Sie wird zu häufig gestellt und ist oft unzuverlässig – die Diagnose von Asthma bei Kindern. Diese Meinung vertreten Prof. Dr. Andrew Bush vom Department of Paediatric Respiratory Medicine des Royal Brompton Hospital in London und Dr. Louise Fleming vom National Heart and Lung Institut am Imperial College in London in einem Leitartikel im British Medical Journal [1]. Inhalationsgeräte würden oft ohne ausreichenden Grund verteilt und seien mittlerweile fast schon ein Mode-Accessoire geworden, spitzen die Autoren ihre Kritik zu.

Prof. Dr. Ludger Klimek
Prof. Dr. Ludger Klimek, Leiter des Zentrums für Rhinologie und Allergologie in Wiesbaden, bewertet die Situation ähnlich, allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: „Die meisten der in dem Artikel beschriebenen Probleme sind typisch für Gesundheitssysteme, wie sie in Großbritannien vorherrschen. Dort werden schätzungsweise 90 bis 95 Prozent der Patienten mit Atemwegerkrankungen von Hausärzten versorgt.“
Das aber sei in Deutschland ganz anders, erläutert der Facharzt für HNO-Heilkunde und Allergologie: „Wir haben in Deutschland deutlich mehr Experten, sowohl in der allergologischen als auch in der pneumologischen Versorgung.“ Dadurch sei gewährleistet, dass die Diagnostik in der Regel sehr viel gezielter durchgeführt werde als z.B. in Großbritannien.
Prof. Dr. Susanne Lau, Leiterin der Sektion Allergologie und Pneumologie an der Charité in Berlin, sieht das ähnlich. „In Deutschland würde man eher eine spezifische Diagnostik machen“, meint sie. „Bei uns ist das System so: Wenn der Verdacht auf Asthma besteht, wird der Patient sehr schnell zu einem Arzt überwiesen, der sich damit auskennt und auch gründlich diagnostiziert.“ Das sei die Regel, meint Lau, von der es aber auch Ausnahmen gebe: „Auf der anderen Seite kenne ich hier auch Spezialisten, die sehr gerne die Diagnose Asthma verteilen, weil Asthma eben häufig ist.“
Unterschiedliche Diagnosemöglichkeiten nutzen
Die britischen Autoren Bush und Fleming schreiben, dass es absurd sei anzunehmen, nur Spezialisten könnten bei Kindern Asthma diagnostizieren. Zwar führen beide an, dass Hausärzte nicht regelhaft spezielle Untersuchungen wie z.B. eine FeNO-Messung durchführen (FeNO: Fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid). Durch die Bestimmung des Stickstoffmonoxids in der ausgeatmeten Luft können vor allem allergische Entzündungen in den Atemwegen erkannt werden.
Doch die Autoren verweisen auf andere Diagnosemöglichkeiten, die schon jetzt besser ausgenutzt werden sollten: zum Beispiel das Peak-Flow-Meter – ein handliches Gerät, mit dem auch zu Hause der maximale Atemfluss beim Ausatmen gemessen werden kann. In Deutschland sei dieses Gerät weit verbreitet, meint Klimek. „Etwa drei Viertel der Patienten, die ein Peak-Flow-Meter verwenden sollten, besitzen auch eins“, schätzt der HNO-Facharzt aus Wiesbaden.
Klimek hält es für außerordentlich wichtig, dass ein Facharzt entscheidet, welcher Test bei welchem Patienten durchgeführt werden muss, um sicher die Diagnose Asthma zu stellen – oder zu verwerfen. Ob Spirometrie, Ganzkörperplethysmographie, die FeNO-Messung oder ein Belastungstest, eventuell mit Methacholin oder einem bronchienerweiternden Mittel – die Auswahl der adäquaten Untersuchungsmethode sei entscheidend für eine präzise und korrekte Asthma-Diagnose. „Es gibt eine Reihe von Tests, die in dem Artikel auch genannt werden, die aber keineswegs immer für jeden Patienten geeignet sind. Daher ist der Pneumologe, Kinderpneumologe oder Allergologe der richtige Ansprechpartner.“
Besser erst die Diagnose und dann die Behandlung
Nach Darstellung von Bush und Fleming wird aber in Großbritannien häufig nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip verfahren: Auf den Verdacht hin, dass das auffällige Atemgeräusch oder der Husten durch Asthma verursacht werden, verschreibt der Arzt dem Kind ein Asthma-Medikament zum Inhalieren. Kortikosteroide können – richtig angewendet – die Lebensqualität und Mortalität von Asthma-Patienten deutlich verbessern, das betonen auch Bush und Fleming.
Doch die beiden Autoren stellen gleichzeitig fest: Diese Medikamente haben auch Nebenwirkungen, können etwa die Nebenniere schädigen, das Wachstum hemmen und eventuell das Risiko für Atemweginfektionen erhöhen. Der Einsatz dieser Medikamente sollte daher wohlüberlegt und wohldosiert sein.
Klimek sieht das ähnlich. Zwar könne es für das gesamte Gesundheitssystem durchaus billiger sein, auf Untersuchungen zu verzichten und dafür 3 Wochen lang auszuprobieren, ob ein bestimmtes Medikament dem Patienten hilft oder nicht. Aber die Versuch-und-Irrtum-Methode hat in seinen Augen einen großen Haken: „Für den Einzelnen ist das nicht sinnvoll.“
Diagnose und Therapie immer wieder überprüfen
Ein weiterer Kritikpunkt der beiden britischen Ärzte: Zu selten werde die Diagnose Asthma später noch einmal überprüft. Diese Überprüfung hält auch Lau für sehr wichtig: „So wie es in den Leitlinien erwähnt wird: Man sollte immer wieder die Therapie überprüfen. Daraufhin, ob sie intensiviert werden muss – oder abgeschwächt bzw. abgesetzt, weil der Patient keine Beschwerden mehr hat.“
Auch in Deutschland geschehe das nicht in 100% der Fälle, bedauert Lau. „Es passiert auch bei uns, dass Patienten ewig eine Therapie bekommen, obwohl sie nachher gar nicht mehr die Kriterien eines Asthma bronchiale erfüllen“, so die Fachärztin für pädiatrische Pneumologie und Allergologie.
Und gerade bei Kindern sei es ganz besonders wichtig, die Diagnose Asthma regelmäßig zu überprüfen. „Nicht alle Kinder verlieren ihr Asthma. Aber es gibt viele Kinder – gerade wenn sie nicht allergisch sind – die ihr Asthma verlieren“, sagt Lau.
REFERENZEN:
1. Bush A, et al: Arch Dis Child 2016, 0:1-2
© 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Asthma bei Kindern: Wird zu oft ohne präzise Diagnose behandelt? - Medscape - 12. Apr 2016.
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