Mehr Macht den Hausärzten! Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, teilte in seiner Rede vor der Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes in Freiburg kräftig aus [1]. Die Initiativen seines Verbandes, vor allem die Hausarztverträge landauf, landab, pries er dagegen umso mehr an.
Viele Facharztverbände bis zu ihrem Spitzenverband wollen mit uns kooperieren.
In einer gemeinsamen Presseerklärung von Bundesverband und gastgebendem Landesverband Baden- Württemberg hatten die Verbände im Vorfeld der Veranstaltung denn auch den Landesverband im Südwesten als leuchtendes Beispiel der hausarztzentrierten Versorgung (HZV) gelobt.
„Der Hausärzteverband Baden-Württemberg hat es geschafft, diese Versorgungsform flächendeckend und mit nahezu allen Krankenkassen im Land umzusetzen“, heißt es in der Mitteilung. 2 Millionen Patienten würden unabhängig von den alten Strukturen der Selbstverwaltung versorgt. „Die Qualität und die Effizienz der Versorgung sind deutlich gestiegen. Die Patienten fühlen sich besser versorgt und wir Hausärzte können endlich wieder in Strukturen arbeiten, in denen wir nicht ständig durch den Bürokratieirrsinn der Selbstverwaltung ausgebremst werden“, sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Baden- Württemberg, Dr. Berthold Dietsche.
Das Nötigste versäumt, um den Hausärzten unter die Arme zu greifen
Bevor Weigeldt während seiner Eröffnungsrede in das Lob einstimmte, verteilte er harsche Kritik an die gesundheitspolitischen Gegner. Das „zunehmende Unvermögen, die hausärztliche Versorgung sicherzustellen“, sei „inzwischen unübersehbar“, kritisierte Weigeldt. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) nehme ihre Aufgabe nicht mehr wahr. „Damit entzieht sich das System zumindest teilweise selbst seine Existenzberechtigung.“ Das KV-System sei mit sich selber beschäftigt, während es die wirklich wichtigen Fragen ignoriere, vor allem die des hausärztlichen Versorgungsbereiches.
So habe die KBV auch das Nötigste versäumt, um den Hausärzten unter die Arme zu greifen. In der Folge habe der Gesetzgeber anstelle der KBV agieren müssen, so geschehen bei der hausärztlichen Grundvergütung, der Honorartrennung, den beratende Fachausschüssen und vor kurzem der Parität in der Vertreterversammlung der KBV, sagte der Hausärztechef. Die fachärztliche Versorgungsebene sei der KBV stets wichtiger gewesen.
Dass die KBV in ihrem Papier „KBV 2020“ ein Primärarztsystem in Frage stelle und stattdessen auf die Behandlung von akuten Erkrankungen setze, illustriert in Weigeldts Augen die Neigung der KBV zur Facharztschiene. Weigeldt findet den Vorschlag der KBV „im besten Fall nur naiv“.
Und die kollektivvertragliche Bürokratie der KVen? Die Weigerung, mehr Geld für die VERAHs (eine MFA-Fortbildung des Hausärzteverbandes) bereitzustellen? Das KV-Safenet als IT-Lösung für Arztpraxen? Schließlich die gescheiterte GOÄ-Novelle? Für den Verbandsvorsitzenden diskriminierend, belastend, unpraktikabel. Bei der geplatzten GOÄ-Novelle habe man versäumt, die chronisch und mehrfach Kranken in einen Komplex aufzunehmen sowie das VERAH-Konzept des Verbandes. Den Umgang mit der GOÄ-Novelle findet Weigeldt denn auch schlicht „unprofessionell“.
Weigeldt: Der Verband steht für die Emanzipation vom alten System
So sehr Weigeldt gegen KBV und Bundesärztekammer auskeilte, so sehr lobte er die Politik des Hausärzteverbandes. Erneut beschwor er den Weg des Verbandes als einen der Emanzipation vom Kollektivvertrag und den „fachärztlich dominierten Körperschaften“ hin zur hausarztzentrierten Versorgung (HZV). Inzwischen seien 5,8 Millionen Patienten in die HZV eingeschrieben, so Weigeldt. Die Umsetzung des § 73b SGB V habe damit einen festen Platz in der Versorgung.
Unterdessen suche man die Kooperation mit den Gebietsärzten und Krankenhäusern über die integrierte Versorgung (IV), wie ein erster Vertrag für Rheumapatienten zeige. „Viele Facharztverbände bis zu ihrem Spitzenverband wollen mit uns kooperieren“, sagte Weigeldt.
Als weitere Frucht des hausärztlichen Engagements sieht Weigeldt die Möglichkeit zu fachgleichen MVZs. Ältere Kollegen könnten ihren letzten Berufsjahre in einem MVZ arbeiten, wie ganz junge ihre ersten. Kooperiere man so mit Kliniken und Weiterbildungsverbünden, „ist mir nicht mehr so bange, wie wir den zunehmenden Hausärztebedarf decken können“, so Weigeldt.
Kassen in der Verantwortung
Eberhard Mehl, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hausärzteverbandes, betonte ebenfalls die Chancen dieses Modells. „Wir brauchen neue Modelle für die Zusammenarbeit von Hausärzten. Im Versorgungsstärkungsgesetz liegen Möglichkeiten und Chancen, die wir jetzt nutzen müssen und wollen“, sagte Mehl in seiner Stellungnahme. Man arbeite daher mit Hochdruck an Konzepten, um so genannte Hausarztzentren, also hausärztliche MVZ, umzusetzen. „Wir sehen darin enormes Potential, um die hausärztliche Versorgung in Deutschland auf stabile Beine zu stellen.“
Die Hausarztzentren könnten und sollen dabei nicht in Konkurrenz zu der Niederlassung treten, sondern vielmehr die Übergänge für die Hausärzte deutlich erleichtern, erklärte Mehl. Sie böten den Hausärzten mehr Flexibilität und die Möglichkeit verstärkt im Team zu arbeiten. „Dieses Projekt wird in den kommenden Jahren für uns als Verband eine hohe Priorität haben.“
Auch Mehl betonte die Kooperationen mit Fachärzten nach § 140a SGB V, also in der integrierten Versorgung. „Wir arbeiten (daher) gemeinsam mit den Fachärzten an Lösungen außerhalb der alten Strukturen“, sagte Mehl. „Jetzt sind auch die Krankenkassen in der Verantwortung, diese gemeinsam mit den Ärzten auch umzusetzen, so wie das bei der Versorgungslandschaft Rheuma bereits geschehen ist. Darüber hinaus werden wir als Verband in Gesprächen weiter ausloten, wie weitere Kooperationen mit Fachärzten außerhalb der Selbstverwaltungsstrukturen konkret ausgestaltet werden können.“
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Diesen Artikel so zitieren: „KBV nimmt ihre Aufgaben nicht wahr“ – Hausärzteverband schlüpft erneut in die Rolle des David im Kampf gegen große Gegner - Medscape - 20. Apr 2016.
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