Das Prime-Boost-Konzept hat sich erstmals in einer Phase-1-Studie gegen Ebola bewährt. Eine im JAMA veröffentlichte Placebo-kontrollierte Studie hat gezeigt, dass eine sukzessive Impfung mit Ad26.ZEBOV (Janssen Pharmaceutical Company) und MVA-BN-Filo (Bavarian Nordic) gut vertragen wird und eine Antigen-spezifische humorale und zelluläre Immunantwort auslöst [1]. Nach rVSV-ZEBOV (MSD/NewLink Genetics) und cAd3-ZEBOV (GlaxoSmithKline) – beide Vakzine werden bereits in Phase-2/3-Studien getestet – rückt nun also eine Prime-Boost-Impfung als mögliche Alternative gegen Ebola nach.

Prof. Dr. Peter G. Kremsner
Bewirkt Prime-Boost eine bessere Immunantwort als Einzelimpfungen?
Das angewandte Prime-Boost-Konzept mit 2 verschiedenen Impfstoffen wird u.a. auch bei der Suche nach einem geeigneten AIDS-Impfstoffkandidaten eingesetzt. Die zeitlich versetzte Gabe verschiedener Impfstoffe soll eine additive oder synergistische Wirkung des Immunsystems bewirken.
Die in der Studie gemessenen Antikörperspiegel beurteilt Prof. Dr. Peter G. Kremsner im Gespräch mit Medscape denn auch als sehr gut. Der Leiter des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie an der Universität Tübingen warnt jedoch davor, die Daten mit anderen Impfungen zu vergleichen: „Für einen belastbaren Vergleich müssten beispielsweise die Blutproben der Probanden im selben Labor und mit identischen Tests untersucht werden“, sagt er. Nach Angaben der Autoren der Studie um Dr. Iain D. Milligan von der Oxford Vaccine Group der Oxford University seien die Antikörper-Titer nach 3 Wochen sogar höher gewesen als nach einer Impfung mit rVSV-ZEBOV.
Test auf Sicherheit, Verträglichkeit und Immunogenität
Die verwendeten Impfstoffe sind Ad26.ZEBOV und MVA-BN-Filo. Ad26.ZEBOV ist ein viraler Vektor, der auf einem humanen Adenovirus basiert, das auch das Glykoprotein des Zaire-Ebolavirus codiert. MVA-BN-Filo ist ein Impfstoff auf Basis des modifizierten Vacciniavirus Ankara, das neben dem Glykoprotein des Zaire-Ebolavirus auch das Sudan- und Marburg-Glykoprotein sowie das Tai Forest-Nukleoprotein codiert. Nacheinander appliziert, lösten die Impfstoffe (in unterschiedlicher Reihenfolge) bereits bei 100% der getesteten Primaten eine Immunantwort aus.
Die in Großbritannien durchgeführte Phase-1-Studie hat in erster Linie Sicherheit und Verträglichkeit der Kombi-Impfung sowie deren Immunogenität (sekundärer Outcome) bei gesunden Probanden überprüft. Die Forscher wollten außerdem herausfinden, welcher Impfstoff besser als Primer und welcher als Booster geeignet ist, und in welchen Zeitabständen geimpft werden sollte.
Insgesamt wurden 72 gesunde Männer und Frauen zwischen 18 und 50 Jahren in 4 Gruppen à 18 Personen randomisiert. In 2 Gruppen wurde zunächst mit MVA-BN-Filo geimpft und mit Ad26.ZEBOV geboostert. Die Zweitimpfung erfolgte dabei entweder an Tag 29 oder 57 nach der ersten Impfung. Jeweils 3 Probanden pro Gruppe erhielten an den Impfterminen ein Placebo. Ähnlich wurde in den beiden anderen Gruppen verfahren. Die Probanden bekamen hier jedoch zuerst Ad26.ZEBOV, die Boosterung erfolgte – ebenfalls an Tag 29 und 57 – mit MVA-BN-Filo.
In einem Open-Label-Arm wurde außerdem an 15 Probanden ein kürzeres Impfintervall von 15 Tagen überprüft (Erstimpfung mit Ad26.ZEBOV, Boosterung mit MVA-BN-Filo).
Am erfolgreichsten erwiesen sich die Regime, bei denen zuerst Ad26.ZEBOV injiziert wurde. So hatten 4 Wochen nach der Injektion des Adenovirus-basierten Impfstoffs 97% der randomisierten Teilnehmer Glykoprotein-bindende Antikörper gebildet. Außerdem zeigten 55% der Probanden Ebola-spezifische T-Zellen.
