Mückenschutz, Safer Sex und helle Kleidung – WHO gibt Empfehlungen zu Zika-Virus und den anstehenden Olympischen Spielen

Inge Brinkmann

Interessenkonflikte

20. Mai 2016

Über zehntausend Athleten und rund eine halbe Million Touristen werden demnächst zu den Olympischen Sommerspielen nach Rio de Janeiro aufbrechen. Aber zu Vorfreude und Aufregung gesellt sich bei den Anreisenden dieses Mal auch die Sorge vor einer Infektion mit dem Zika-Virus.

Eine aktuelle Stellungnahme der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nimmt sich dieses Themas an, dürfte aber nur bedingt zur Beruhigung beitragen. So bekräftigt die Organisation unter anderem, dass sich Wissenschaftler mittlerweile darüber einig sind, dass Zika-Viren Mikrozephalie und andere Fehlbildungen bei Neugeborenen sowie das Guillain-Barré-Syndrom hervorrufen können [1].

Eine Reisewarnung sprechen die WHO-Experten allerdings weiterhin nur für Schwangere aus. Sie sollten die Epidemie-Gebiete einschließlich Rio de Janeiro grundsätzlich meiden.

Ihr Rat an alle anderen: Sportler wie Besucher in Rio de Janeiro sollten sich an den aktuellen Reiseempfehlungen der WHO für vom Zika-Ausbruch betroffene Länder orientieren [2]. Dazu gehört unter anderem das Tragen von (heller) Kleidung, die möglichst viel vom Körper bedeckt, die Benutzung von Repellentien, das Schlafen unter Moskitonetzen und – wann immer möglich – die Nutzung von Klimaanlagen bei geschlossenen Fenstern und Türen. Außerdem sollten sich Touristen und Athleten aus den dicht bewohnten Armenvierteln Rios fernhalten, die ideale Bedingungen für die Vermehrung der Zika-übertragenden Stechmücke bieten.

Neben der Übertragung durch Mücken ist aber mittlerweile auch die sexuelle Übertragbarkeit des Virus bekannt. Die WHO empfiehlt Sportlern und Touristen deshalb Safer Sex für die gesamte Dauer des Aufenthaltes und für mindestens 4 Wochen danach. Wie berechtigt dieser Ratschlag ist, zeigt ein aktueller Fall aus Deutschland: Ende April ist nach Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI) erstmalig eine autochthone Übertragung von Zika-Virus auf sexuellem Weg in Deutschland diagnostiziert worden.

Welches Risiko tragen Touristen und Athleten in Rio de Janeiro?

Etwas beruhigen dürfte viele der Umstand, dass die Spiele im brasilianischen Winter ausgetragen werden. Zu dieser Jahreszeit, so heißt es ebenfalls in der neuen Stellungnahme der WHO, seien die Mücken weniger aktiv und das Risiko gestochen zu werden sei entsprechend niedriger. Eine genauere Einschätzung zum möglichen (individuellen) Risiko, das Sportler und Touristen bei der Anreise eingehen, findet sich in der Stellungnahme nicht.

 
Es ist bedauerlich, inkompetent und gefährlich, dass die WHO auf das IOC verweist. Dr. Amir Attaran
 

Ein Manko, das bereits vor kurzem von dem Juristen und Biologen Dr. Amir Attaran von der University of Ottawa, Kanada, im Harvard Public Health Review thematisiert wurde. Anstatt die Frage zu beantworten, ob die WHO die Olympischen Spiele angesichts der Zika-Epidemie für sicher halte, würden die Verantwortlichen stets auf die „überholte“ Stellungnahme des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) verweisen, so Attaran.

„Es ist bedauerlich, inkompetent und gefährlich, dass die WHO auf das IOC verweist“, schreibt er in seinem Kommentar. Denn das Olympische Komitee verfüge – im Gegensatz zur WHO – weder über Expertenwissen zu öffentlicher Gesundheit, noch habe es die Pflicht, die Gesundheit der Menschen zu schützen.

Er selbst plädiert deshalb für eine Verschiebung der Spiele, unter anderem weil er davon ausgeht, dass das Virus durch die Touristen und Athleten weiter global verbreitet werden wird. Mit seiner Forderung folgt er auch dem Medizinethiker Dr. Arthur L. Caplan vom New York University Langone Medical Center. Dieser empfahl bereits im Februar in seinem Blog auf Medscape.com, das Sportereignis vorsichtshalber um 6 bis 9 Monate zu verlegen.

Wie groß das Infektionsrisiko gerade für Touristen und Sportler im brasilianischen Winter tatsächlich ist, wird derweil durchaus kontrovers diskutiert. Im BMJ Infectious Diseases rechnen Wissenschaftler um Raphael Ximenes, theoretischer Physiker an der University of São Paulo, beispielsweise vor, dass sich möglicherweise nur einer von 500.000 Olympia-Touristen mit Zika anstecken wird [3]. Sie berufen sich dabei auf ihre Kalkulationen zum Ansteckungsrisiko mit dem ebenfalls durch Stechmücken übertragenen Dengue-Virus im selben Zeitraum.

Sind die Warnungen rund um die olympischen Spiele also doch nur Panikmache? Oder riskiert man die weltweite Verbreitung eines gefährlichen Virus? Wir werden es wohl erleben.

 

REFERENZEN:

1. WHO-Stellungnahme: Zika virus and the Olympic and Paralympic Games Rio 2016, 12. Mai 2016

2. WHO: Information for travellers visiting Zika affected countries, Stand 2. Mai 2016

3. Ximenes R, et al: BMC Infect Dis. 2016;16(1):186

Kommentar

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