Dr. Bhargava: Es gibt eine Menge Technologien, die uns Ärzten bei der Wahrung der Privatsphäre helfen. Eine elektronische Krankenakte, mit der ich gearbeitet habe, unterstützt die Einbindung hoch-qualitativer Grafiken, so dass wir Bilder von Patienten aufnehmen können. Gleichzeitig müssen Versorger und Ärzte allerdings die AirWatch® herunterladen (Firma vmware, Atlanta, Georgia). Ist es ein geeigneter Weg, die Privatsphäre der Patienten zu schützen, wenn die Technologie von Ärzten verlangt, eine App zu nutzen, die dem Softwareanbieter ermöglicht, alles auf Ihrem Telefon zu löschen?
Dr. Kraft: Wir befinden uns jetzt in einer Zeit, in der uns eine ganze Reihe von verschiedenen Geräten und Apps zur Verfügung steht, ob es nun die AirWatch oder eine andere ist. Wir beginnen damit, uns von einer Ära zu lösen, in der die Gesundheitsversorgung intermittierend und reaktiv war. Wir bekamen immer wieder Daten-Brocken, entweder per Fax oder persönlich übermitteln, und reagierten dann darauf. In der Vergangenheit warteten wir, bis wir einen akuten Asthmaanfall oder einen Knoten in einem bereits fortgeschrittenem Stadium entdeckten. Aber jetzt sollen diese intelligenten und vernetzten Technologien und Apps in unsere Versorgung integriert werden. Niemand will sich in fünf verschiedene Anwendungen separat einloggen. Vielmehr soll sich die Technologie automatisch in den Tagesablauf integrieren.
Es werden also viele Funktionen gebraucht. Technologie muss Teil der Arbeitsabläufe von Ärzten oder Krankenschwestern werden. Wir sehen zum Beispiel, wie Apple‘s HealthKit jetzt damit beginnt, Ihre Waage, Ihr Blutzucker- und Blutdruckmessgerät, Ihren Schrittzähler und Fitnessapps zu integrieren, während all diese Geräte an einem einzigen Ort bei Ihnen zusammenlaufen. In Zukunft werden Pädiater also auch ein Wearable, eine Waage oder einen neonatalen Monitor verschreiben. Die damit ermittelten Daten werden auf smarte Art und Weise zu dem Arzt zurückfließen, sodass er diese nicht kontinuierlich überwachen muss.
Wir müssen zusätzlich zum maschinellen Lernen intelligente Datenlayer entwickeln –oder vielleicht eine künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence, AI) – die Aufgaben von uns übernimmt. Dazu kann beispielsweise gehören, den Patienten frühzeitig einer Behandlung zuzuführen, bevor sich sein Zustand verschlimmert, oder ihn bei nachlassender Compliance an seine Therapie zu erinnern. Der Trick ist also, die große Masse an Big Data in die bestehenden Abläufe zu integrieren und einen Weg zu finden, sie für den Arzt, den Verbraucher, die Pflegekraft und die Eltern einsetzbar zu machen, anstatt jeden mit zusammenhangslosen Daten zu überhäufen.
Dr. Bhargava: Ein weiterer großer Trend betrifft am Körper tragbare Technologie. Dies sind zum Beispiel Fitnessgeräte, die Schritte, Herzfrequenz und Schlaf tracken. Wir sehen jetzt, wie Kinder Fitbits und Apple Watches tragen. Denken Sie, es sollte Regeln für Wearables bei Kindern geben?
Dr. Kraft: Auf jeden Fall. Wir befinden uns derzeit in der Ära des Quantified Self, was die Möglichkeit kennzeichnet, bespielsweise Schritte und Schlaf kontinuierlich zu messen. Aber wir bewegen uns ebenso in die Ära von Quantified Health. Wie ich bereits erwähnt habe, werden Kinder- und Amtsärzte zunehmend mehr Daten erhalten. Dies kann hilfreich sein. Noch stehen wir am Anfang, und tracken Schritte oder einfache Daten zum Schlaf.
Doch die Daten werden immer komplexer. Täglich werden Terrabytes von Daten, die direkt vom Körper oder dem vernetzten Zuhause kommen, zu jedem Patienten generiert werden. Die Frage ist nun: Was tun wir damit? Ein Beispiel ist, Schrittzähler zur Motivation von Kindern einzusetzen, die Gewichtsprobleme haben oder den ganzen Tag auf der Couch sitzen und Videospiele spielen. Das Gerät kann ihnen einen Einblick geben, wieviel sie sich täglich bewegen. Auch könnten sie mehr Zeit vor dem Bildschirm als Belohnung bekommen, sofern sie 10.000 Schritte täglich schaffen. Wir können uns mit diesen Technologien ebenso einen Einblick in den Schlafrhythmus eines Jugendlichen verschaffen, der nicht genügend Schlaf bekommt, was für eine gesunde Entwicklung wichtig ist.
Wir stehen mit dieser Art von Schrittzählern also noch am Anfang. Auch für Babies gibt es am Körper tragbare Monitoring-Geräte, die sie an ihren Knöcheln tragen können, und die es dem Gesundheitsversorger ermöglichen, es früher aus der neonatologischen oder pädiatrischen Intensivstation nach Hause zu entlassen.
Ich möchte über den recht einfachen Schrittzähler hinaus denken und sehen, wie diese Geräte die Patientenversorgung verbessern können. Sie können sogar ein Wearable für das Asthma- oder Sauerstoff-Monitoring verschreiben, oder zur Früherkennung von Krampfanfällen. Lassen Sie uns über den Schrittzähler hinaus denken, während wir über die Zukunft der vernetzten Geräte nachdenken.
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Diesen Artikel so zitieren: Pädiatrie 3.0: Wie die Digitalisierung bei der Behandlung von Kindern hilft - Medscape - 4. Mai 2016.
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