
Prof. Dr. Frank-Ulrich Montgomery
Hamburg – Paukenschlag auf dem 119. Deutschen Ärztetag: Noch vor dem ersten Tagesordnungspunkt hat eine 15-köpfige Gruppe von Delegierten am Dienstag beantragt, den amtierenden Präsidenten der Bundesärztekammer und des Ärztetages, Prof. Dr. Frank-Ulrich Montgomery abzuberufen [1]. Der Grund: Die Havarie der neuen GOÄ im Frühjahr. Der Antrag, sich mit der Amtsenthebung auf dem Ärztetag zu befassen, wurde schließlich mit 85 zu 148 Stimmen abgelehnt. Damit hatte sich rund ein Drittel der Delegierten gegen ihren Präsidenten gestellt. „Ich habe nicht nur gespannt zugehört", sagte Montgomery hinterher in einer kurzen Stellungnahme, „sondern ich verspreche Ihnen, dass ich Sie wie in der Vergangenheit und so in der Zukunft sehr ernst nehmen werde."
Allerdings war einer der kritisierten Punkte eben der, dass man sich von Montgomery in seiner Verhandlungsführung um den neue GOÄ nicht ernst genommen fühlte. „Ich halte Montgomery für jemanden, der es könnte", sagte Martin Grauduszus aus der Ärztekammer Nordrhein. „Aber Montgomery hat die Sensibilität gefehlt für die Interessen der Niedergelassenen."
Bei der Reform der GOÄ versagt?
In ihrem Antrag schrieb die Gruppe, Montgomery habe bei der Reform der GOÄ „komplett“ versagt. „Unter seiner ‚Führung´‘wurden fünf Jahre verschwendet, in denen es zu keiner Einigung bezüglich der neuen GOÄ gekommen ist“, hieß es. Besonders ärgerte die Gruppe, dass der Legendenteil der neuen GOÄ in den Verhandlungen vollständig von der Beratungsfirma McKinsey und im Auftrag der Privaten Krankenversicherer erstellt worden war.
Die Verhandler der Ärztekammer hatten dem Vorschlag nichts Eigenes entgegenzusetzen. Bei den Präsidenten der Landesärztekammern und beim Präsidium der Bundesärztekammer fiel der Vorschlag denn auch durch. Die Verhandlungsführung unter der Leitung Montgomerys sei schlecht gewesen, hieß es nun in dem Antrag. Die Ablehnung der neuen Systematik verzögere eine neue GOÄ um Jahre. Da Montgomery „nicht von sich aus die Konsequenzen gezogen hat und zurückgetreten ist, ist seine Abwahl erforderlich, um einen Neuanfang bei der GOÄ nicht zu behindern“, so der Antrag.
Bereits in seiner Eröffnungsrede zum Ärztetag hatte sich Montgomery selbstkritisch gezeigt. „Wir alle - und da schließe ich mich ausdrücklich mit ein – haben die Komplexität des Prozesses unterschätzt", sagte er zum Thema GOÄ. „Ich muss mich persönlich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, wir hätten den Prozess zu lange nur begleitet, statt einzugreifen.“
Dem Antrag folgte im Plenum eine emotionale Debatte darüber, ob er in die Tagesordnung aufgenommen werden sollte. Dr. Matthias Lohaus, Delegierter der Ärztekammer Berlin und Mitglied der Antrag stellenden Gruppe erklärte: „Ich habe den Antrag nicht gestellt, um den Präsidenten zu beschädigen, sondern weil es um die GOÄ geht. Was würde ein Krankenhausarzt dazu sagen, wenn er nach den Honoraren von 1974 arbeiten müsste?“

Dr. Christian Albring
Sachdebatte oder „Kulturverfall“?
Die Gruppe wollte über den Ärztetag hinweg den Druck auf den Präsidenten erhöhen. Der Antrag sollte nach ihrem Willen erst unter dem Tagesordnungspunkt 7 abgestimmt werden. „Wenn wir den Eindruck bekommen, er (Montgomery) nimmt die Verhandlungsführung jetzt ernst, dann wäre ich bereit, den Antrag auch zurückzuziehen“, sagte Lohaus. „Wer andere Themen wichtiger findet, tritt den Niedergelassenen in den Rücken. Ich will keine Abwahl-Diskussion sondern eine Sachdebatte führen.“ Man brauche eine Chance, um die Sache zu diskutieren, ergänzte Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte e.V.
Ein Delegierter aus Rheinland-Pfalz kritisierte die Debatte: „Was wir hier erleben ist ein Demontage von Integrität und ein Kulturverfall in der Debatte.“ Dr. Ellis Huber, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbandes der Präventologen sprach von einem „kommunikativen Supergau“, wenn der Antrag durchkäme. Erik Bodendieck, Präsident der Ärztekammer Sachsen, räumte ein: „Auch ich habe die Sache nicht ausreichend überblickt. Wir sind erst im März wach geworden, nachdem wir wahrgenommen haben, dass der Sachstand der GOÄ nicht der ist, den wir uns vorgestellt haben." Er verstehe alle, die mehr wollten, so Bodendieck. Aber: „Abwahl des Präsidenten – gibt es nicht wichtigere Themen?“
Dr. Eckart Rolshoven, Delegierter aus dem Saarland, meinte gar die Lust der Versammlung „am Untergang der Ärzteschaft“, zu erkennen: „Vier Tage zu warten und zu gucken, ob sich der Präsident bewährt hat – das halte ich für idiotisch!“, sagte Rolshoven.
Unterdessen sei bei den Verhandlungen um die neue GOÄ der „Reset“-Kopf gedrückt worden, hatte Montgomery in seiner Eröffnungsrede gesagt. Montgomery selber haben die politische Verhandlungsführung übernommen. Außerdem habe man eine Lenkungsgruppe GOÄ gebildet. „Darüber hinaus haben wir die Personalstärke des Dezernats erhöht“, sagte Montgomery. Auch dies war ein Kritikpunkt der Antragsteller gewesen: „Die finanziell und personell zu knappe Ausstattung der Verhandlungskommission.“
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Deutscher Ärztetag 2016: Delegiertengruppe meutert gegen Montgomery und fordert Absetzung wegen GOÄ-Fehlern - Medscape - 25. Mai 2016.
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