Aromatase-Hemmung nach frühem Mammakarzinom: Zehn Jahre Krebsprävention sind effektiver als fünf

Sonja Böhm

Interessenkonflikte

6. Juni 2016

Chicago – 10 Jahre sind besser als 5. Das gilt zumindest für postmenopausale Frauen mit frühem Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs, die einen Aromatase-Hemmer erhalten. Bestätigt hat dies jetzt eine randomisierte Phase-3-Studie, die beim Kongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) in Chicago vorgestellt [1] und zeitgleich im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden ist [1;2].

Die Studienteilnehmerinnen hatten im Anschluss an eine 5-jährige Behandlung mit einem Aromatase-Hemmer randomisiert für weitere 5 Jahre entweder Letrozol (Femara®, Novartis) oder Placebo erhalten. Die fortgesetzte Aromatase-Hemmung resultierte in einem im Vergleich zu Placebo um relativ 34% reduzierten Risiko für ein Wiederauftreten des Brustkrebses. Und auch das Risiko, in der kontralateralen Brust ein Mammakarzinom zu entwickeln, wurde um 58% gesenkt.

Frauen sollen eine „informierte Entscheidung“ treffen

„Dieses Studienergebnis ist wichtig für Millionen von Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs weltweit“, sagte der ASCO-Experte Dr. Harold J. Burstein vom Dana Farber Cancer Institute, Boston, Massachusetts, bei einer ASCO-Pressekonferenz. „Es weist darauf hin, dass die längere Dauer einer breit verfügbaren Therapie das Risiko eines Wiederauftretens des Brustkrebses reduzieren und vor einer zweiten Krebserkrankung schützen kann.“

 
Dieses Studienergebnis ist wichtig für Millionen von Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs weltweit. Dr. Harold J. Burstein
 

Doch er ergänzte auch: „Zehn Jahre Therapie sind eine lange Zeit. Glücklicherweise tolerieren die meisten Frauen die verlängerte Behandlung gut – mit wenigen Nebenwirkungen.“ Er sprach sich dafür aus, Patientinnen über die neuen Ergebnisse zu informieren, so dass sie auf deren Basis und unter Berücksichtigung ihres individuellen Rezidiv-Risikos „eine informierte Entscheidung treffen können, ob sie die adjuvante endokrine Therapie fortführen wollen oder nicht“. Und auch ASCO-Präsidentin Prof. Dr. Julie M. Vose vom University ob Nebraska Medical Center pflichtete ihm bei: „Es ist wichtig zu sehen, was die Patientinnen davon halten.“

„Ein unbestimmtes Risiko, dass der Krebs zurück kommt“

An der Studie der Canadian Cancer Trials Group (CCTG) mit der Bezeichnung MA.17R nahmen 1.918 Frauen in der Postmenopause teil. Sie hatten nach der Ersttherapie ihres frühen Hormonrezeptor-positiven Mammakarzinoms alle zwischen 4,5 und 6 Jahre lang einen Aromatase-Hemmer erhalten – viele hatten zuvor auch noch über unterschiedliche Zeiträume Tamoxifen genommen. Die Teilnehmerinnen erhielten dann für weitere 5 Jahre entweder Letrozol (2,5 mg per os einmal täglich) oder Placebo. 

Die Rationale der Studie begründete Erstautor Prof. Dr. Paul Goss von der Breast Cancer Research am Massachusetts General Hospital in Boston damit, dass „Frauen mit frühem Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs ein unbestimmtes Risiko haben, dass der Krebs zurückkehrt“. Studienziel sei gewesen, herauszufinden, ob dies durch eine verlängerte Gabe eines Aromatase-Hemmers verhindert werden könne. Tatsächlich habe die Studie nun eine weitere Reduktion des Rezidiv-Risikos gezeigt.

