PARTNER 2: TAVI beeindruckt auch bei Patienten mit schwerer Aortenstenose und mittlerem OP-Risiko

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

5. April 2016

Chicago – Auch bei der Behandlung von Patienten mit symptomatischer schwerer Aortenstenose und einem mittlerem Operationsrisiko ist die Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) dem operativen Verfahren ebenbürtig und schneidet bei transfemoralem Zugangsweg hinsichtlich Mortalitäts- und Schlaganfallrate sogar besser ab. So lauten die 2-Jahres-Ergebnisse der 2. Placement of Aortic Transcatheter Valves-Studie (PARTNER 2), die auf den Scientific Sessions 2016 des American College of Cardiology (ACC) präsentiert und gleichzeitig im New England Journal of Medicine publiziert worden sind [1;2].

Dr. Craig Smith

In der Analyse von mehr als 2.000 Patienten habe sich herausgestellt, dass TAVI der operativen Methode nicht unterlegen sei, konstatierte Studienautor Dr. Craig Smith von der Columbia University, New York, USA, während der Late Breaking Clinical Trials Session auf der ACC-Tagung. Der primäre kombinierte Endpunkt (Tod oder Schlaganfall, der zu Behinderungen führt) war nach 2 Jahren bei 19,3% der TAVI-Patienten und 21,1% der Patienten, die ihre Herzklappe per Operation eingesetzt bekommen hatten, aufgetreten.

Bei Patienten, die die Klappe interventionell über einen transfemoralen Zugang bekommen hatten, war die Mortalitäts- und Schlaganfallrate sogar signifikant niedriger als bei denjenigen, die operiert wurden (16,8 vs 20,4%; p = 0,05). Zudem hatten die TAVI-Patienten im Schnitt insgesamt kürzere Klinikaufenthalte und weniger Blutungskomplikationen als die operativ behandelten Patienten.

„In den letzten fünf Jahren haben sowohl die Zahl als auch die Akzeptanz der TAVI kontinuierlich zugenommen – vor allem durch die Evidenz aus zahlreichen randomisierten kontrollierten Studien, in die bisher jedoch immer nur Patienten mit hohem OP-Risiko eingeschlossen wurden“, erklärte Studienleiter Prof. Dr. Martin Leon, Leiter des Zentrums für Interventionelle Vaskuläre Therapie am Columbia University Medical Center in New York. „Wir zeigen hier ähnliche Ergebnisse beider Methoden hinsichtlich Tod und Schlaganfall auch für Patienten mit mittlerem OP-Risiko. Es könnte sogar sein, dass die TAVI mit transfemoralem Zugang dem operativen Eingriff überlegen ist.“

2014 erstmals mehr TAVI als Herz-OPs in Deutschland

Bei schwerer symptomatischer Aortenklappenstenose kann bekanntlich eine neue Aortenklappe entweder in einer offenen Operation oder mittels der TAVI-Methode, das heißt, in zusammengefaltetem Zustand und bei schlagendem Herzen mittels Herzkatheter (transfemoral oder transapikal) in die linke Herzkammer gebracht und dort entfaltet werden. Aktuell gilt die minimalinvasive Methode jedoch nur für Hochrisikopatienten als indiziert, die für eine konventionelle Operation nicht in Frage kommen.

 
In den letzten fünf Jahren haben sowohl die Zahl als auch die Akzeptanz der TAVI kontinuierlich zugenommen. Prof. Dr. Martin Leon
 

Neue Zahlen zeigen aber, dass die interventionelle Methode auch in Deutschland auf dem Vormarsch ist – 2014 wurden laut deutschem Herzbericht erstmals mehr TAVI als chirurgische Eingriffe bei Klappenersatz vorgenommen, wie Medscape Deutschland berichtete. Aktuell wird eine Indikationserweiterung auf Patienten mit intermediärem Operationsrisiko diskutiert.

