Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat die Warnhinweise zu Canagliflozin (Invokana®, Janssen) und Dapagliflozin (Forxiga®, AstraZeneca) verschärft – und zwar im Hinblick auf die Gefahr eines akuten Nierenversagens, wie es in einem aktuellen Bulletin heißt [1]. In Deutschland hat Janssen bereits vor einem Jahr den Vertrieb von Canagliflozin wegen einer nach Ansicht des Unternehmens zu schlechten Nutzenbewertungen eingestellt. Auch bei Dapagliflozin wird der Zusatznutzen im Vergleich zur Standardtherapie vom G-BA kritisch bewertet, doch AstraZeneca hält bislang an seinem Präparat fest.
Die nun aktuell angepassten Warnungen der FDA umfassen jetzt zusätzlich Informationen über akutes Nierenversagen unter diesen Therapeutika und enthalten Empfehlungen zur Risikominimierung. Beide Medikamente gehören zur Wirkstoffklasse der SGLT2-Hemmer (Sodium-glucose cotransporter-2) und werden zur Behandlung des Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen eingesetzt. Sie entfalten ihre Blutzucker senkende Wirkung über eine verstärkte Glukosurie infolge einer gesteigerten Glukosesekretion der Nieren.
Mindestens 101 Fälle von Nierenversagen
Canagliflozin wurde im März 2013 von der FDA zugelassen. Ab diesem Zeitpunkt bis Oktober 2015 wurden der FDA 101 Fälle von akutem Nierenversagen bei Patienten gemeldet, die Canagliflozin oder Dapagliflozin eingenommen hatten. Dapagliflozin war im Januar 2014 zugelassen worden.
In den berichteten Fällen erlitt etwa die Hälfte der Betroffenen bereits innerhalb des ersten Monats nach Beginn der Medikation das Nierenversagen. Manche Patienten waren jünger als 65; die meisten erholten sich nach Beendigung der Medikation.
Manche der Patienten waren dehydriert, hypoton oder nahmen andere, potenziell nephrotoxische Medikamente ein. Bei einigen Patienten war ein stationärer Aufenthalt mit Dialyse erforderlich. Die FDA geht dabei davon aus, dass nicht alle Fälle gemeldet worden sind.
Ein weiterer SGLT2-Inhibitor, Empagliflozin (Jardiance®, Boehringer Ingelheim) ist in der FDA-Meldung nicht aufgeführt. Dieser scheint das Risiko eines Nierenversagens bei Typ-2-Diabetikern mit hohem kardiovaskulären Risiko sogar signifikant zu senken, wie neue Daten aus der EMPA-REG-OUTCOME-Studie nahelegen, die aktuell auf den American Diabetes Association 2016 Scientific Sessions in New Orleans vorgestellt worden sind. EMPA-REG war allerdings eine vom Hersteller finanzierte Studie.
Praktische Empfehlungen zum Risikomanagement
Die FDA gibt auch praktische Empfehlungen zum Umgang mit dem erhöhten Risiko. So empfiehlt sie, bereits vor Beginn einer Behandlung mit einem der genannten Wirkstoffe die individuellen Risikofaktoren für die Entwicklung eines akuten Nierenversagens zu bestimmen. Dazu zählen Hypovolämie, chronische Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz sowie bestehende Medikationen mit Diuretika, ACE-Hemmern, AT1-Antagonisten (Angiotensin-Rezeptorblockern) und nicht steroidalen Antiphlogistika.
Vor dem Therapiestart mit Canagliflozin oder Dapagliflozin sollte die Nierenfunktion bestimmt und dann während der Therapie in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden. Gibt es Hinweise auf ein akutes Nierenversagen, sollte die Medikation sofort abgesetzt werden.
SGLT2-Hemmer werden auch mit seltenen Fällen von Frakturen und diabetischer Ketoazidose in Zusammenhang gebracht, sodass die FDA bereits im vergangenen September die Warnhinweise für Canagliflozin im Hinblick auf eine vermehrte Frakturneigung verschärft hat.
Empfehlungen für Patienten
Den Patienten empfiehlt die FDA, sich bei Anzeichen für ein akutes Nierenversagen sofort in ärztliche Behandlung zu begeben. Als mögliche Warnhinweise sind nachlassende Miktion oder Schwellungen der Füße und Beine aufgeführt. Ferner weist die FDA darauf hin, dass es sich beim akuten Nierenversagen um eine schwere Erkrankung handelt, bei der die Nieren ihre Tätigkeit plötzlich einstellen und sich ausscheidungspflichtige Substanzen im Körper in gefährlicher Weise anhäufen.
Die Warnungen an die Patienten beinhalten aber auch, die Mittel nicht ohne ärztliche Konsultation abzusetzen, da es sonst zu Blutzuckerentgleisungen kommen könne. Die Patienten werden aufgefordert, sich die Packungsbeilagen gründlich durchzulesen.
Ärzte und auch Patienten sollten sämtliche Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit diesen Wirkstoffen zu sehen sind, dem MedWatch Safety Information and Adverse Event Reporting Program der FDA melden. In Deutschland ist dafür das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuständig:
Auch Patienten finden dort über das Paul-Ehrlich-Institut Online-Formulare, in denen sie selbst Auffälligkeiten melden können.
Dieser Artikel wurde von Martin Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. FDA: Safety Alert, 14. Juni 2016
Glukosurie als Diabetes-Therapie: Die neuen SGLT2-Hemmer haben nicht nur Vorteile
Diabetestherapie nicht nur über die Niere: Neue Erkenntnisse zu den SGLT-2-Hemmern
Frühe Nutzenbewertung: G-BA senkt den Daumen für Dapagliflozin
Schutz für Diabetiker-Nieren: EMPA-REG-Studie zeigt weiteren Nutzen von Empagliflozin
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Diesen Artikel so zitieren: Mindestens 101 Fällen von Nierenversagen: FDA verschärft Warnhinweis für Canagliflozin und Dapagliflozin - Medscape - 20. Jun 2016.
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