Mannheim – Sport ist einerseits etabliert in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kann sich andererseits jedoch für Menschen mit einer bereits bestehenden Herzerkrankung fatal auswirken. Um kardialen Komplikationen vorzubeugen, sei ein kardiologischer Check-up für Leistungssportler unabdingbar und sogar für Freizeitsportler sinnvoll, bevor sie mit der sportlichen Tätigkeit beginnen, rieten Kardiologen auf der 82. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Mannheim [1].
Sportlerherzen: An der Grenze der Belastbarkeit
Statistisch gesehen erhöht Wettkampfsport – wie etwa Fußball – das Risiko eines plötzlichen Herztodes um den Faktor 2,8, da extreme körperliche Belastung einen Trigger für gefährliche Herzrhythmusstörungen bei Menschen mit verborgenen kardiovaskulären Erkrankungen darstellt, so das Sudden Cardiac Death-Register an der Universität des Saarlandes, dass plötzliche Herztode bei Sportlern erfasst und untersucht. Besondere Aufmerksamkeit ziehen solche Todesfälle auf sich, wenn es sich um Leistungssportler handelt. So starben mehrere prominente Fußballspieler am plötzlichen Herztod beispielsweise Spaniens Nationalspieler Antonio Puerta und die Profispieler David Oniya aus Nigeria, Gregory Mertens und Tim Nicot aus Belgien an plötzlichem Herztod.

Prof. Dr. Brenda Gerull
Besonders Spitzensportler belasten ihr Herz oft übermäßig stark, was meist nur ein gesundes Herz unbeschadet übersteht. Besteht hingegen eine kardiologische Vorerkrankung, etwa eine angeborene Kardiomyopathie, kann es auch bei jungen Sportlern zu gefährlichen kardiologischen Komplikationen kommen.

Prof. Dr. Martin Borggrefe
„Sport kann eine solche Erkrankung verschlimmern“, warnte Prof. Dr. Brenda Gerull, Genetikerin und Kardiologin am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz (DZHI) am Universitätsklinikum Würzburg, die unter anderem zur Genetik der Herzerkrankungen forscht. Um Herzfehler oder eine Herzinsuffizienz rechtzeitig zu erkennen und dem plötzlichen Herztod vorzubeugen, seien für Spitzensportler – wie Triathleten, Marathonläufer, Radsportler oder Schwimmer – genau wie für Mannschaftssportler regelmäßige kardiologische Untersuchungen unabdingbar, erklärte Gerull auf einer Pressekonferenz des DZHI im Rahmen der DGK-Tagung. Dort diskutierten Sportler, Genetiker und Kardiologen zu sportlichen Belastungen unter Herzinsuffizienz [2].
Leistungssportler: Echokardiographie empfohlen
Wichtig sei nicht nur ein Belastungs-EKG, sondern auch eine Echokardiographie, um Anomalien in den Koronargefäßen oder Herzklappenerkrankungen erkennen zu können. Bei Profi- und Kadersportlern ist eine jährliche Sporttauglichkeitsuntersuchung vorgeschrieben und auch in der Handball-Bundesliga seit 2 Jahren verpflichtend. Jedoch sei bei diesen Untersuchungen nicht zwangsläufig ein Kardiologe involviert, erklärte Prof. Dr. Martin Borggrefe vom Universitätsklinikum Mannheim, der Sportverbände zu kardiologischen Risiken von Leistungssportlern berät.

Prof. Dr. Thomas Meinertz
„Jeder Leistungssportler sollte sich schon ab einem Alter von zehn bis zwölf Jahren regelmäßig vom Kardiologen untersuchen lassen“, forderte Prof. Dr. Thomas Meinertz, Kardiologe am Klinikum Stephansplatz in Hamburg und Vorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Jedoch lehnen viele internationale Verbände die Finanzierung einer echokardiographischen Untersuchung der Sportler ab, bedauerte Borggrefe. Sportmedizinische Untersuchungen in sportmedizinischen Instituten, in denen Athleten oft gescreent werden, „weisen nicht die Qualität eines Check-ups beim Kardiologen auf“, monierte Meinertz.

