Mannheim – Schrittzähler können Patienten nach einem Herzinfarkt langfristig zu körperlicher Aktivität motivieren – das zeigt eine Studie mit 122 KHK-Patienten, die Dr. Harn Wienbergen vom Institut für Herz- und Kreislaufforschung in Bremen auf der 82. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) präsentierte [1]. Zudem besserte sich mit der täglich zurückgelegten Gehstrecke die Prognose der Studienteilnehmer. „Sinn und Zweck der Studie war es, Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit (KHK), die sich nicht regelmäßig bewegen, mit Schrittzählern zur Aktivität zu motivieren“, erklärte Wienbergen.

Dr. Harn Wienbergen
Erwiesenermaßen, sagte er, sei Bewegung ein wichtiges Element in der Sekundärprävention nach einem Herzinfarkt. Jedoch gestalte sich die Motivation der Patienten zu regelmäßiger und vor allem langfristiger körperlicher Aktivität mitunter schwierig. Die IPP-Präventionsstudie (Intensives Langzeit Präventions Programm nach Herzinfarkt in Nordwestdeutschland) am Bremer Institut für Herz- und Kreislaufforschung randomisierte Infarktpatienten 30 Tage nach der Klinikentlassung zu einem 12-monatigen intensiven Präventionsprogramm – unter anderem mit Bewegungstraining und Gruppenfortbildungen – oder Standard-Therapie.
Im Rahmen dieser Studie wird auch untersucht, ob Schrittzähler in der Langzeit-Prävention hilfreich sein könnten. Hierzu wurde den Infarkt-Patienten ein Schrittzähler angeboten, und sie wurden gebeten, ihre Schrittzahlen auf einer Internetseite zu dokumentieren. Alle Patienten nahmen außerdem an dem übrigen Präventionsprogramm teil.
Insgesamt nutzten 75% der bisher 122 untersuchten Patienten die angebotenen Schrittzähler regelmäßig. Wienbergen bezeichnet die Akzeptanz der Schrittzähler als „gut“ und die Zahl der erreichten Schritte als „relativ hoch“. Die meisten der 92 Patienten, die die Schrittzähler nutzen, dokumentierten tägliche Schrittzahlen zwischen 7.500 und 10.000 Schritten (Median 8.738).
Die Patienten, die ihre Schrittzähler mindestens 6 Monate nutzten und die Schrittzahlen dokumentierten, konnten die Zahl ihrer täglichen Schritte signifikant steigern, von im Schnitt anfangs 7.453 auf 9.044 Schritte. „Es war also in dieser Studiengruppe nicht so, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand vom Myokardinfarkt die körperliche Aktivität wieder vernachlässigt wurde“, sagte Wienbergen.
Mehr Schritte – weniger Risikofaktoren
Insgesamt schaffte es jeder 4. Patient, der den Schrittzähler nutze, seine Schrittzahlen um mindestens 30% zu erhöhen. Bei diesen 22 Patienten stellten Wienbergen und Kollegen nach 6 Monaten ebenfalls eine Verbesserung der klinischen Werte im Vergleich zum Studienbeginn fest.
„Die Patienten mit den höchsten Steigerungen der Schrittzahlen hatten den besten klinischen Verlauf der Risikofaktoren“, berichtete Wienbergen. So konnten die Teilnehmer, die ihre Schrittzahlen um mehr als 30% steigerten, ihre klinischen Werte – Senkung von LDL-Cholesterin (-4 vs + 2 mg/dl) und Body-Mass-Index BMI (-0,5 vs + 0,3 kg/m2) sowie Steigerung von HDL-Cholesterin (+5 vs + 1 mg/dl) – deutlicher verbessern als Teilnehmer, die ihre Schrittzahlen nicht oder nur geringfügig steigerten. Zudem erzielte diese Gruppe bessere Werte im IPAQ (International Physical Activity Questionnaire), der die körperliche Aktivität misst (+1.080 vs + 545 kcal/Woche).

