GOÄ: Der Deutsche Ärztetag stützt seinen Vorstand trotz Kontroversen – die Zweifel am Neuansatz bleiben bestehen

Christian Beneker

Interessenkonflikte

31. Mai 2016

Hamburg – Weiter, aber nicht so: Der 119. Deutsche Ärztetag in Hamburg hat den Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) beauftragt, den festgefahrenen Prozess um die Novellierung der GOÄ wieder in Gang zu bringen – und stellte zugleich eine Reihe von Bedingungen [1]. Gleichwohl blieb der Neuansatz bei den Delegierten umstritten, wie die kontroverse Debatte zeigte.

Dr. Klaus Reinhardt

Bevor die Delegierten abstimmten, hatte Dr. Klaus Reinhardt, der neue Vorsitzende des Gebührenordnungsausschusses, erklärt, was man im BÄK-Vorstand bei der GOÄ-Novelle strukturell geändert habe, um – realistisch gerechnet – nach den Bundestagswahlen im kommenden Jahr Ende 2017 eine neue, abgestimmte Fassung der GOÄ dem Bundesgesundheitsministerium zur Genehmigung vorzulegen.

BÄK-Vorstand will neu ansetzen

So sollen neben dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV), der Bundesärztekammer, der Beihilfe und schließlich dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) auch die ärztlichen Verbände am Prozess der Novellierung beteiligt werden. Gemeinsam wolle man nun erneut die Leistungslegenden abstimmen. Eine „Lenkungsgruppe GOÄ" soll dem Prozess unter der Leitung vom BÄK-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery quasi den Puls fühlen, also koordinieren und prüfen. Außerdem erhält das zuständige Dezernat in der BÄK mehr Personal.

Die Kritiker des Vorstandes waren durch die Neuerungen kaum beruhigt. „Woher hat der Vorstand jetzt die Kompetenzen, die ihm vorher gefehlt haben?", fragte Dr. Susanne Blessing aus Baden-Württemberg. „Wenn jetzt zum Beispiel alle Berufsverbände beteiligt werden sollen, dann geht es dabei zu wie bei der KBV. Es fehlt an Transparenz", betonte Blessing. „Die PKV hat Sie über den Tisch gezogen!"

Als besonderes Streitthema sollte sich auf dem Ärztetag die geplante „GeKo" erweisen, die „Gemeinsame Kommission" aus 4 Ärzten und je 2 Vertretern aus PKV und Beihilfe unter dem Vorsitz des BMG. Sie soll den Prozess der Novellierung inhaltlich begleiten. Da alle Mitglieder ein Veto-Recht haben und damit ein ständiges Patt zwischen Ärzten und Kostenträgern droht, würde das BMG als Zünglein an der Waage fungieren – ein in der Ärztetags-Debatte häufig kritisierter Umstand. Die GeKo sei nicht fortschrittlich, sagte etwa Dr. Axel Brunngraber aus Niedersachsen, sie setze nicht auf den rein ärztlichen Sachverstand.

Kontroverse Diskussion

Da half es wenig, dass Ellis Huber aus Berlin die Diskussion als „Debatte paranoider Entflammbarkeit, die politisch nicht weiterhilft", geißelte. Es sei zwar eine „häufig gehörte Klage, dass das BMG und die Kostenträger mit im Boot säßen, kommentierte dagegen nüchterner Reinhardt: „Aber das ist seit 1949 politische Realität, dass Neuerungen nur im Konsens mit allen Beteiligten durchzusetzen sind."

 
Woher hat der Vorstand jetzt die Kompetenzen, die ihm vorher gefehlt haben? Dr. Susanne Blessing
 

Außerdem fragten sich viele Kritiker, wie viel zusätzliches Geld in der 3-jährigen Monitoring-Phase einer neuen GOÄ tatsächlich fließen würde. Im Raum standen plus 5,8% auf 3 Jahre verteilt. Unklar indessen: Was geschieht, wenn mehr Geld verbraucht wird? An der Antwort auf diese Frage dürfte sich entscheiden, ob die Steigerung von 5,8% als Budget zu gelten hat oder nicht. Klar, dass ein Budget in der GOÄ für die Delegierten ein rotes Tuch war. Reinhardt aber wies entsprechende Befürchtungen zurück.

Vorstandsantrag fordert betriebswirtschaftliche Kalkulation

Vor diesem Hintergrund machten die Delegierten mit ihrer Entschließung am Mittwoch den Weg frei für eine neue Runde auf dem Weg zur passenden Abrechnung privater Leistungen. So sollen die Leistungslegenden samt ihrer Bewertung dem Stand der Forschung 2016 entsprechen. Die Leistungsbewertung solle außerdem „einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation" folgen. Ein eigenes hausärztlichen Kapitel wird es nicht geben aber, so der Beschluss, „die sprechende Medizin, zu der insbesondere die hausärztlichen und andere grundversorgende Leistungen zählen, wird besser als bisher bewertet."

Alle Zusatzaufwände sollen extra bezahlt werden – entweder durch Zusatzleistungen oder Steigerung. Zudem soll der Einfluss der GeKo beschränkt werden – und zwar auf die „Abgabe von Empfehlungen". Was die 5,8% mehr Geld angeht, sei klarzustellen, „dass mit dem Monitoring nach der Übergangsvorschrift nach Artikel 2 der Gesetzesinitiative kein Budget vorgegeben wird", wie der Antragstext formuliert.

Eine neue Chance für die GOÄ „bedeutet im Falle der Erfüllung für beide Seiten Kompromisse", hatte Reinhardt in seinem Referat gesagt, „oder erfordert die Kampagnenfähigkeit einer einigen Ärzteschaft für den Fall der Forderung einer GOÄ ohne Einflussnahme der Kostenträger." Mit anderen Worten: Verständigung oder Scheitern.

 

REFERENZEN:

1. 119. Deutscher Ärztetag, 24. bis 27. Mai 2016, Hamburg

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....