PRAC prüft vermehrte Amputationen unter Canagliflozin und weitet Risikobewertung der neuen Hepatitis-C-Arzneien aus

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

18. April 2016

In einer klinischen Studie sind unter Behandlung mit dem SGLT2-Inhibitor Canagliflozin bei Patienten mit Diabetes vermehrt Amputationen, besonders der Zehen, beobachtet worden. Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) unterzieht das Diabetesmedikament deshalb jetzt einer Sicherheitsüberprüfung [1].

Bei seinem Treffen im April beschloss das Komitee außerdem die Ausweitung der Sicherheitsüberprüfung von Direct Acting Antivirals (DAA) auf das Risiko für rezidivierenden Leberkrebs. Des Weiteren wurde festgelegt, wie künftig öffentliche Anhörungen vor den Komitees der EMA ablaufen sollen.

Mehr Amputationen im Canagliflozin-Arm

Der Anstieg bei den Amputationen unter Canagliflozin ist in der klinischen Studie CANVAS (CANagliflozin cardioVascular Assessment Study) aufgefallen. Bestätigt ist ein kausaler Zusammenhang zwischen dem SGLT2-Hemmer und dem Auftreten der Amputationen allerdings nicht, denn diese gab es auch im Placebo-Arm der Studie.

CANVAS ist eine Langzeitstudie mit etwa 4.300 Patienten, die bislang im Schnitt 4,5 Jahre nachbeobachtet worden sind. Das Studienziel ist herauszufinden, ob die Behandlung mit dem SGLT2-Hemmer kardiovaskuläre Erkrankungen reduziert. Canagliflozin wird darin bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko mit Placebo verglichen.

Amputationsinzidenz: Verschiedene Studien, verschiedene Ergebnisse

Derzeit betrage die Inzidenz von Amputationen an den unteren Extremitäten in den Canagliflozin-Armen 7 pro 1.000 Patientenjahre (unter der Dosis 100 mg/Tag) bzw. 5 pro 1.000 Patientenjahre (300 mg/Tag), teilt die EMA mit. Im Placebo-Arm liege die Inzidenz bei 3 pro 1.000 Patientenjahre.
In 12 anderen, bereits beendeten klinischen Studien, in denen Canagliflozin eingesetzt worden war, war kein Anstieg des Amputationsrisikos beobachtet worden. Anders als in der ebenfalls noch laufenden CANVAS-R-Studie, die wie CANVAS eine Studienpopulation mit hohem kardiovaskulären Risiko haben.

In CANVAS-R, deren Nachbeobachtungszeit bislang 9 Monate umfasst, beträgt die Inzidenz von Amputationen an den unteren Extremitäten 7 pro 1.000 Patientenjahre mit Canagliflozin und 5 pro 1.000 Patientenjahre mit Placebo. Der Unterschied ist statistisch nicht signifikant.

Beide Studien werden auf Empfehlung des unabhängigen Data Monitoring Committee erst einmal weiterlaufen. Vom Hersteller von Canagliflozin, Janssen-Cilag, hat das PRAC nun weitere Informationen angefordert, um zu beurteilen, ob Canagliflozin die Ursache für den Anstieg bei den Amputationen sein könnte und ob die Art und Weise, wie das Medikament in Europa eingesetzt wird, verändert werden muss.

Das Komitee wird sich auch Daten zu anderen Medikamenten aus der Klasse der SGLT2-Inhibitoren (Dapagliflozin und Empagliflozin) anschauen. Basierend darauf, soll die Sicherheitsprüfung möglicherweise auf die gesamte Medikamentenklasse ausgedehnt werden.

Vorerst kann mit Canagliflozin weiter behandelt werden

Während das Bewertungsverfahren läuft, erhalten Ärzte einen Brief, der sie an die Bedeutung der routinemäßigen Fußpflege bei Diabetespatienten erinnert, um Infektionen und Ulzera vorzubeugen. Patienten mit erhöhtem Amputationsrisiko (z.B. diejenigen, die schon eine Amputation hatten) sollten sorgfältig überwacht werden. Als Vorsichtsmaßnahme könnten Ärzte in Betracht ziehen, die Behandlung mit Canagliflozin bei Patienten, die signifikante Fußkomplikationen entwickeln, abzusetzen, rät die EMA.

Canagliflozin ist derzeit in 2 zugelassenen Diabetesmedikamenten enthalten: Invokana® und Vokanamet®, welches zusätzlich Metformin enthält. Allerdings wurden beide Medikamente vom Hersteller Janssen-Cilag vom deutschen Markt genommen, nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss Canagliflozin keinen Zusatznutzen bestätigt hatte.

DAA-Überprüfung ausgeweitet

Bereits im März hat das PRAC mit einer Sicherheitsprüfung der Direct Acting Antivirals (DAA) Daklinza®, Exviera®, Harvoni®, Olysio®, Sovaldi® und Viekirax® begonnen. Ursprünglich ging es nur um die Sicherheit der Hepatitis-C-Medikamente in punkto Hepatitis-B-Rezidiv. Inzwischen zeigen Studiendaten, dass es möglicherweise nicht nur zu einer Reaktivierung von Hepatitis-B-Infektionen, sondern auch zu Rezidiven von Leberzellkarzinomen kommen könnte. Die Sicherheitsüberprüfung umfasst deshalb jetzt auch dieses potenzielle Risiko der DAA-Therapie.

EMA will Öffentlichkeit mehr einbeziehen

Außerdem will die EMA die EU-Bevölkerung mehr in die Überwachung von Arzneimitteln einbeziehen und sich die Ansichten und Erfahrungen der Bürger anhören. Zu diesem Zweck hat die Behörde das Instrument der öffentlichen Anhörungen geschaffen, die von den Komitees abgehalten werden müssen.

Wie genau diese öffentlichen Anhörungen künftig vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet werden sollen, dazu hat das PRAC in seiner April-Sitzung das finale Reglements beschlossen. Um das Verfahren zu überprüfen, wird bei der Juli-Sitzung des PRAC ein Probelauf stattfinden. Wenn alles gut läuft, könnte bereits im 4. Quartal 2016 eine erste öffentliche Anhörung stattfinden.

 

REFERENZEN:

1. Mitteilung zum April-Treffen des Pharmacovigilance Risk Assessment Committee (PRAC) der EMA

 

Kommentar

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