Dr. Jochen Schröder
Jedoch, fügte Wienbergen an, hatten diese Patienten schon zu Studienbeginn die besten klinischen Parameter und waren insgesamt motivierter, ihr Risikoprofil zu verbessern. „Das Ziel war aber, eher diejenigen mit dem Präventionsprogramm zu erreichen, die weniger motiviert sind sich zu bewegen“, gestand Wienbergen. Die Studie läuft weiter und soll insgesamt 314 Patienten an 3 Zentren aufnehmen.
Schattenboxen gegen den Reinfarkt
Eine weitere Alternative zur Herzsportgruppe untersucht aktuell Dr. Jochen Schröder, Facharzt für Innere Medizin am Universitätsklinikum Halle (Saale) (UKH) in einer prospektiven randomisieren kontrollierten Studie. „Die Adhärenz bei Herzpatienten zu konventionellen Herzsportprogrammen ist erfahrungsgemäß schlecht“, sagte auch er. Der ostasiatische Kampfkunststil Tai Chi, so seine Vermutung, könnte Patienten ansprechen, die kein konventionelles Trainingsprogramm absolvieren möchten.
„Auf uns kommt eine alternde Anspruchsgesellschaft zu, die nicht als krank gelten und daher keine Herzsportgruppen besuchen möchte“, erklärte Schröder. Diese Patienten könnten mit alternativen Bewegungskonzepten, etwa Tai Chi, motiviert werden. In seiner Studie am UKH, die aktuell noch Teilnehmer sucht, trainieren Patienten, die mindestens 75 Jahre alt sind (Durchschnittsalter 79). Sie trainieren 48 Wochen lang entweder unter professioneller Anleitung in einer Herzsportgruppe oder mit einer Tai-Chi-Lehrerin (jeweils 19 Patienten).
Erste Ergebnisse: „Die Adhärenz war in der Tai Chi-Gruppe signifikant höher“, berichtete Schröder. In dieser Gruppe absolvierten 47% der Teilnehmer mindestens 80% (n = 9) der Trainingseinheiten; in der Herzsportgruppe waren es nur 15% (n = 3). In der Tai Chi-Gruppe trainierten 80% der Teilnehmer über die gesamten 12 Monate; in der Herzsportgruppe waren es 71%.

Dr. Claudia Walther
Beim 6-Minuten-Gehtest sowie bei der funktionellen Mobilität (TUG-Test) und bei der Handkraft ergaben sich keinerlei Unterschiede zwischen den Gruppen. „Das bedeutet: Die Auswirkungen auf die körperliche Funktion sind in beiden Programmen vergleichbar“, resümierte Schröder. Daher und aufgrund der guten Adhärenz und der hohen Motivation der Teilnehmer könne man Tai Chi als „gute Alternative betrachten, zu der wir anspruchsvolle ältere Herzpatienten künftig motivieren können“, sagte Schröder.
Sport kann Operationsrisiko senken
Ein Bewegungstraining kann Herzpatienten auch vor einer Operation helfen, informierte Dr. Claudia Walther vom Herzzentrum der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim. Sie präsentierte auf dem DGK-Kongress erste Ergebnisse einer noch laufenden prospektiven randomisierten Vergleichsstudie zu Auswirkungen eines Trainingsprogramms auf die Fitness von Patienten vor einer Bypass-Operation und auf ihre Lebensqualität nach dem Eingriff. Bisher, sagt sie, habe es kaum Studien zum Effekt von präoperativem Training gegeben.
Dabei könne man die Wartezeit auf den Eingriff von durchschnittlich 2 bis 3 Wochen, in der die Gefahr einer Depression immer hoch sei, ideal mit Bewegungstraining füllen. Aus früheren Studien wisse man, dass „die präoperative Fitness Einfluss auf das postoperative Outcome zu haben scheint“. Patienten, die fitter in die OP gingen, mussten nach der Operation seltener beatmet werden und hatten eine niedrigere 30-Tage-Mortalität, berichtete sie.
In der PRECAB-Studie (Impact of PReoperative Exercise training on cardiorespiratory fitness and quality of life in patient scheduled for Coronary Artery Bypass graft surgery) wollte ihr Team daher die Auswirkungen eines präoperativen Trainings auf die Fitness von über 65-jährigen Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit (KHK) testen, bei denen eine Bypass-OP durchgeführt werden soll.
Bislang wurden 40 trainierbare und stabile CABG-Patienten mit einem Durchschnittsalter von 68 Jahren in eine Trainings- und eine Kontrollgruppe randomisiert; 230 Patienten sollen insgesamt aufgenommen werden. Die Trainingsgruppe absolvierte im Herz- und Thorax-Zentrum der Kerckhoff-Klinik 2 Wochen lang jeweils 3 Trainingseinheiten (durchschnittliche Trainingsdauer: 42 Minuten). Die Patienten, sagte Walther, hätten mit großer Leidenschaft trainiert, und das zweiwöchige Training könne für diese Patientengruppe als „sicher und durchführbar“ bezeichnet werden.
„Wir können auch schon einen Trend sehen“, berichtete Walther. „Die kardiorespiratorische Fitness der Patienten, die zwei Wochen lang trainiert haben, hat sich deutlich gebessert. Zudem hat sich ein positiver Effekt auf den systolischen Blutdruck gezeigt.“ Wichtig sei außerdem zu erwähnen, dass die Patienten der Trainingsgruppe auch vor und nach der Reha fitter waren als die der Kontrollgruppe. „Diese Patienten kommen also insgesamt besser ins Leben zurück“, so Walthers erstes Fazit.
REFERENZEN:
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Diesen Artikel so zitieren: Schattenboxen gegen den Re-Infarkt: Es muss nicht immer die Herzsport-Gruppe sein - Medscape - 22. Apr 2016.
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