Prof. Dr. Jürgen Scharhag
Herzultraschall auch für Freizeitsportler
Noch einen Schritt weiter geht Prof. Dr. Jürgen Scharhag vom Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes in Saarbrücken: Er rät auch Breitensportlern zu einem kardiologischen Check-Up, bevor sie mit dem Sport anfangen. „Besonders Wiedereinsteiger überschätzen sich oft und belasten sich zu stark – ein Check-up ist daher in jedem Fall sinnvoll, um Risiken abzuklären.“ Im Register zum plötzlichen Herztod der Uni Saarbrücken sind bis dato 245 Todesfälle von Leistungs- und Breitensportlern verzeichnet; die meisten davon in den Sportarten Fußball, Laufen und Tennis. Das liege jedoch nicht an dem hohen kardialen Risiko dieser Sportarten, sondern an der großen Zahl der Freizeitfußballer und Hobbyläufer.
„Die meisten Betroffenen sind 20 bis 30 oder 50 bis 60 Jahre alt“, sagte Scharhag, „99% sind Breitensportler.“ Bei einem Drittel sei die Ursache des plötzlichen Herztods unbekannt; bei den 20- bis 30-Jährigen gelten Myokarditis und Kardiomyopathien, bei über 35-Jährigen die koronare Herzkrankheit (KHK) als häufige Ursachen. Weitere Ursachen sind angeborene Anomalien der Koronararterien, vererbte Erkrankungen von Ionenkanälen am Herzen, die Herzrhythmusstörungen auslösen können, und Herzklappenerkrankungen.
Die Frage sei, wie man möglichen und bisweilen sogar fatalen Folgekomplikationen vorbeugen könne. Neben einem Ruhe-EKG solle nach Möglichkeit auch eine Echokardiographie gemacht werden. Die rund 60 Euro teure Untersuchung müssen Sportler ohne Vorerkrankungen oder Symptome selbst zahlen, bemerkte Scharhag. Bei älteren Sportlern über 35 Jahren sei außerdem ein Belastungs-EKG sinnvoll.
Die gezielte Suche nach kardiologischen Vorerkrankungen lohne in jedem Fall, wie Daten aus Italien zeigen: Durch die gesetzliche Einführung einer Sporttauglichkeitsuntersuchung für Leistungssportler konnte die Inzidenz des plötzlichen Herztods durch Sport von 3,6 auf 0,4 pro 100.000 Personenjahre reduziert werden. Seit 2005 empfiehlt die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zumindest ein Ruhe-EKG für Wettkampfsportler.
Genmutationen indizieren Kardiomyopathien
Wichtig sei neben den technischen Untersuchungen auch eine Familienanamnese, die auf Risiken wie Vorhofflimmern oder genetische Veranlagungen für Kardiomyopathien hindeuten könne, erklärte Gerull. Bei einer familiären Vorbelastung seien heute bereits gezielte Gentests möglich, die etwa auf angeborene Herzwandverdickungen hinweisen. Eine solche wurde auch bei dem Ex-Fußball-Nationalspieler Gerald Asamoah nach einem Zusammenbruch während eines Spiels festgestellt. Anschließend wollte ihm kein Kardiologe mehr Sporttauglichkeit attestieren. Asamoah spielte trotzdem weiter – auf eigenes Risiko.
Im Gegensatz dazu hängte der 2-fache Ironman-Gewinner Normann Stadler den Triathlon-Leistungssport nach einem Aortenaneurysma 2011 komplett an den Nagel und betreibt seither „nur noch“ Breitensport. „Das zeigt: Sport und Herzerkrankung schließen sich nicht aus, aber vom Leistungssport rate ich Patienten mit Herzerkrankung aufgrund der erheblichen Belastungen fürs Herz generell ab“, sagte Gerull.
Wichtig zu wissen sei, dass eine kardiovaskuläre Erkrankung, für die eine genetische Disposition bestehe, nicht zwangsläufig auftreten müsse. „Es gibt auch 80-Jährige, die Genträger, aber völlig gesund sind. Durch den Leistungssport kann sich eine Komplikation aber schon in sehr jungen Jahren entwickeln“, erklärte sie. Dies war auch bei Triathlet Stadler der Fall: Bei seiner Mutter trat ein Aneurysma an der gleichen Stelle erst im Alter von 67 Jahren auf.
Noch unklar: Einfluss von Umweltfaktoren auf eine genetische Prädisposition
Angeborene Kardiomyopathien, zu denen Gerull seit Anfang 2016 am DZHI forscht, wurden bisher wenig untersucht. „Manche Formen treten nur bei einem von 10.000 Menschen auf, andere, wie die angeborene Herzwandverdickung von Fußballer Asamoah, bei einem von 500“, so Gerull. Ursache seien Genmutationen. „Aktuell versuchen wir zu ergründen, wie der Gendefekt zu einer Verdickung des Herzmuskels führen kann“, sagte die Genetikerin und Kardiologin aus Kanada, die im Universitätsklinikum Würzburg eine Spezialambulanz für familiär bedingte Herzerkrankungen einrichten will.
„Noch ist sehr wenig darüber bekannt, was die Mutationen, die sich dann als solche Erkrankungen äußern, tatsächlich auf der Ebene von Molekülen, Zellen, Geweben und Organen auslösen“, so Gerull. Unklar sei auch der Einfluss von Umweltfaktoren auf die genetische Prädisposition. Sie will zudem „die unterschiedlichen Verlaufsformen der Kardiomyopathien ergründen und auch, wie sich daraus Strategien zur Prävention, Diagnose und Therapie dieser Herzerkrankungen entwickeln lassen.“
Warnsignal Bewusstlosigkeit
Auch bestimmte Symptome können bei Sportlern auf ein erhöhtes kardiales Risiko hindeuten. „Eine kurze Bewusstlosigkeit beim Sport ist ein absolutes Warnsignal“, das auf belastungsinduzierte Rhythmusstörungen hindeuten könne, betonte Borggrefe. „Diese können sich durch Sport verschlimmern“, warnt er. Jedoch versuchen Leistungssportler, insbesondere im Mannschaftssport, solche kurzen Bewusstlosigkeiten oder auch Infekte, die zu einer Herzmuskelentzündung führen können, häufig zu verdecken. „Die Auswirkungen eines Infekts werden oft unterschätzt – zudem besteht ein großer Druck, gerade im Mannschaftssport, im Team bleiben zu müssen, sodass viele Sportler trotz Infekte ihr Spiel absolvieren“, erklärte Borggrefe.
Um kardialen Komplikation von Sportlern wie dem plötzlichen Herztod in Deutschland besser vorbeugen zu können – und auch um die sportliche Belastbarkeit von Herzpatienten, die Reha-Sport betreiben wollen, besser einschätzen zu können, entwickelt die DGK zurzeit in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) ein Curriculum für die Zusatzqualifikation „Sportkardiologie“.
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Diesen Artikel so zitieren: Risiko plötzlicher Herztod: Welche kardiologischen Check-ups für Fußballer und andere Sportler sinnvoll sind - Medscape - 4. Apr 2016.
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