Mortalitäts- und Schlaganfallraten gleich

Die Nicht-Unterlegenheitsstudie PARTNER 2 sollte durch einen Vergleich der Mortalitäts- und Schlaganfallraten (primärer Endpunkt) zeigen, wie dieses minimalinvasive Verfahren bei Patienten mit schweren Aortenstenosen und mittlerem Risiko abschneidet. Das Forscherteam unternahm in 57 Zentren (fast ausschließlich in den USA) einen Head-to-Head-Vergleich der beiden Verfahren bei insgesamt 2.032 Patienten (Durchschnittsalter: 81 Jahre) mit schwerer Aortenstenose und einem mittlerem OP-Risiko nach Society of Thoracic Surgeons (STS)-Score.

Zwischen Dezember 2011 und November 2013 wurden 1.011 Patienten zur TAVI (Edwards-SAPIEN®-System) und 1.021 zum Klappenersatz in einer offenen Operation randomisiert und 2 Jahre lang nachverfolgt. 76% der Patienten in der TAVI-Gruppe erhielten die Klappe über einen transfemoralen Zugang, die übrigen 24% bekamen den Aortenklappenersatz transapikal über einen kleinen Schnitt im Bereich der Herzspitze. Insgesamt starben 18 Patienten während des Eingriffs oder bis zu 3 Tage danach (10 in der TAVI-, 8 in der OP-Gruppe). Bei 28 Patienten wurde der jeweilige Eingriff zwar begonnen, die Klappe jedoch aus unterschiedlichen Gründen nicht eingesetzt.

In der 2-Jahres-Analyse betrug die Hazard Ratio für den primären Endpunkt in der TAVI-Gruppe vs OP 0,92; p = 0,001 (Intention-to-treat-Analyse) bzw. 0,90; p < 0,001 (Analyse der tatsächlich behandelten Patienten). „Die Risk Ratio erfüllte die Kriterien für Nicht-Unterlegenheit“, schreiben Leon und Kollegen im New England Journal of Medicine. Auch die individuellen Komponenten des primären Endpunkts waren in beiden Gruppen gleich.

 
Es könnte sogar sein, dass die TAVI mit transfemoralem Zugang dem operativen Eingriff überlegen ist. Prof. Dr. Martin Leon
 

Hinsichtlich der Kriterien des sekundären Endpunkts waren teilweise TAVI-Patienten, bei bestimmten Kriterien jedoch auch die Patienten mit chirurgischem Klappenersatz im Vorteil: So verbrachten die TAVI-Patienten nach dem Eingriff insgesamt weniger Zeit im Krankenhaus (6 vs 9 Tage) und nur 2 Tage auf der Intensivstation, im Vergleich zu 4 Tagen nach dem chirurgischen Eingriff. Bei Patienten in der TAVI-Gruppe traten innerhalb von 2 Jahren weniger Fälle akuter Nierenerkrankungen (1,3 vs 3,1%), schwere inklusiver lebensbedrohlicher Blutungskomplikationen (10,4 vs 43,4%) und erstmaligen Vorhofflimmerns (9,1 vs 26,4%) auf.

Die Patienten in der Operationsgruppe hatten andererseits weniger schwere vaskuläre Komplikationen (7,9 vs 5,0%) und paravalvuläre Lecks als die TAVI-Patienten. Nach 30 Tagen hatten 22,5% der TAVI-Patienten leichte, 3,7% moderate und schwere paravalvuläre Regurgitationen. Dafür zeigte der Klappenbereich nach der TAVI echokardiografischen Messungen zufolge markantere Verbesserungen als nach der Operation.

