Chicago – Bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom konnte die Kombinationstherapie aus Daratumumab, Bortezomib und Dexamethason eine bislang noch nie erreichte Risikoreduktion für Progression oder Tod von 61% erreichen – im Vergleich zu Bortezomib/Dexamethason. Das Progressionsrisiko wurde um 70% verringert, das sehr gute partielle und das komplette Ansprechen wurden im Vergleich zur Behandlung mit Bortezomib/Dexamethason mehr als verdoppelt.

Prof. Dr. Antonio Palumbo
Diese Ergebnisse der ersten Zwischenanalyse der Phase-3-Studie CASTOR stellte Prof. Dr. Antonio Palumbo, Leiter der Myelom-Abteilung an der Onkologischen Abteilung der Universitätsklinik Turin, in der Plenarsitzung bei der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago vor [1]. „Daratumumab in Kombination mit Bortezomib/Dexamethason kann als potenzieller neuer Therapiestandard für Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem multiplen Myelom angesehen werden, die derzeit mit Bortezomib/Dexamethason behandelt werden“, so seine Schlussfolgerung.
„Das neue Regime scheint das Krebswachstum bei vielen Patienten rasch zu verlangsamen. Diese Studie bestätigt die Wirksamkeit von Daratumumab, die in früheren, kleineren Studien bei diesen Patienten bereits beobachtet worden war“, so ASCO-Präsidentin Prof. Dr. Julie M. Vose vom University ob Nebraska Medical Center bei einer ASCO-Pressekonferenz.
Prof. Dr. Paul G. Richardson, Harvard Medical School, Boston, ergänzte als Diskutant der Studie in der Plenarsitzung, dass Daratumumab in In-vitro-Studien eine synergistische Wirkung mit Standard-Therapeutika wie Bortezomib und Lenalidomid gezeigt habe. Die Ergebnisse der CASTOR-Studie bestätigten nun diesen Befund. Auch in Kombination mit Lenalidomid sei ein guter Effekt nachweisbar. Dies belegten die Ergebnisse der POLLUX-Studie, die er in Kürze beim Kongress der EHA (European Hematology Association) in Kopenhagen vorstelle. Die Kombination von Daratumumab mit Lenalidomid und Dexamethason senke das Risiko für Progression oder Tod um 63%.
Spezifischer Angriff am CD38-Protein
Daratumumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der an das CD38-Protein bindet, das in hoher Konzentration auf der Oberfläche der Tumorzellen des multiplen Myeloms sowie in unterschiedlichen Konzentrationen auf anderen Zelltypen und Geweben exprimiert wird. Es hat verschiedene Funktionen, wie z.B. rezeptorvermittelte Adhäsion, Signalübertragung und enzymatische Aktivität. Daratumumab hemmt in vivo das Wachstum von CD38-exprimierenden Tumorzellen stark.
In-vitro-Untersuchungen weisen darauf hin, dass Daratumumab bei malignen Erkrankungen, die CD38 exprimieren, die Tumorzelllyse durch komplementabhängige Zytotoxizität, antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität und antikörperabhängige zelluläre Phagozytose induzieren kann. Von der EU-Kommission war Daratumumab Ende Mai 2016 von der FDA im November 2015 in Monotherapie für die Behandlung von Erwachsenen mit rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom zugelassen worden.
CASTOR-Studie: Kombinationstherapie bei vorbehandelten Patienten
In der multizentrischen randomisierten offenen Phase-3-Studie CASTOR verglichen nun Palumbo und seine Kollegen bei Patienten mit vorbehandeltem rezidiviertem oder refraktärem multiplem Myelom Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Dreierkombination aus Daratumumab, Bortezomib und Dexamethason (n=251) mit der Zweierkombination Bortezomib/Dexamethason (n = 247). Die Patienten erhielten 8 Zyklen jeder Behandlung, danach folgte eine Erhaltungstherapie mit Daratumumab in der Daratumumab-Gruppe.
Das mediane Alter der Patienten lag bei 64 Jahren, sie waren im Median seit 4 Jahren am multiplen Myelom erkrankt. 60% hatten eine autologe Stammzelltransplantation erhalten, rund 70% waren mit einem Proteasominhibitor wie Bortezomib und zwischen 70 und 80% mit einem Immunmodulator wie Lenalidomid vorbehandelt worden. Etwa 30% sprachen auf die letzte Behandlung nicht mehr an. „Die Rekrutierung verlief sehr schnell, sie dauerte von September 2014 bis September 2015“, so Palumbo.
