New Orleans – Die Therapie mit dem SGLT-2-Inhibitor Empagliflozin (Jardiance®) senkt nicht nur das kardiovaskuläre Risiko von Menschen mit Typ-2-Diabetes, sondern sie trägt auch dazu bei, die Verschlechterung ihrer Nierenfunktion zu verhindern oder zu verzögern. Das zeigt eine vom Erstautor Prof. Dr. Christoph Wanner, Leiter der Abteilung Nephrologie am Universitätsklinikum Würzburg, auf dem ADA-Kongress präsentierte präspezifizierte Analyse der EMPA-REG OUTCOME-Studie [1]. Sie wurde zeitgleich im New England Journal of Medicine (NEJM) publiziert [2].
Risiko für klinische Verschlechterung der Nierenfunktion um 39 Prozent reduziert

Prof. Dr. Christoph Wanner
Die Analyse basiert auf den Daten von 7.020 Patienten mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulär Vorerkrankung. Eine renale Vorschädigung war kein spezifisches Einschluss-, aber auch kein Ausschlusskriterium: „Bei 1.819 Patienten der EMPA-REG-OUTCOME-Studie lag die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) zu Studienbeginn zwischen 30 und 60 ml/min/1,73 m2“, berichtete Wanner im Gespräch mit Medscape. Diese mittelschwere Nierenfunktionseinschränkung wiesen 26% aller Studienteilnehmer auf. Zudem hatten 11% eine Makroalbuminurie mit einer Albuminausscheidung von mehr als 300 mg pro g Kreatinin. Zusammen machten diese beiden Patientengruppen mit vorbestehender Nierenschädigung etwa 32% der Studienteilnehmer aus.
Die Daten zum renalen Outcome waren Teil des präspezifizierten mikrovaskulären Endpunktes und beinhalten „Eintritt oder Verschlechterung der Nephropathie“, und die getrennte und explizite Auswertung der Nierendaten war von Beginn an geplant.
Der renale kombinierte Endpunkt aus Progression zur Makroalbuminurie, Verdopplung des Serumkreatinins, Beginn einer Nierenersatztherapie sowie Tod durch Nierenversagen trat in einer mittleren Beobachtungszeit von etwa 3,1 Jahren bei 525 (12,7%) der 4.124 mit Empagliflozin behandelten Patienten und 388 (18,8%) der 2.061 Kontrollpatienten ein. Die Hazard Ratio lag bei 0,61, somit betrug die relative Risikoreduktion (RRR) 39%. Der Vorteil für die Patienten unter Empagliflozin war hochsignifikant (p < 0,001).
Deutliche Reduktion auch der Einzelkomponenten
Eine Verdopplung des Serumkreatininspiegels wurde bei 1,5% versus 2,6% der Patienten beobachtet (RRR = 44%). Eine Nierenersatztherapie wurde bei 0,3% versus 0,6% der Patienten notwendig (RRR = 55%). Und 11,2% versus 16,2% entwickelten eine Makroalbuminurie (RRR = 38%).
Die Reduktion der renalen Risiken unter Empagliflozin wurde über alle Subgruppen gleichermaßen beobachtet; weniger deutlich war sie aufgrund sehr geringer Ereignisraten nur bei Afroamerikanern. Die Effekte von Empagliflozin waren auch in Kombination mit der Standardtherapie (ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorantagonisten)für Patienten mit diabetischer Nephropathienoch deutlich vorhanden.
Die Verbesserung der Nierenfunktion beruhte vor allem auf der Verringerung der Makroalbuminurierate. Aber auch ohne sie bleibt der Nutzen von Empagliflozin signifikant: Der post-hoc ermittelte „härtere“ renale Endpunkt aus Verdopplung des Serumkreatinins, Dialysepflichtigkeit und nierenbedingtem Tod war unter Empagliflozin um relative 46% reduziert (p < 0,001).
10 mg pro Tag Empagliflozin wohl ausreichend für Nierenentlastung

Prof. Dr. Hans-Jürgen Woerle
Die Verringerung renaler Risiken um 39% galt für beide Verumgruppen gleichermaßen, ob die Patienten nun 10 mg/Tag oder 25 mg/Tag Empagliflozin erhielten. „Wir gehen davon aus, dass der entscheidende Mechanismus zur Entlastung der Niere die Verringerung des glomerulären Drucks und der Hyperfiltration ist, und dieser Effekt wird offenbar bereits mit 10 mg/Tag Empagliflozin erreicht“, erläutert Wanner gegenüber Medscape.
