Mannheim – Vor wenigen Jahren noch Inhalt heftigster Diskussionen zwischen Kardiologen und Herzchirurgen ist die Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) mittlerweile bei Patienten von über 70 Jahren mit isolierter Aortenklappenstenose zum Standardverfahren gereift. Das berichtete Prof. Dr. Holger Eggebrecht vom Cardiologischen Centrum Bethanien in Frankfurt auf einer Pressekonferenz während der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim [1].
Grundlage dieser Einschätzung ist eine Auswertung von Daten des Zeitraumes zwischen 2008 und 2014 aus dem deutschen AQUA-Register, die Eggebrecht gemeinsam mit Dr. Rajendra H. Mehta, Duke Clinical Research Institute in Durham/USA, kürzlich im Fachjournal Euro Intervention publiziert hat [2]. Alle TAVI-Prozeduren, die zu Lasten der deutschen Krankenversicherer gehen, mussten in diesem Zeitraum verpflichtend an das AQUA-Institut in Göttingen gemeldet werden.
„Im Jahr 2014 wurden 69 Prozent der Patienten im Alter von über 70 Jahren mit isolierter Aortenklappenstenose mit TAVI behandelt. Wenn man sich das für die 90-Jährigen anschaut, dann sind das 99 Prozent aller Aortenklappeneingriffe“, berichtete Eggebrecht in Mannheim. Von Patienten im Alter von mindestens 80 Jahren mit isolierter Aortenklappenstenose werden 89 Prozent mit TAVI behandelt. „Das ist also ein Standardverfahren“, machte Eggebrecht deutlich.
Bessere Klappensysteme ebneten den Weg
Grundlage für diese Entwicklung ist nach Ansicht des Frankfurter Kardiologen die Weiterentwicklung der Prozedur und der zur Verfügung stehenden Katheterklappensysteme, die zu deutlich verbesserten Ergebnissen und höherer Sicherheit beigetragen haben. „Die Prozedur kann heute in einer Dreiviertelstunde locker gemacht werden und sie ist relativ unkompliziert“, sagte Eggebrecht.
Die Entwicklung spiegelt sich auch in den absoluten Eingriffszahlen wider, wie Eggebrecht berichtete. Zwischen 2008 und 2014 sei die Zahl der TAVI-Prozeduren von 637 Interventionen auf mehr als 13.000 rasant angestiegen. Im Jahr 2013 wurden bereits mehr TAVI-Prozeduren vorgenommen als herzchirurgische Eingriffe zum isolierten Aortenklappenersatz. „In Deutschland wurden 2014 etwa 30 Prozent mehr TAVI gemacht als chirurgische Eingriffe“, sagte Eggebrecht. Dabei blieb grundsätzlich die Anzahl der Aortenklappenersatz-Operationen bei leichtem Rückgang relativ stabil: Waren es im Jahr 2008 noch 11.205 Operationen, so wurden im Jahr 2014 9.953 chirurgische Eingriffe zum Aortenklappenersatz registriert.
TAVI als Therapieoption für ältere und kränkere Patienten
Für Eggebrecht sind diese Zahlen ein Beleg, dass TAVI eine Therapieoption für zusätzliche Patienten eröffnet, die bisher nicht einem Aortenklappenersatz zugeführt werden konnten. Dies spiegelt sich auch im Vergleich der Patientengruppen wider: Während Patienten, die operiert werden, im Durchschnitt 68 Jahre sind, sind TAVI-Patienten im Mittel 80 Jahre alt und zudem deutlich kränker. Dennoch biete für diese Patienten die Intervention inzwischen auch unter Sicherheitsaspekten eine enorme Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten.
Eggebrecht: „TAVI ist heutzutage sicher. Schwerwiegende periprozedurale Komplikationen, wie zum Beispiel die Anulus-Ruptur, sind mit einer Rate von nur 0,24 Prozent sehr selten. Es wurde ja immer diskutiert, dass man vorbereitet sein muss, um einen Patienten notfallmäßig operieren zu können. Eine notfallmäßige Operation ist aber nur bei 0,6 Prozent der Patienten erforderlich.“ Eine weitere Analyse der Daten aus dem AQUA-Register, so führte Eggebrecht weiter aus, zeige darüber hinaus, „dass nicht alle dieser Patienten umgehend operiert werden müssen“.
Nur wenige Schlaganfälle und eine sehr geringe Mortalitätsrate
Die Sicherheit der TAVI-Prozedur lässt sich auch an den Schlaganfallraten ablesen. „Am Anfang der TAVI-Entwicklung war vermutet worden, dass es bei Klappenimplantationen im Vergleich zur Operation zu höheren Schlaganfallraten kommt“, berichtete Eggebrecht. Das habe sich auch nach den Daten aus der CoreValve® US Pivotal Trial – High Risk Study „komplett gedreht“. Die Schlaganfallrate liegt laut AQUA-Register beim operativen Aortenklappenersatz bei 1,1% und bei TAVI bei 1,4%.
Eggebrecht verwies jedoch noch einmal darauf, dass die Patientenpopulationen aufgrund des durchschnittlichen Alters und des Erkrankungsgrads kaum zu vergleichen seien: „Extrapoliert könnte man sagen, dass wahrscheinlich das Schlaganfallrisiko gleich ist zwischen diesen beiden Verfahren.“ Besonders beeindruckend sei die Entwicklung der Sterblichkeitsraten im Krankenhaus nach TAVI. Sie sei „mehr als halbiert worden“. Die Mortalitätsrate ging von 10,4% in 2008 auf 4,2% in 2014 zurück. Im selben Zeitraum verringerte sich beim chirurgischen Aortenklappenersatz die vergleichsweise schon niedrige Mortalitätsrate nur noch leicht von 3,5% auf 2,7%.
Die Sterblichkeitsrate im Krankenhaus nach TAVI hat sich in den letzten Jahren besonders günstig entwickelt: Sie ging von 10,4% in 2008 auf 4,2% in 2014 zurück. Die Sterblichkeitsrate beim chirurgischen Aortenklappenersatz (sAVR) sank in diesem Zeitraum nur noch leicht von 3,5% auf 2,7%.
REFERENZEN:
© 2016 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Isolierte Aortenklappenstenose: Bei älteren Patienten ist die TAVI inzwischen der Standard - Medscape - 8. Apr 2016.
Kommentar