„Im Follow-up von zwei Jahren war genug Zeit, um die relative Leistung der beiden Klappenersatz-Techniken genau zu überprüfen“, bemerkte Leon. Er vermutet, dass die Ergebnisse künftige klinische Leitlinien zur TAVI beeinflussen könnten. „Wir wissen, dass das operative Verfahren gut ist. Da es sich jedoch um einen großen Eingriff handelt, wäre eine weniger invasive Methode sicherlich für viele Patienten die geeignetere Alternative.“

 
Es ist wichtig anzumerken, dass sich diese Studie immer noch auf eine Hochrisiko-Gruppe von Patienten bezieht. Dr. Neil Moat
 

Smith wies in der Pressekonferenz zur Präsentation der Studie in Chicago darauf hin, dass der in PARTNER 2 verwendete SAPIENT XT-Katheter inzwischen durch das Folgemodell SAPIENT 3 ersetzt wurde, den die Studiengruppe nun ebenfalls mit dem operativen Verfahren vergleicht. Diese neuen Systeme, schreibt Dr. Neil Moat vom Royal Brompton Hospital in London, UK, in einem Editorial zu der Studienpublikation im New England Journal of Medicine, haben das Auftreten von schweren paravalvulären Lecks „signifikant reduziert“ [3].

Risiko der Studienpatienten immer noch hoch

Moat stimmt den Autoren zu, die ihr Patientenkollektiv, obwohl laut STS-Score in die intermediäre Risikogruppe eingestuft, ins „höchste Risiko-Fünftel“ aller Patienten mit schweren symptomatischen Aortenstenosen einordnen: „Es ist wichtig anzumerken, dass sich diese Studie immer noch auf eine Hochrisiko-Gruppe von Patienten bezieht“, schreibt Moat.

Gleichzeit argumentiert er zugunsten der interventionellen Methode: „Aus den 3 großen Studien, die bis dato mit Patienten mit hohem (intermediärem) und sehr hohem Risiko durchgeführt und publiziert worden sind, erhalten wir die übereinstimmende Botschaft, dass der Transkatheter-Aortenklappenersatz der operativen Methode hinsichtlich früher und mittelfristiger Mortalität nicht unterlegen ist – und, dass das Verfahren wahrscheinlich sogar besser als die operative Methode abschneidet, wenn der Patient hinsichtlich seiner vaskulären Anatomie für einen transfemoralen Zugang in Frage kommt“, so Moat.

In seinem Editorial erwähnt er auch die Rentabilität der TAVI-Methode, die sich in vorherigen Studien gezeigt habe. „Es ist unklar, ob sich das für Niedrigrisiko-Patienten – für die die Kosten für eine konventionelle Operation wesentlich niedriger sind – halten lässt, es sei denn, der Preis für das Verfahren fällt substantiell“, schreibt Moat. 

Der Unterschied zwischen transfemoraler TAVI und chirurgischem Eingriff erreichte in der Studie knapp statistische Signifikanz  – daher wurde viel darüber diskutiert, ob man von einer Überlegenheit der TAVI-Methode mit transfemoralem Zugang sprechen könne. „Es handelt sich jedoch um 76 Prozent des Patientenkollektivs und der Unterschied war zumindest an der Schwelle der Signifikanz”, betonte Smith auf dem ACC-Kongress.

Dr. Valentin Fuster, Mount Sinai Heart, New York, USA, der die Pressekonferenz zur Präsentation der PARTNER 2-Studie auf dem ACC in Chicago moderierte, bezeichnete die Ergebnisse als „unglaublich“ und „fantastisch“, stellte jedoch die hohe Blutungsrate in der Operationsgruppe in Frage. Diese sei fast ausschließlich durch die Tatsache begründet, dass Transfusionen Teil des Endpunkts waren, antwortete Studienautor Smith.   

Die PARTNER-2-Studie wurde von Edwards LifeSciences finanziert.

 

REFERENZEN:

1. 65. American College of Cardiology Scientific Sessions 2016, 2. bis 4. April 2016, Chicago/USA
   
2. Leon MB, et al: NEJM (online) 2. April 2016

3. Moat NE, et al: NEJM (online) 2. April 2016

 

Kommentar

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