eGK-Einführung verzögert sich erneut – KBV fühlt sich unschuldig und wehrt sich gegen Budgetkürzung als Sanktion

Christian Beneker

Interessenkonflikte

18. Mai 2016

Der Test der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) in 2 Regionen Deutschlands und damit auch die flächendeckende Einführung der Karte im kommenden Jahr verzögert sich offenbar erneut. Nun drohen unter anderem der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Strafen. In einem Pressegespräch lehnte sie jedoch die Verantwortung für die Verzögerung ab [1].

 
Von unserer Seite ist alles okay, aber die Industrie kann nicht liefern. Kassenärztliche Bundesvereinigung
 

Nach Angaben der KBV haben die Hersteller, T-Systems und CompuGroup Medical, nicht vermocht, die notwendige Technik fristgerecht zum 1. Juli 2016 auf die Beine zu stellen. „Von unserer Seite ist alles okay, aber die Industrie kann nicht liefern", hieß es auf Nachfrage von Medscape. „Wir haben auch keine Zeitpläne von den Herstellern erhalten."

Knackpunkt scheint das BSI-Sicherheitszertifikat zu sein

Konkret geht es um das automatische Versicherten-Stamm-Daten-Management (VSDM). Tatsächlich fehlt es bei den Herstellern offenbar derzeit am Knowhow, für die Praxen und Kliniken Konnektoren und Kartenleser herzustellen, die sicher genug sind, um das notwendige Zertifikat des Bundesinstitutes für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) zu erhalten, vermutet die KBV. „Die Industrie hat die Beauftragungen Ende 2013 (!) erhalten und offenbar die Komplexität, insbesondere der Sicherheitstechnik, unterschätzt", sagt Dr. Thomas Kriedel vom Vorstand der KV Westfalen Lippe und mit dem Thema befasst.

 
Die Industrie hat die Beauftragungen Ende 2013 (!) erhalten und offenbar die Komplexität, insbesondere der Sicherheitstechnik, unterschätzt. Dr. Thomas Kriedel
 

Tatsächlich gibt es technische Probleme. Nach Informationen von Medscape dreht es sich etwa bei den Lesegeräten um Fragen der Abstrahlsicherheit oder um den sicheren Transport der Geräte in die Praxen und Kliniken sowie die Gefahr, aus den Tastengeräuschen beim Eingeben der Codes die Nummern ermitteln zu können.

Offenbar werden durch das BSI an die Hersteller immer neue weiter gehende Anforderungen gestellt, die dann vom TÜV überprüft werden sollen − für die Hersteller ein Problem. Das Ganze wird von der gematik bestätigt, der Gesellschaft für Telematik-Anwendungen der Gesundheitskarte. Ja, diese Anforderungen seien strittige Punkte, heißt es von dort.

Aber Updates der Sicherheitstechnik sind immer wieder notwendig. Zum gesetzlich festgelegten Termin des bundesweiten Rollouts am 30. Juni 2016 würden derzeit aber noch keine Erprobungserkenntnisse vorliegen, bestätigt denn auch die gematik. Es müsse sichergestellt sein, dass alle Komponenten, Prozesse und Verfahren höchste Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen erfüllten und diskriminierungsfreie Zulassungsverfahren möglich seien. Die gematik hält aus diesem Grund die festgelegte Frist für den bundesweiten Rollout für unhaltbar.

KBV will nicht für die Hersteller bluten

Damit sei offensichtlich dass der gesetzliche Termin inklusive Puffer, also dann der 1. Januar 2017, nicht ohne massive Änderungen an der Teststrategie gehalten werden könne. Entweder man spare an der Sicherheit, am Funktionsumfang oder gar an beidem, resümierte auf dem Pressegespräch Bernd Greve von der KBV.

Nun fürchten die Gesellschafter der gematik, unter ihnen die KBV, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit dem eHealth-Gesetz ernst macht. Dieses fordert nämlich, die Haushalte der gematik-Gesellschafter auf dem Stand von 2014 minus 1% einzufrieren, wenn die Termine zur eGK-Einführung nicht eingehalten werden. Betroffen wären neben der KBV auch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und der GKV-Spitzenverband.

Das eHealth-Gesetz sehe dazu klare Regelungen vor, so das BMG auf Anfrage. Das Ministerium pocht auf die Vereinbarungen: Bis Mitte 2018 sollen Arztpraxen und Krankenhäuser flächendeckend an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen sein. „Wir erwarten von allen Beteiligten – der Industrie, genauso wie den Ärzten und Kassen – dass sie mit Hochdruck daran arbeiten, Arztpraxen und Krankenhäuser an das neue Netz anzuschließen, damit die Telematik-Infrastruktur endlich den Patientinnen und Patienten zugutekommt", heißt es. „Wenn der Roll-out im Jahr 2016 beginnt, müssen die gesetzlichen vorgesehenen Sanktionen nicht greifen."

Gegen die angedrohten Strafmaßnahmen wehrt sich aber die KBV: „Hier die Sanktion einer Budgetkürzung anzuwenden, falls das VSDM nicht zum vorgesehenen Termin eingeführt ist, wäre mehr als kontraproduktiv", sagt der Vorstandsvorsitzende der KBV, Dr. Andreas Gassen. „Diese würde genau jene Beteiligten schwächen, die an einer konstruktiven Lösung arbeiten – die Körperschaften müssten die Schwierigkeiten ausbaden, mit denen die Industrie zu kämpfen hat."

 
Hier die Sanktion einer Budgetkürzung anzuwenden, falls das VSDM nicht zum vorgesehenen Termin eingeführt ist, wäre mehr als kontraproduktiv. Dr. Andreas Gassen
 

Die gematik prüft aktuell gemeinsam mit der Industrie, den Prüfstellen, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und dem BMG die vorgelegten Zeitpläne für eine konsequente Projektumsetzung, wie es heißt. Unterdessen hat die KBV Gespräche mit dem BMG angekündigt, um die Strafe abzuwenden.

Nach der Erprobung in 2 Testregionen soll die eGK ab Mitte 2017 an den Start gehen. Pro Testregion (Südost: Bayern und Sachsen, Nordwest: Rheinland Pfalz, Nordrhein Westfalen und Schleswig Holstein) sind nach Angaben der KBV 375 Ärzte beteiligt (davon 40% Hausärzte), 125 Zahnärzte, 4 Krankenhäuser, ein Universitätskrankenhaus, alle Krankenkassen sowie die Krankenhausgesellschaften, die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen.

 

REFERENZEN:

1. Pressegespräch der KBV zum Thema E-Health-Gesetz, 11. Mai 2016

 

Kommentar

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