Brustkrebs-Früherkennung per Magnetresonanztomografie im Pro-&-Contra-Check

Dr. Thomas Meißner

Interessenkonflikte

13. Juni 2016

Leipzig – Wird die Magnetresonanztomografie die Mammografie als wichtigste Brustkrebs-Screening-Methode ablösen? Unbestritten ist: Die moderne MRT ist aussagekräftiger als das Röntgen. Gegen ein generelles, MRT-basiertes Screening gesunder Frauen sprechen der logistische Aufwand und die Kosten, vor allem aber das noch unzureichende Wissen zu tatsächlichen Effekten und potenziellen Schadwirkungen.

Wir können die Erfahrung, dass die MRT bei Hochrisikogruppen viel bessere Ergebnisse als die Mammografie und der Ultraschall liefert, auch auf andere Risikogruppen übertragen. Prof. Dr. Uwe Fischer

War die Mamma-MRT vor wenigen Jahren noch eine ergänzende Option zusätzlich zu Mammografie und Ultraschall, gilt sie inzwischen als primäres Screening-Instrument für Frauen mit hohem Brustkrebsrisiko, etwa bei familiärer Belastung. Liegt die Sensitivität der Mammografie bei jungen Frauen mit dichtem Drüsengewebe bei 50% und vielleicht bei 60%, wenn zusätzlich sonografiert wird, lassen sich per Mamma-MRT mit mindestens 90%iger Sicherheit Mammakarzinome oder Vorstufen aufspüren. In bis zu 50% der Mammografien werden allerdings vorhandene Krebsherde nicht erkannt. Mit der MRT kommen falsch negative Befunde allenfalls bei Herden von wenigen Millimetern Größe vor.

Das gilt nach Ansicht von Prof. Dr. Uwe Fischer, Radiologe und Partner im privaten Diagnostischen Brustkrebszentrum Göttingen, nicht nur für Frauen mit hohem Risiko: „Wir können die Erfahrung, dass die MRT bei Hochrisikogruppen viel bessere Ergebnisse als die Mammografie und der Ultraschall liefert, auch auf andere Risikogruppen übertragen“, sagte Fischer beim Deutschen Röntgenkongress in Leipzig [1]. Er verwies auf aktuelle Daten bei Frauen mit durchschnittlichem Brustkrebsrisiko, wonach mit der Mamma-MRT nur etwa 4% der okkulten Karzinome übersehen würden, mit der Mammografie dagegen knapp 43%. „Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht!“

Der wichtigste Grund für diesen Unterschied ist die Tatsache, dass in der mammografisch dichten Brust kaum kalzifizierte Herde zu entdecken sind. Die Angiogenese der Karzinome lässt sich – im Unterschied zur MRT – mammografisch nicht visualisieren. Nur selten kommt es nach Fischers eigener Erfahrung aus 3.700 Brust-MRT vor, dass potenzielle Karzinomherde entdeckt werden, die sich histologisch dann doch als gutartig erweisen. Dagegen gebe es eine hohe Quote histologisch bestätigter Tumore, die sich in einem frühen Entwicklungsstadium befinden und die noch nicht gestreut haben. Fischer ist überzeugt: Bei systematischem Einsatz der Mamma-MRT werde man zuverlässig prognostisch günstige Tumore identifizieren.

Der Sinn von Früherkennung ist es, den Frauen mehr gesunde Jahre, mehr Jahre mit guter Lebensqualität zu ermöglichen, nicht dagegen etwa, möglichst viele Karzinome zu entdecken! Prof. Dr. Markus Müller-Schimpfle

Keine Welle der Überdiagnostik und Übertherapie auslösen

Es fragt sich, ob diese Argumente reichen, um gesunden Frauen die Brust-MRT als Screening-Methode der ersten Wahl zu empfehlen. Selbst wenn logistische Probleme sowie Kosten- und Erstattungsprobleme gelöst würden, bleiben nach Ansicht von Prof. Dr. Markus Müller-Schimpfle aus Frankfurt am Main Fragen offen. Müller-Schimpfle leitet den Schwerpunkt Diagnostik am Brustzentrum im Klinikum Frankfurt-Höchst sowie die Arbeitsgruppe Mammadiagnostik der Deutschen Röntgengesellschaft. Er macht gegenüber Medscape klar: „Der Sinn von Früherkennung ist es, den Frauen mehr gesunde Jahre, mehr Jahre mit guter Lebensqualität zu ermöglichen, nicht dagegen etwa, möglichst viele Karzinome zu entdecken!“