Die Studie wurde vorzeitig gestoppt, weil bei der ersten geplanten Interimsanalyse die hierfür definierten Grenzen erreicht worden waren. „Deshalb ist das mediane Follow-up mit 7,4 Monaten relativ kurz“, so der italienische Hämatoonkologe. Ein erster Hinweis auf die Wirksamkeit der Dreifachkombination ergab sich nach seiner Aussage schon aus der Abbruchrate aufgrund einer Progression der Erkrankung: Sie betrug mit Daratumumab 19% (47/251), ohne Daratumumab 25% (60/247). Wegen unerwünschter Wirkungen beendeten 8% der Patienten mit der Dreifach- und 10% mit der Zweifachkombination die Studie vorzeitig.
Bislang nicht erreichtes Ergebnis
Der primäre Endpunkt, das progressionsfreie Überleben (PFS) ist in der Daratumumab-Gruppe derzeit noch nicht erreicht, in der Bortezomib/Dexamethason-Gruppe lag das PFS im Median bei 7,2 Monaten. Das 1-Jahres-PFS betrug mit der Dreifachkombination 60,7%, mit der Zweier-Kombination 26,9% (Hazard Ratio 0,39, p < 0,0001): „Das bedeutet eine bisher noch nicht erreichte 61-prozentige Reduktion des Risikos für eine Progression oder Tod durch Daratumumab/Bortezomib/Dexamethason im Vergleich zu Bortezomib/Dexamethason“, betonte Palumbo.
Das1-Jahres-PFS stieg von 26,9% auf 60,7% – „also eine Verdoppelung der Zeit in Remission“. Auch die 1-Jahresrate der Zeit bis zur Progression zeigte mit 65,4% versus 28,8% mehr als eine Verdoppelung (HR 0,30 0,30, p < 0,0001).
Der Nutzen der Dreifachkombination wurde in allen Subgruppen nachgewiesen. Besonders gut profitierten Patienten, die erst eine Vortherapie erhalten hatten. Hier nahm das 1-Jahres-PFS von 29,4% auf 77,5% zu, was einer Risikoreduktion für Progression oder Tod von 69% entsprach (HR: 0,31, p < 0,0001). „Eine frühe Intervention maximiert den Effekt der Dreierkombination“, schlussfolgerte Palumbo.
Auch die Gesamtansprechrate war mit 83 versus 63% signifikant höher (p < 0,0001). Besonders beeindruckend sei der Anstieg des sehr guten partiellen Ansprechens (VGPR) von 29 auf 59% (p < 0,0001) und des kompletten Ansprechens von 9 auf 19% (p = 0,0012) gewesen, berichtete Palumbo. Und: „Sehr relevant ist, dass fünfmal mehr Patienten mit Daratumumab keine minimale Resterkrankung (MRD) mehr aufwiesen als ohne Daratumumab“ (14 vs 3%). Dies belege die ausgeprägte Zytotoxizität von Daratumumab.
Die Dreifachkombination erwies sich als ähnlich verträglich wie die Zweifachkombination. Thrombozytopenien und periphere Neuropathien waren etwas häufiger mit Daratumumab, dies könne aber mit der längeren Gabe von Bortezomib in der Kombination erklärt werden. Häufigstes unerwünschtes Ereignis mit der Dreifachkombination waren infusionsbedingte Reaktionen, wie Dyspnoe, Bronchospasmen und Husten, die in 98% der Fälle aber nur bei der ersten Gabe auftraten.
Vergleich mit anderen Studien
Ein „mit Vorsicht zu genießender Vergleich“ mit anderen Proteasominhibitor-basierten Studien bei vorbehandelten Patienten mit refraktärem oder rezidiviertem multiplem Myelom zeigt nach Aussage von Palumbo, dass mit Daratumumab/Bortezomib/Dexamethason in der Wirkung auf das PFS die bislang niedrigste Hazard Ratio von 0,39 erreicht wurde. Beim Vergleich von Carfilzomib/Dexamethason versus Bortezomib/Dexamethason betrug die PFS-HR 0,53, beim Vergleich von Panobinostat/Bortezomib/Dexamethason versus Bortezomib/Dexamethason 0,63 und bei Vergleich von Elotuzumab/Bortezomib/Dexamethason versus Bortezomib/Dexamethason lag sie bei 0,72.
REFERENZEN:
1. American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2016 Annual Meeting, 3. bis 7. Juni 2016, Chicago/USA
© 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Durch eine Dreierkombination mit Daratumumab bleiben Patienten mit multiplem Myelom länger progressionsfrei - Medscape - 6. Jun 2016.
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