Schlechte Zeiten für die sprechende Medizin? Ja, finden 3 Fachgesellschaften für internistische Medizin. In einem gemeinsamen Positionspapier beklagen sie, dass in deutschen Krankenhäusern immer mehr internistische Betten abgebaut werden, weil sie zu wenig Geld einbringen [1].
„Insbesondere spezialisierte Einrichtungen für Diabetes, Hormon- und Stoffwechselkrankheiten fallen dem Rotstift zum Opfer – zum Schaden der Patienten“, heißt es in dem gemeinsamen Papier der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) [1]. Mit den Betten fehle dann zum Beispiel auch das Geld, Schulungsmaßnahmen oder Gespräche mit Diabetes-Patienten zu finanzieren.
Parallel zum Bettenabbau nehmen aber die chronischen Erkrankungen in der alternden Gesellschaft zu, besonders die Typ-2-Diabetes-Erkrankungen, heißt es. „Das Problem ist dann, dass sich etwa die Diabetologie bald nicht mehr lohnt“, meint Barbara Bitzer, Referentin für Gesundheitspolitik bei der DDG.
Minus 5.000 internistische Betten in sieben Jahren
Tatsächlich nehmen die Betten ab, wie eine Recherche von Medscape Deutschland ergab: In Niedersachsens Krankenhäusern sind zwischen 2011 und 2015 allerdings nur 71 internistische Betten abgebaut worden, so die Auskunft des Niedersächsischen Sozialministeriums (2011: 13.295 Betten, 2015: 13.224 Betten). Zwischenzeitlich lag die Zahl bei minus 80 Betten.
Einzelne Häuser, die die Fachgesellschaften quasi als schlechte Beispiele anführen, haben aber nicht unbedingt Betten abgebaut, sondern Abteilungen zusammengelegt. So geschehen zum Beispiel in den Asklepios-Krankenhäusern in Hamburg: „Bei der Zusammenlegung ist die Zahl der Betten gleich geblieben, aber ein Chefarzt ist gegangen", sagt Asklepios-Sprecher Franz Jürgen Schell zu Medscape Deutschland.
Bundesweit sank die Zahl der Betten für Patienten der Inneren Medizin indessen von 171.000 im Jahr 2005 auf 152.000 im Jahr 2012, berichtet der Sprecher der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG), Joachim Odenbach. „Allerdings wurden 2005 noch die geriatrischen Betten in der Summe mitgezählt. 2012 wurden die zusammen 13.500 geriatrischen Betten heraus gerechnet." So kommt man auf einen bundesweiten Bettenabbau von 5.500 internistischen Betten im Laufe von 7 Jahren.
Internistische Patienten bringen weniger Geld
Dass oft nur zusammengelegt wurde, beruhigt die Kritiker aber nicht. „Abteilungen, die in den DRGs gut abgebildet sind und dadurch auch mehr oder weniger profitabel geführt werden können, werden eben immer größer", erläutert Prof. Dr. Baptist Gallwitz, Präsident der DDG, gegenüber Medscape Deutschland. „Das betrifft die Abteilungen für Kardiologie und zum Teil die Abteilungen für Onkologie."

Prof. Dr. Baptist Gallwitz
Anders sieht es bei den internistischen Betten aus. Die Kliniken machten hier mit den häufig multimorbiden Patienten nicht ausreichend Gewinne, so die Fachgesellschaften. Denn zum Beispiel Diabetes-Patienten brauchen konsiliarische Arbeit, Gespräche und Schulungsmaßnahmen, sagt Gallwitz – „Leistungen, für die Kliniken praktisch kein Geld erhalten.“
„Königsweg“ höhere Vergütung der DRGs?
Als Königsweg, die Krankenhäuser zu mehr oder gleichbleibend vielen internistischen Betten zu bewegen, sieht Gallwitz einzig eine höhere Vergütung über die DRGs. Sie sind über das so genannte „Vorschlagsverfahren" beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zu erreichen. Durch das Verfahren bestehe „auch für Fachgesellschaften die Möglichkeit, Vorschläge zur Weiterentwicklung des G-DRG-Systems einzubringen", wie das InEK Medscape Deutschland bestätigt. Allerdings – dazu braucht es Zahlen.
Das gilt umso mehr, als dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft das Problem keineswegs als gravierend ansieht. „Wir können in den Zahlen keine Besorgnis erregende Entwicklung erkennen", sagt DKG-Sprecher Odenbach zu Medscape Deutschland. „Solche Veränderungen können sich auch durch Umwidmungen der Betten ergeben haben oder im Zusammenhang mit dem Gesamt-Bettenabbau stehen."
Nach Angaben der DKG schließen jährlich rund 20 Krankenhäuser im Land. Die Folge: „1990 gab es in Deutschland noch 685.976 Krankenhausbetten, im Jahr 2000 waren es 559.651 und im Jahr 2012 genau 501.465 Betten", teilt die DKG mit.
Diabetologen prüfen Klinikdaten
Um an belastbare Daten zu kommen, prüft die DDG derzeit mit rund 25 Krankenhäusern deutschlandweit, wie die Versorgungsrealität bei den Patienten mit Diabetes aussieht. „Die Häuser stellen uns ihre Daten freiwillig zur Verfügung", sagt Gallwitz.
Markus Rathmayer von der Dr. Wilke GmbH begleitet für die DDG das Projekt. Er erläutert: „Die Krankenhäuser liefern die Kostendaten, die sie für die Diabetesbehandlung erheben." Dabei stellte Rathmayer fest, dass die Kliniken den Aufwand für die diabetologischen Behandlungen in ihrem Haus nicht korrekt mitteilen, entsprechend unkorrekt sei die Vergütung, die das InEK errechnet. Nach den ersten Analysen habe das InEK jetzt neu berechnet.
„Die Fälle mit Diabetes mellitus und multimodaler Komplexbehandlung im Alter von 16 bis 17 Jahren (bisher nur bis 15 Jahre) finden ab 2016 erstmals Berücksichtigung", erklärt Bitzer von der DDG. Die Versorgung der Jugendlichen werde damit jetzt besser vergütet. „Die Komplexbehandlung von Kindern, die jünger als sechs Jahre sind, wurde ebenfalls aufgewertet."
„Wir wollen mit den Analysen die Versorgungsrealität widerspiegeln", betont Gallwitz. „So werden auch die beratenden Konsiliardienste der Internisten bei anderen Fachkollegen im Krankenhaus immer noch nur bruchstückhaft abgebildet." Die Analyse der Codierungen soll also fortgesetzt werden.
Dass allerdings die internistische Versorgung vollends ins Hintertreffen gerät, dürfte nicht zu befürchten stehen. Gallwitz: „Über 50 Prozent der Krankenhauspatienten werden immer noch internistisch behandelt."
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Diesen Artikel so zitieren: Rationalisieren deutsche Krankenhäuser die Innere Medizin weg? Fachgesellschaften beklagen Abbau internistischer Betten - Medscape - 6. Apr 2016.
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