Mitautor Prof. Dr. Hans-Jürgen Woerle, Boehringer Ingelheim, Ingelheim, führt dies auf Nachfrage noch genauer aus: „Empagliflozin verringert im proximalen Tubulus die Rückresorption von Glukose und von Natrium. Somit verbleibt im distalen Tubulus vermehrt Natrium. Über die Macula densa erfolgt eine Rückkopplung, die zur Verengung der zuleitenden Arteriole des Nierenkörperchens (Glomerulus) führt. Damit wird der Druck im nachgeschalteten Glomerulus reduziert.“
Auch Patienten mit eingeschränkter Nierenleistung haben profitiert
Die renale Risikoreduktion unter Empagliflozin wurde auch bei denjenigen Patienten beobachtet, deren Nieren bereits zu Studienbeginn eine manifeste Schädigung aufwiesen: Eine weitere Verschlechterung ihres Nierenstatus war unter Empagliflozin seltener als unter Placebo. Relative Risikoreduktion durch den SGLT-2-Hemmer lag in dieser Subpopulation bei 42%.
Dazu passt, dass die glomeruläre Filtrationsrate der Patienten unter Empagliflozin zwar – bedingt durch den verringerten glomerulären Filtrationsdruck – in den ersten 4 Wochen der Therapie um durchschnittlich 3 ml/min (10-mg-Gruppe) bzw. 4 ml/min (25-mg-Gruppe) abfiel, dann aber über bis zu 3,1 Jahre weitgehend konstant blieb. Die glomuläre Druckentlastung könnte also zum Erhalt der Filtrationsleistung beigetragen haben. Denn in der Kontrollgruppe war ein kontinuierlicher Abfall der eGFR um jährlich etwa 2 ml/min zu beobachten, wie man ihn bei Diabetikern mit Gefäßkomplikationen gemeinhin erwartet. Dieser blieb in der Empagliflozingruppe aus.
Die initiale Reduktion der eGFR unter Empagliflozin ist offenbar bei Absetzen des Medikaments reversibel, wie ein Auslassversuch am Studienende zeigte.
Hoffnung für die Zukunft?
Der Bedarf an effektiven Blutzucker senkenden Medikamenten für Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist groß, denn etwa jeder dritte Typ-2-Diabetiker entwickelt im Krankheitsverlauf eine Nephropathie. „Für diese Patienten hatten wir bisher sehr limitierte Möglichkeiten mit oralen Antidiabetika“, betonte Wanner im Gespräch mit Medscape.
Das könnte sich aber im Licht der positiven Studiendaten – nicht nur mit Empagliflozin, sondern auch in der LEADER-Studie mit Liraglutid – bald ändern, hofft er. Auch die Lockerung der FDA und EMA bei der Verordnungsfähigkeit von Metformin im Bereich geringerer Nierenfunktion sei ein Signal in diese Richtung. Die Zulassung von SGLT2 Inhibitoren für Diabetiker mit Nephropathie ab Stadium 3 steht allerdings in Europa für alle 3 Medikamente dieser Klasse noch aus. Die Verordnung kann bei diesen Patienten derzeit nur im Rahmen individueller Heilversuche erfolgen.
In einem Editorial der Ausgabe des NEJM, in der aktuellen Nierendaten zu EMPA-REG OUTCOME und die LEADER-Studie soeben erschienen sind, geht Prof. Dr. Julie R. Ingelfinger der Frage nach, ob die explizit positiven Ergebnisse beider Studien – die mit ähnlichen Wirkstoffen in anderen kardiovaskulären Outcome-Studien nicht erreicht wurden – auf einem Unterschied in den Einschlusskriterien beruhen. Ihr Fazit: „Obwohl es Unterschiede zwischen den Teilnehmern gegeben haben könnte, die zu den positiven Resultaten von EMPA-REG OUTCOME und LEADER beigetragen haben könnten, erklären solche Differenzen die Ergebnisse nicht vollständig. Wir sehen Unterschiede, die ermutigend erscheinen, aber noch kein ‚Home Run‘ sind.“ Für die kommenden Jahre wünscht sie sich kontrollierte Vergleichsstudien mit verschiedenen Kombinationen aus neueren und älteren Antidiabetika.
„Künftig eröffnet sich sicherlich für Menschen mit diabetischer Nephropathie und eingeschränkter Nierenfunktion die Aussicht auf neue Therapieoptionen“, ist Wanner optimistisch. „Und SGLT-2-Hemmer wie Empagliflozin werden ein wichtiger Bestandteil dieser neuen Optionen sein.“
REFERENZEN:
1. 76. Kongress der American Diabetes Association (ADA), 09. bis 14. Juni 2016, New Orleans/USA
2. Wanner C, et al: NEJM (online) 14. Juni 2016
3. Ingelfinger JR, et al: NEJM (online) 14. Juni 2016
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Diesen Artikel so zitieren: Schutz für Diabetiker-Nieren: EMPA-REG-Studie zeigt weiteren Nutzen von Empagliflozin - Medscape - 17. Jun 2016.
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