Die Symptome psychischer Störungen lassen sich durch körperorientiertes Yoga lindern. Das zeigt eine Metaanalyse, die ein Team um Dr. Jenny Rosendahl vom Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Jena im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht hat [1]. In die Untersuchung der Forscher flossen die Ergebnisse von 25 Studien mit insgesamt 1.339 erwachsenen Patienten ein.

Dr. Jenny Rosendahl
„Yoga ist ein weit verbreiteter, gut akzeptierter und zudem kostengünstiger Therapieansatz, der kaum Risiken oder Nebenwirkungen aufweist“, sagt Rosendahl gegenüber Medscape Deutschland. Körperorientiertes Yoga könne daher als ergänzende Behandlungsmöglichkeit bei psychischen Störungen in Betracht gezogen werden. „Es kann störungsspezifische Symptome reduzieren und zur Verbesserung von Wohlbefinden und Lebensqualität beitragen“, betont Rosendahl.
Yoga verbessert die bewusste Steuerung neuronaler Netzwerke

Dr. Christa Roth-Sackenheim
„Dass Yoga einen sehr guten Einfluss auf fast alle psychischen und neurologischen Störungen hat, ist seit langem bekannt und wird in vielfältiger Weise zunehmend eingesetzt“, bestätigt auch Dr. Christa Roth-Sackenheim, die 1. Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater und Psychotherapeuten (BVDP), im Gespräch mit Medscape Deutschland. Eine Ausnahme bildeten lediglich ganz akute Zustände, etwa bei einer Psychose oder nach einem Schlaganfall.
„Man nimmt an, dass Yoga ebenso wie bestimmte Meditationstechniken neuronale Netzwerke und deren bewusste Steuerung verbessern kann“, sagt Roth-Sackenheim. Das wirke sich auf vielerlei Körperfunktionen aus: auf den Muskeltonus, die Atem- und die Herzfrequenz sowie auf das ganz subjektive Gefühl, Herr beziehungsweise Herrin im eigenen Körper-Haus zu sein.
Bei vielen körperlichen Beschwerden, etwa chronischen Schmerzen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ist der positive Effekt von Yoga schon länger gut belegt. Rahel Klatte, die Erstautorin der aktuellen Studie, und ihre Kollegen wollten nun untersuchen, inwieweit körperorientiertes Yoga – das neben der Meditation (Dhyana) vor allem bestimmte Körperhaltungen (Asanas) und Atemtechniken (Pranayamas) in den Vordergrund stellt – auch psychische Probleme lindern kann.
Die meisten Yoga-Studien kommen aus den USA und Indien
Die Forscher sichteten dazu mehr als 2.600 Publikationen zu dem Thema. Aus diesen wählten sie all jene Studien aus, die kontrolliert und randomisiert durchgeführt worden waren. Außerdem musste das Yoga in den Studien explizit als Hatha-Yoga – die körperorientierte Variante – bezeichnet sein beziehungsweise Körper- und Atemübungen umfassen. Die meisten Untersuchungen, die durch diese Vorbedingungen in die Analyse einbezogen wurden, stammten aus den USA und Indien.
Ein Großteil der Studien befasste sich mit den Wirkungen von Yoga auf Schizophrenien und Depressionen. Einige Probanden litten jedoch auch unter Suchterkrankungen, Angst- oder anderen psychischen Störungen. In der Regel erfolgte das Yoga – das stets in Gruppen und unter Anleitung eines Lehrers praktiziert wurde – ergänzend zu einer medikamentösen Behandlung, die teilweise auch von anderen therapeutischen Interventionen begleitet wurde. Daneben gab es Studien mit Yoga als alleiniger Therapie. Die Kontrollgruppen erhielten meist keine zusätzliche Behandlung. In einigen Studien wurde das Yoga mit Sport, Aufmerksamkeitskontrolle oder einer Psychotherapie verglichen. Aufmerksamkeitskontrolle ist eine kognitive Strategie, mit deren Hilfe sich die eigenen Gedanken auf bestimmte, gewünschte Inhalte fokussieren lassen.
Yoga wirkt ähnlich gut wie eine Psychotherapie
Insgesamt habe Yoga die Symptome der betrachteten Störungen signifikant lindern können, sagt Rosendahl. Hinsichtlich des primären Endpunkts Symptombelastung machten sie und ihre Kollegen im Vergleich zu unbehandelten Kontrollgruppen einen großen Effekt von Yoga aus (Hedges' g = 0,91, wobei g-Werte von 0,80 als großer, von 0,50 als mittlerer und 0,20 als kleiner Effekt interpretiert werden). Allerdings seien die beobachteten Wirkungen in den einzelnen Studien sehr heterogen gewesen, so Rosendahl.
Im Vergleich zu Sport (g = 0,30) oder Aufmerksamkeitskontrolle (g = 0,39) erwies sich Yoga als etwas effektiver. Als Ergänzung zu einer medikamentösen Therapie wirkte es zudem ähnlich gut wie eine psychotherapeutische Standardbehandlung (g = 0,08). „Yoga ist daher möglicherweise insbesondere bei Menschen mit Vorbehalten gegenüber einer Psychotherapie, die ansonsten unbehandelt blieben, ein geeigneter therapeutischer Ansatz“, sagt Rosendahl.
Bei schweren Störungen könnte der Effekt von Yoga geringer sein
Rosendahl und ihre Kollegen weisen jedoch auch darauf hin, dass man ihre Ergebnisse aufgrund eines relativ hohen Verzerrungsrisikos vorsichtig interpretieren müsse. So fanden die Forscher beispielsweise in jüngeren Arbeiten geringere positive Effekte von Yoga als in älteren Untersuchungen, was die Wissenschaftler auf eine zunehmende Standardisierung der Studien zurückführen. Zudem profitierten ambulant und stationär behandelte Probanden weniger vom Yoga als Studienteilnehmer, die sich gerade nicht in Therapie befanden. Somit könnte auch die Schwere der psychischen Erkrankung eine Rolle spielen.
„Körperorientiertes Yoga mit den zentralen Bestandteilen Asanas und Pranayamas stellt einen vielversprechenden komplementären Ansatz in der Behandlung psychischer Störungen dar“, lautet das Fazit der Forscher. Weitere, qualitativ hochwertige Studien seien jedoch nötig, um den Befund zu untermauern.
REFERENZEN:
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Diesen Artikel so zitieren: Metaanalyse: Yoga hilft bei der Behandlung psychischer Erkrankungen – und zwar mindestens ebenso gut wie eine Psychotherapie - Medscape - 12. Apr 2016.
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