Die Boost-Impfung mit MVA-BN-Filo verstärkte die Immunantwort von Ad26.ZEBOV zusätzlich: 21 Tage nach der Boosterung hatten 100% der randomisierten Impflinge Ebola-spezifische Antikörper gebildet, und je nach Anwendungsintervall zeigten 78,1% (Booster an Tag 29) bis 100% (Booster an Tag 57) eine T-Zell-Antwort. Die Antikörper ließen sich bei all diesen Probanden noch 8 Monate nach der primären Impfstoffgabe nachweisen. Die Impf-induzierte T-Zell-Reaktion bestand bei 77 bis 80% der Impflinge fort.
Zum Vergleich: Bei MVA-BN-Filo als Primer hatten im selben Zeitraum nur 23% der Probanden spezifische Antikörper gebildet, und eine T-Zell-Antwort wies nach einem Monat nur ein Studienteilnehmer auf.
Der Open-label-Arm der Studie mit AD26.ZEBOV als Primer kam zu ähnlichen Ergebnissen: So wiesen auch hier alle Probanden (12 von 12) 21 Tage nach der Booster-Impfung Ebola-spezifische Antikörper auf. Bei 11 von ihnen ließ sich eine T-Zell-Reaktion nachweisen. Nach 8 Monaten hatten 10 von 10 Probanden Ebola-spezifische Antikörper und 8 von 10 Ebola-spezifische T-Zellen im Blut.
Die Daten zeigen, „dass das Impfregime beide Achsen der spezifischen Immunantwort induzieren kann – die humorale, antikörperbasierte und die zellvermittelte“, erläutert Dr. Michael von Poncet, Medizinischer Direktor von Janssen Deutschland in einer Pressemitteilung. Das ist insofern von Bedeutung als eine effektive humorale Immunantwort auch das Vorhandensein von zellulären Mechanismen erfordert.
Die Kombinationsimpfung erwies sich zudem als sicher und gut verträglich. Zumeist berichteten die Probanden von Schmerzen an der Injektionsstelle (82% nach Ad26.ZEBOV, 37% nach MVA-BN-Filo, 17% nach Placebo). Bei 5% der Ad26.ZEBOV-Empfänger und bei 4,2% der mit einem Placebo geimpften Probanden trat zudem Fieber auf. Im offenen Studienarm berichteten 27% der Teilnehmer über Fieber. In allen gemeldeten Fällen ging das Fieber innerhalb von 24 bis 48 Stunden zurück. Schwerwiegende Nebenwirkungen, die mit der Impfung in Zusammenhang standen, traten nicht auf.
In vivo-Schutzwirkung noch nicht erwiesen
Janssen-Mitarbeiter von Poncet sieht in der Studie eine wichtige Bestätigung für das Konzept eines Prime-Boost-Impfregimes gegen Ebola. Allerdings wurde bereits früher die Praktikabilität der Zweifach-Impfung angezweifelt. „Problematisch wird es, wenn man ein und dieselbe Person zweimal zur Impfung bestellen muss. Das ist gerade in afrikanischen Ländern ein logistisches Problem“, äußerte Prof. Dr. Stephan Becker vom Institut für Virologie an der Universität Marburg gegenüber Medscape bereits vor einem Jahr.
Kremsner stimmt dem Einwand grundsätzlich zu, fügt aber hinzu: „Wenn sich ein Impfstoff als wirksam und sicher herausstellt, wird man auch zwei Impfungen organisieren können.“ Letztlich gelte auch für dieses Impfkonzept dieselbe Einschränkung wie für die anderen Ebola-Impfstoffkandidaten: „Ob der durch die Impfstoffe hervorgerufene Titeranstieg mit einer In-vivo-Schutzwirkung korreliert, lässt sich noch nicht sagen“, so Kremsner.
Im Idealfall sind am Ende mehrere Kandidaten wirksam. Milligan und Kollegen schreiben dazu: „Es ist sehr wünschenswert, dass bei einem Wiederaufflammen von Ebola – in Westafrika oder anderswo – mehrere Optionen zur Immunisierung zur Verfügung stehen.“ Dadurch würden nicht nur die Sicherheitsrisiken reduziert, sondern auch mögliche Lieferengpässe vermieden.
REFERENZEN:
1. Milligan ID, et al: JAMA 2016;315 (15):1610-1623
© 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Prime-Boost-Impfung gegen Ebola in Phase-1-Studie erfolgreich – In-vivo-Schutzwirkung bleibt offen - Medscape - 6. Mai 2016.
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