Der Verzehr von frittierten Nahrungsmitteln, mit Zucker gesüßten Getränken und anderen Speisen, die als Inbegriff der vielfach verteufelten westlichen Ernährungsweise gelten, hat in einer großen Sekundärpräventionsstudie mit mehr als 15.000 Hochrisikopatienten mit stabiler KHK das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse (major adverse cardiovascular events, MACE) nicht erhöht. Eine typisch mediterrane Kost senkte aber das MACE-Risiko während der median 3,7 Jahre dauernden Nachbeobachtungsphase [1].
„Ein überraschendes Ergebnis für uns, und über die Ursachen können wir nur spekulieren“, sagte der Erstautor der Studie, Dr. Ralph A. Stewart von der University of Auckland, Neuseeland, gegenüber Medscape.
Wie erwartet konnte das MACE-Risiko durch eine klassische mediterrane Kost mit reichlich Vollkorn, Obst, Gemüse, Salat, Fisch und wenig Fleisch gesenkt werden. Bei Patienten mit einem Mediterranean Diet Score (MDS) > 12 war eine Zunahme des MDS um einen Punkt mit einer Verringerung des MACE-Risikos assoziiert – auch nach umfassender statistischer Adjustierung (Hazard Ratio 0,95; p = 0,007). Dieser Effekt war in verschiedenen geographischen Regionen und vordefinierten Patientengruppen gleichermaßen vorhanden.
Im Gegensatz dazu konnte kein Zusammenhang zwischen einem Anstieg des Western Diet Score“ (WDS) und dem MACE-Risiko nachgewiesen werden – weder vor noch nach Anpassung um potenzielle Störfaktoren. Dies berichten die Studienautoren um Stewart in ihrer im European Heart Journal publizierten Studie.
Kein Freischein für ungesundes Essen
Die Ergebnisse sollten jedoch KHK-Patienten keinesfalls dazu ermuntern, sich von nun an den ungesünderen Nahrungsmitteln zuzuwenden. Stattdessen sollten, so Stewart, „weitere Anstrengungen unternommen werden, um mehr protektiv wirkende Nahrungsmittel auf den Speiseplan zu setzen“.
Selbst wenn der Effekt des WDS, also der westlichen Ernährung, bei 0 läge, wäre der MDS, also die mediterrane Kost, protektiv, betonte auch Dr. Laurence Sperling vom Emory Heart Disease Prevention Center in Atlanta, USA, der nicht an der Studie beteiligt war, gegenüber Medscape. Und die Evidenz dafür, dass „eine mediterrane Ernährungsweise die zu bevorzugende Kostform ist“, sei stark.
Eine mögliche Erklärung für die überraschenden WDS-Daten sei, so Stewart, dass der Score nur eine vergleichsweise grobe Darstellung der tatsächlich verzehrten Lebensmittel ermögliche. Kleinere Negativeffekte einzelner Nahrungsmittel könnten so leicht übersehen werden.
Für ihre Studie hatten Stewart und seine Kollegen 15.482 Teilnehmer aus 39 Ländern in einem Fragebogen darlegen lassen, wie oft sie in einer durchschnittlichen Woche bestimmte Lebensmittel verzehren und wie viel Alkohol sie zu sich nehmen. In der MDS-Gruppe gab es Punkte für mediterrane Nahrungsmittel und in der WDS-Gruppe für den Verzehr von Weißmehlprodukten, Süßigkeiten, Nachtischen, Süßgetränken und frittierten Speisen. Die Fettaufnahme wurde in beiden Gruppen nicht dokumentiert.
WDS mit geringem Einfluss auf konventionelle Risikofaktoren
„In getrennten Analysen war der WDS nicht oder nur sehr schwach mit dem Lipidspiegel, dem Nüchternblutzucker und dem Blutdruck assoziiert, so dass ich denke, dass dieses Diätmuster einen nur geringen Einfluss auf die konventionellen Risikofaktoren hat“, sagte Stewart. „Außerdem sollte bedacht werden, dass die mit dem WDS gemessenen Nahrungsmittel zur Fettleibigkeit beitragen. Und wir wissen, wie wichtig das Gewicht im Laufe des Lebens für die Gesundheit ist. Allerdings sind die Vorteile einer Gewichtsreduktion bei älteren Menschen mit bestehender Herzerkrankung weniger klar.“
Das Durchschnittsalter der Patienten in der Studie betrug 64,2 Jahre, 81,4% der Teilnehmer waren männlich.
KHK-Patienten verzehren nicht genug von den protektiven Nahrungsmitteln
Das geringere Risiko für Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall bei Personen mit hohem MDS, also bevorzugt mediterraner Ernährung, lege die Vermutung nahe, dass Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse und Fisch sowie ein mäßiger Alkoholkonsum einen protektiven Effekt haben, erklärte Stewart. „Doch nehmen die meisten Patienten mit einer stabilen KHK im Allgemeinen nicht genug dieser Nahrungsmittel zu sich, um diesen günstigen Effekt zu erzielen“.
Sperling merkte an, dass die günstige Wirkung, die die Ernährung haben könne, von Kardiologen oft unterschätzt werde, obwohl jüngere Untersuchungen wie die PREDIMED-Studie eine 30%ige Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse bei KHK-Hochrisikopatienten zeigen, die einer mediterranen Ernährungsweise mit zusätzlichem nativem Olivenöl oder gemischten Nüssen folgten.
„Die Ernährung ist ebenso wirkungsvoll wie all die Statine und ACE-Hemmer, die wir so begeistert einsetzen, und sicher wirksamer als eine Angioplastie bei Personen mit stabiler Angina“, fuhr er fort.
Zusatznutzen zur Statintherapie
Zu Beginn nahmen die meisten Patienten Antihypertensiva ein, 97% wurden mit Statinen behandelt. „Die Ergebnisse sprechen deshalb dafür, dass der positive Effekt der mediterranen Ernährungsweise noch zu der bekannt günstigen Wirkung der Statine hinzukommt“, so Stewart.
Dr. Michael H. Davidson von der University of Chicago, Illinois, USA, der an der Analyse nicht beteiligt war, sagte, dass die Daten den jüngst erfolgten Paradigmenwechsel in der kardiovaskulären Risikoreduktion – nämlich weg vom Cholesterin in der Nahrung – stützten.
„Es gibt zwar Evidenz dafür, dass die Empfehlung, weniger gesättigte Fettsäuren und weniger Cholesterin aufzunehmen, keine positiven Effekte auf Herz und Gefäße hat. Aber die PREDIMED-Studie und nun diese große Sekundärpräventionsstudie zeigen uns, dass es einen kardiovaskulären Nutzen haben könnte, mehr typisch mediterrane Nahrungsmittel zu verzehren“, sagte er.
Stewart merkte allerdings noch an, dass die Studie keine Aussage über den Effekt gesättigter Fettsäuren bzw. deren Verringerung erlaube, da sich die Menge der aufgenommenen Nahrungsfette aus den Fragebögen nicht zuverlässig abschätzen ließ.
Dieser Artikel wurde von Dr. Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
REFERENZEN:
1. Stewart RA, et al. Eur Heart J (online) 24. April 2016
Diesen Artikel so zitieren: Westliche Ernährung womöglich nicht ganz so schlimm wie ihr Ruf – aber nichts schlägt die Mittelmeerkost - Medscape - 20. Mai 2016.
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