittdesign auf und habe somit tatsächlich den Übergang vom E-Zigarettenkonsum zum Rauchen herkömmlicher Zigaretten im Zeitverlauf untersuchen können.
„Die Ergebnisse dieser Studie nähren die Sorge über die Existenz eines Gateway-Effekts“, sagt Mons. Allerdings schränkten einige methodische Limitationen die Aussagekraft der Untersuchung deutlich ein. Somit könne sie nicht als klarer Beleg für die Gateway-Hypothese herangezogen werden.
Vor allem die 12- bis 15-Jährigen greifen eher zu elektronischen Zigaretten
Barrington-Trimis und ihre Kollegen griffen für ihre Untersuchung auf Daten der südkalifornischen „Children’s Health Study“ zurück. Rund 300 Schüler der Klassen 12 und 13 (11th und 12th Grade), die im Schnitt 17,4 Jahre alt waren, wurden im Rahmen der Studie im Frühjahr 2014 zu ihrem Konsum von E-Zigaretten befragt.
146 Jugendliche gaben an, dass sie zwar nicht rauchten, aber E-Zigaretten nutzten. 152 Jugendliche konsumierten keines dieser Erzeugnisse. Durchschnittlich 15,6 Monate später – wenn die Probanden ein Alter erreicht hatten, in dem sie Tabakprodukte legal kaufen konnten – erfassten die Forscher, welche der Studienteilnehmer Zigaretten oder andere Tabakerzeugnisse rauchten.
In den meisten Staaten der USA, auch in Kalifornien, ist der Verkauf von Tabakprodukten an Personen unter 18 Jahren – genau wie in Deutschland – seit vielen Jahren verboten. Doch während hierzulande E-Zigaretten bereits seit April dieses Jahres nicht mehr an Jugendliche verkauft werden dürfen, tritt ein entsprechendes Verbot in den USA erst im August in Kraft.
Laut dem „Tabakatlas Deutschland 2015“, den das DKFZ herausgibt, interessieren sich unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen hierzulande verhältnismäßig viele Nichtraucher für elektronische Inhalationsprodukte. So hat im Jahr 2014 insgesamt etwa jeder neunte 12- bis 17-Jährige zwar E-Inhalationsprodukte ausprobiert, aber noch nie geraucht. Vor allem die 12- bis 15-Jährigen greifen offenbar eher zu elektronischen als zu Tabakzigaretten.
Auch Jugendliche ohne Rauchabsichten sind gefährdet
Dass E-Zigaretten gerade bei Jugendlichen als Einstiegsdroge für Tabakprodukte dienen könnten, wird von vielen Experten schon länger befürchtet. Ein entsprechender Zusammenhang, wenn auch nicht ganz so deutlich wie in der jetzt erschienenen Studie, war bislang durch 3 US-amerikanische Longitudinal-Untersuchungen mit überwiegend 14- und 15-jährigen Probanden belegt: eine kalifornische Studie mit rund 2.500 Probanden, eine Studie aus Hawaii mit rund 2.300 Teilnehmern und eine US-Studie mit rund 700 Probanden. Wie die Forscher um Barrington-Trimis schreiben, war bisher jedoch nicht bekannt, inwieweit Heranwachsende, die E-Zigaretten konsumieren, verstärkt zu konventionellen Zigaretten greifen, sobald sie diese selbst kaufen dürfen.
In der aktuellen Studie zeigte sich, dass 59 (40,4%) der jugendlichen Konsumenten von E-Zigaretten im Alter von 18 Jahren rauchten. Bei denen, die keine E-Zigaretten benutzt hatten, waren es nur 16 Teilnehmer (10,5%). Berücksichtigt man weitere Faktoren, die das Rauchverhalten beeinflussen (etwa das Alter, das Geschlecht, die ethnische Herkunft, der Bildungsgrad der Eltern sowie die Einstellung von Freunden und Familie zum Rauchen), erhöhte die Verwendung von E-Zigaretten das Risiko, dass die Probanden als junge Erwachsene auf konventionelle Zigaretten umstiegen, um das 6,16-Fache.
Besonders deutlich sei der Zusammenhang bei denjenigen Probanden gewesen, die nach der ersten Befragungsrunde – auch aufgrund eigener Absichtserklärungen – als wenig anfällig für einen späteren Konsum von Tabakprodukten eingestuft worden waren, berichtet das Team um Barrington-Trimis. Betrachteten die Forscher nicht nur Zigaretten, sondern auch andere Tabakprodukte wie Zigarren, Pfeifen und Wasserpfeifen, stieg das Risiko für deren Konsum durch E-Zigaretten um das 4,98-Fache.
Ihre Ergebnisse zeigten, dass E-Zigaretten nicht nur von Jugendlichen konsumiert würden, die ohnehin mit dem Rauchen angefangen hätten, schreiben die Forscher. Vielmehr würden die elektronischen Pendants auch solche Jugendliche zum Griff zur Tabakzigarette verführen, die das nie beabsichtigt hätten.
Unklar bleibt, warum E-Zigaretten zum Rauchen von Tabakprodukten verleiten
Allerdings sei die Studienpopulation zu klein gewesen, um einen Einstieg in den regelmäßigen Konsum von Tabakprodukten untersuchen zu können, gibt die DKFZ-Expertin Mons zu bedenken. „Stattdessen wurde in der Studie auch das einmalige Probieren von elektronischen oder gewöhnlichen Zigaretten erfasst“, erläutert sie. Faktoren, die mit einem solchen Experimentierverhalten zusammenhängen könnten, seien nicht ausreichend berücksichtigt worden.
„So zeigt die Studie erst einmal nur, dass Jugendliche, die schon E-Zigaretten probiert haben, auch eher Tabakzigaretten austesten. Das Probieren von Zigaretten hat aber nicht notwendigerweise einen Einstieg in den regelmäßigen Konsum zur Folge“, betont Mons. Die schmale Altersgruppe und die regionale Eingrenzung auf Südkalifornien schränkten zudem die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse ein.
Unklar bleibt darüber hinaus auch nach der aktuellen Studie, über welche Mechanismen der Konsum von E-Zigaretten Jugendliche zum Rauchen verleitet. „Um Hinweise über die Mechanismen hinter einem potenziellen Gateway-Effekt zu erhalten, wäre eine Unterscheidung zwischen nikotinfreien und nikotinhaltigen E-Zigaretten sicherlich sinnvoll gewesen“, sagt Mons. „Die kleine Fallzahl der Untersuchung hätte eine solche Analyse allerdings kaum erlaubt.“
Dieses Manko ihrer Studie ist auch Barrington-Trimis und ihren Kollegen bewusst. Um herauszufinden, warum E-Zigaretten Jugendliche später vermehrt zu Tabakprodukten greifen ließen, schreiben sie, seien weitere prospektive Studien erforderlich.
REFERENZEN:
1. Barrington-Trimis JL, et al: Pediatrics 2016; 138(1):e20160379
© 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: E-Zigaretten: Wer sie als Jugendlicher konsumiert, erhöht sein Risiko, später zum Raucher zu werden - Medscape - 21. Jun 2016.
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