Was für das „alte“ Mammografie-Screening in den vergangenen Jahrzehnten in puncto Effektivität, Sicherheit, Überdiagnostik und resultierenden Therapienotwendigkeiten erforscht worden ist, sei für die Mamma-MRT in vieler Hinsicht noch nicht nachgewiesen. Nur für die Mammografie ist bislang eine Reduktion von Sterberaten an Brustkrebs nachgewiesen – solche Daten stehen für das MRT-basierte Screening aus.

Der Vorteil der Mamma-MRT, nämlich das sehr frühe Erkennen von Risikoläsionen, ist aus ethischem Blickwinkel zugleich ein Nachteil: Wie soll umgegangen werden mit dem vermutlich gehäuften Nachweis kleiner und kleinster Herde in der Brust, die in der verbleibenden Lebensspanne vielleicht, womöglich aber auch nie relevant werden? Derzeit kann für keine Frau mit histologisch malignem Befund individuell vorausgesagt werden, ob bei ihr eine Therapie nötig oder unnötig ist. Im Zweifel wird behandelt. Doch niemand will eine Welle der Überdiagnostik und Übertherapie auslösen.

Weiterhin kann die Injektion von Gadolinium (Gd)-haltigen Kontrastmitteln bei niereninsuffizienten Patienten sehr selten zur Nephrogenen Systemischen Fibrose (NSF) führen. Auch ist die klinische Relevanz von Gd-Ablagerungen im Gehirn unklar. Zwar sind bislang weder neuropathologische Folgen noch klinische Symptome beschrieben worden. Dennoch sollen aus genannten Gründen Gd-haltige Kontrastmittel stets indikationsgerecht und in niedrigst möglicher Dosis eingesetzt werden. Was passiert, wenn gesunde Frauen ab einem bestimmten Alter über viele Jahre regelhaft mit Hilfe von Gd-haltigen Kontrastmitteln untersucht werden, ist unbekannt.

Mögliche Lösung: Individualisierte Brustkrebs-Früherkennung

Je höher die Prätest-Wahrscheinlichkeit ist, also das Risiko, dass tatsächlich ein Brustkrebs entsteht, desto mehr wird die MRT einen Nutzen für die Frauen haben. Prof. Dr. Markus Müller-Schimpfle

„Je höher die Prätest-Wahrscheinlichkeit ist, also das Risiko, dass tatsächlich ein Brustkrebs entsteht, desto mehr wird die MRT einen Nutzen für die Frauen haben“, ist Müller-Schimpfle überzeugt. Er spricht sich daher für ein individualisiertes Screening aus. Dieses sollte sich am Alter und am individuellen Karzinom-Risiko orientieren, schlägt er vor. „Je jünger die Frau, desto eher wird der Ultraschall angewendet werden, je höher das Alter, desto eher die Mammografie.“ Mit zunehmendem Alter und Risiko würde die 3D-Mammografie (Tomosynthese) zum Einsatz kommen und bei hohem familiären Risiko die MRT. Bei BRCA-positiven Patientinnen mit extrem hohem Erkrankungsrisiko würde die Sonografie das halbjährliche Brückenglied ergänzend zur MRT sein.

Künftig werde man mit der Kombination aus genetischen Befunden und Bildgebung noch deutlich weiter kommen als heute, meint Müller-Schimpfle. Andererseits: Auch ein Multigen-Panel kann nur bereits bekannte Zusammenhänge abdecken. „Ich sehe die bildgestützten Verfahren für die Brustkrebs-Früherkennung durch die humangenetischen Untersuchungen oder durch Flüssigbiopsien bestenfalls ergänzt, aber keineswegs abgelöst.“

REFERENZEN:

1. 97. Deutscher Röntgenkongress, 4. bis 7. Mai 2016, Leipzig

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....