 
Es ist wichtig zu sehen, was die Patientinnen davon halten. Prof. Dr. Julie M. Vose
 

Die Ergebnisse im Detail: Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (Disease Free Survival: DFS). Dieser Endpunkt wurde durch Letrozol um relativ 34% gesenkt (Hazard Ratio 0,66, p = 0,01). Nach 5 Jahren Follow-up waren 95% der Frauen unter Letrozol und 91% unter Placebo ohne erneute Krebserkrankung. Ein Karzinom der kontralateralen Brust wurde unter Letrozol 13-mal und unter Placebo 31-mal diagnostiziert – und war damit unter der Aromatase-Hemmung um 58% geringer (jährliche Inzidenz 0,21 vs 0,49%, HR 0,42; p = 0,007).

Im Endpunkt „Gesamtüberleben“ (Overall Survival: OS) unterschieden sich die beiden Gruppen nicht (HR 0,97, p = n.s.). Dies sei aber aufgrund der langsamen Progression von Hormonrezeptor-positiven Karzinomen und deren eher guter Prognose auch kaum zu erwarten gewesen, sagte Goss. Die Arzneimittelbehörden akzeptierten in der Regel daher auch den Endpunkt des krankheitsfreien Überlebens für die Zulassung von endokrinen Therapien beim Brustkrebs.

Krebsprävention ist gegen die Nebenwirkungen abzuwägen

In einem begleitenden Editorial zur Studie im New England Journal of Medicine weisen Prof. Dr. Rowan T. Chlebowski und Dr. Matthew J. Budoff vom Los Angeles Biomedical Research Center darauf hin, dass der Nutzen der Krebsprävention bei dieser langfristigen Einnahme gegen die Nebenwirkungen der Therapie abzuwägen ist [3]. Durch die Östrogen-Suppression sind negative Effekte wie Hitzewallungen, Arthralgien, sexuelle Probleme oder ein ungünstiger Einfluss auf die Knochendichte möglich – und es wurde auch ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse befürchtet, das sich in der aktuellen Studie allerdings nicht bestätigte. Doch war die Zahl der Knochenfrakturen (133 zu 88, absolute Differenz 4 Prozentpunkte) und die Zahl der Osteoporose-Diagnose (109 zu 54) unter Letrozol erhöht.

In einer beim ASCO-Kongress getrennt vorgestellten Analyse war bei den Studienteilnehmerinnen auch die Lebensqualität anhand des SF-36-Fragebogens und des Menopause-spezifischen MENQOL einmal jährlich erhoben worden. Dr. Julie Lemieux, die ebenfalls zu den Studienautoren gehört, stellte diese Ergebnisse in Chicago vor.

 
Frauen mit frühem Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs haben ein unbestimmtes Risiko, dass der Krebs zurückkehrt. Prof. Dr. Paul Goss
 

Nach ihren Angaben konnten „keine klinisch relevanten Unterschiede in den vier geprüften Kategorien (vasomotorisch, psychosozial, physisch und sexuell) des Fragebogens festgestellt“ werden. Doch auch Goss räumte ein, dass es sich hier um „eine hochselektionierte Gruppe von Patientinnen“ gehandelt habe. Schließlich hatten alle Teilnehmerinnen ja zuvor schon 5 Jahre – anscheinend ohne größere Probleme – die Therapie mit einem Aromatase-Inhibitor toleriert. „Da ist nicht zu erwarten, dass in den zweiten fünf Jahren plötzlich die Lebensqualität darunter leidet.“

Die Studie war nicht nur vom Canadian Cancer Society Research Institute und den US-amerikanischen National Institutes of Health, sondern auch von Unternehmen Novartis finanziell unterstützt worden.

 

REFERENZEN:

1. American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2016 Annual Meeting, 3. bis 7. Juni 2016, Chicago/USA

2. Goss PE, et al: NEJM (online) 5. Juni 2016

3. Chlebowski RT, et al: NEJM (online) 5. Juni 2016

 

Kommentar

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