Verursacht Kaffee Krebs? WHO sammelt große Menge an Evidenz – die eindeutige Antwort bleibt sie schuldig

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

16. Juni 2016

Erhöht der Genuss von Kaffee das Krebsrisiko? Mehr als 1.000 Studien hat eine internationale, 23-köpfige Expertengruppe evaluiert, um genau das herauszufinden. Bei einer virtuellen Pressekonferenz der International Agency for Research on Cancer (IARC) der WHO wurde das Ergebnis verkündet: „Der Konsum von Kaffee ist hinsichtlich seiner Kanzerogenität bei Menschen nicht klassifizierbar“, so das Fazit von Dr. Dana Loomis, Deputy Head der IARC Monographs Section [1]. Für Mate-Tee kamen die Wissenschaftler zu der gleichen Einschätzung.

1991 wurde Kaffee noch als „möglicherweise kanzerogen“ eingestuft

Manchmal führt mehr Wissen offenbar zu weniger Gewissheit: Noch 1991 – als die IARC das letzte Mal die Kanzerogenität von Kaffee bewertete – kam die Expertengruppe immerhin zu dem Schluss, dass Kaffee „möglicherweise kanzerogen“ ist. Allerdings basierte diese Einschätzung auf begrenzter Evidenz. In einigen Fall-Kontroll-Studien hatte man eine Assoziation zwischen Harnblasenkrebs und Kaffee gefunden und es gab Hinweise aus experimentellen Tierstudien.

 
Der Konsum von Kaffee ist hinsichtlich seiner Kanzerogenität bei Menschen nicht klassifizierbar. Dr. Dana Loomis
 

„Inzwischen ist eine große Menge an Evidenz dazu gekommen“, sagte Loomis. Bei adäquater Kontrolle um bekannte Krebsrisikofaktoren wie Rauchen und Alkohol finde sich nun keine konsistente Evidenz mehr für einen Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und Krebs. Hinzugekommen sind außerdem Studien, die sogar auf einen protektiven Effekt von Kaffee hindeuten, etwa bei Krebserkrankungen der Leber oder der weiblichen Brust.

Die für Kaffeeliebhaber wohl besonders interessante Frage, ob die Menge an getrunkenem Kaffee oder auch die Art der Zubereitung für dir Kanzerogenität eine Rolle spielen, konnte Loomis nicht beantworten: „Die durchgeführten experimentellen und epidemiologischen Studien erlauben dazu keine Schlussfolgerung.“

Welche Rolle spielt das Koffein? Auf Nachfrage von Journalisten wies Loomis darauf hin, dass sich die Bewertung auf den Kaffee im Ganzen beziehe. Welche der mehr als 100 im Kaffee enthaltenen Substanzen, von denen Koffein die bekannteste sei, welche Bedeutung habe, könne er deshalb nicht sagen.

Bewertung von Mate-Tee: Weniger Evidenz, ähnliches Ergebnis

Sehr viel weniger Studien als beim Kaffee standen den Experten für die Bewertung der Kanzerogenität von Mate-Tee zur Verfügung. Das Ergebnis war aber dasselbe: Die Kanzerogenität von Mate-Tee ist „nicht klassifizierbar“ – allerdings nur, wenn der Tee kalt getrunken wird. „Wird der Mate-Tee sehr heiß getrunken, kann dies eine mögliche Ursache für Speiseröhrenkrebs sein“, berichtete Loomis. Dann sei es aber die Temperatur und nicht das Getränk, die zur Risikoerhöhung führe.

 
Wird der Mate-Tee sehr heiß getrunken, kann dies eine mögliche Ursache für Speiseröhrenkrebs sein. Dr. Dana Loomis
 

In Deutschland erlangte Mate-Tee eine gewisse Bekanntheit als Abnehmhilfe. Er soll den Appetit zügeln. Sehr viel verbreiteter ist er allerdings in Südamerika. Dort ist der Aufguss aus Blättern des Mate-Baumes (Ilex paraguariensis) ein traditioneller Durstlöscher – und wird oft sehr heiß getrunken, bei Temperaturen über 70 °C.

Sehr heiße Getränke sind „wahrscheinlich kanzerogen“

Studien in Südamerika, aber auch in China, dem Iran oder der Türkei – dort trinken die Menschen ihren Tee ebenfalls gerne brühend heiß – fanden, dass das Risiko für Speiseröhrenkrebs mit der Temperatur des Getränks ansteigt. Studien an Tieren zeigen ebenfalls, dass das Trinken von heißem Wasser über 65 °C die Entstehung von Tumoren fördern kann.

Die IARC-Expertengruppe klassifizierte den Konsum von sehr heißen Getränken (über 65 °C) deshalb als „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“. Liebhaber von Heißgetränken hierzulande können aber unbesorgt sein: „In Europa und den USA trinken die Menschen ihre Heißgetränke vorzugsweise bei einer Temperatur von 60 °C“, merkte Loomis an.

Eine Zusammenfassung der IARC-Bewertung von Kaffee, Mate und sehr heißen Getränken wurde in Lancet Oncology veröffentlicht. Die detaillierten Ergebnisse werden in Ausgabe 116 der IARC Monographien publiziert werden.

Die International Agency for Research on Cancer (IARC) ist eine Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sich auf die Krebsforschung spezialisiert hat. Eine der wichtigsten Aufgaben der IARC ist es, die Rolle von Umwelt- und Lebensstilfaktoren bei der Entstehung von Krebserkrankungen zu untersuchen und zu bewerten. Seit 1971 hat die IARC mehr als 900 Substanzen hinsichtlich ihrer Kanzerogenität evaluiert. Die Einstufung erfolgt in 4 Gruppen: 1 (krebserregend; bislang 118 Substanzen), 2A (wahrscheinlich krebserregend; bislang 79 Substanzen), 2B (möglicherweise krebserregend; bislang 290 Substanzen), 3 (hinsichtlich der Kanzerogenität nicht klassifizierbar; bislang 501 Substanzen) und 4 (wahrscheinlich nicht krebserregend, bislang 1 Substanz). Für viel Aufruhr hatte die IARC im Herbst 2015 gesorgt, als sie Wurst und verarbeitetes Fleisch als „krebserregend“ einstufte (wie Medscape berichtete).

 

REFERENZEN:

1. Virtuelle Pressekonferenz der International Agency for Research on Cancer (IARC), 15. Juni 2016

 

Kommentar

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