Meinung

Amerikanischer Kardiologenkongress 2016: John Mandrola gibt einen Überblick zu den wichtigsten Vorträgen

John M. Mandrola, MD

Interessenkonflikte

4. April 2016

John M. Mandrola

In dem etwas bombastisch erscheinenden Video zum 2016er ACC-Kongress in Chicago (American College of Cardiology 2016 Scientific Sessions) heißt es, dort würden „Innovationen auf den Weg gebracht, Verbindungen geknüpft, Veränderungen angeschoben, Patientenversorgungen verbessert und gewohnte Denkmuster über Bord geworfen“.

Ich hoffe inständig, dass dem auch so ist. Die Kardiologie braucht unbedingt neuen Schwung. Gebt mir irgendwelche guten Neuigkeiten, etwas, das mehr ist als eine 1%ige Risikoverringerung bei einem gemischten primären Endpunkt oder ein neues Verfahren zur Ermittlung einer Indikation.

Ich wünsche mir auch eine Trendumkehr bei den Teilnehmerzahlen. Solche Kongresse sind äußerst wichtig; weniger, was die Vorträge betrifft, als vielmehr, was den persönlichen Austausch mit den Kollegen und die Steigerung der allgemeinen Moral angeht.

Da das Treffen an einem Wochenende stattfindet, können viele Teilnehmer das Fehlen am Arbeitsplatz auf ein Minimum reduzieren. Und seien wir doch mal ehrlich: Die kardiologische Versorgung in Unikliniken läuft einfach besser, wenn die Professoren auf Kongressen sind.

Die Show beginnt am Samstag, den 2.4. Im letzten Jahr inspirierte uns Dr. Abraham Verghese mit seinem Appell, wieder den Menschen auf der Untersuchungsliege in den Mittelpunkt zu rücken. Im diesjährigen Simon-Dack-Lecture, der dem ersten Herausgeber des Journals of the American College of Cardiology gewidmet ist, wird uns der Experte für öffentliche Gesundheit Dr. David Nash von der Thomas Jefferson University einiges über die Versorgung vor Ort erzählen. Mich interessiert, wie sich aus seiner Sicht das gewinnorientierte Gesundheitssystem mit der Aufgabe, die Menschen zu heilen, in Einklang bringen lässt. Was die Rolle der Krankenhausärzte für die öffentliche Gesundheit angeht, bin ich skeptisch, aber ich verspreche, aufmerksam zuzuhören.

Mir fielen noch zwei weitere Hauptvorträge auf. Zunächst den James-T-Dove-Lecture zu Ehren des früheren Präsidenten des American College of Cardiology, in dem der Präsident und Geschäftsführer des Center for Healthcare Quality and Payment Reform Harold Miller über den Übergang von der Quantität zur Qualität referiert, worauf ich sehr neugierig bin. Ich halte nichts von noch mehr Geld für noch mehr Methoden. Der neue FDA-Vorsitzende Dr. Robert Califf hält den Eugene-Braunwald-Vortrag mit dem Titel „Evidenz und Praxis in der Kardiologie“. Dr. Califf ist ein hervorragender Redner und die aktuelle Umsetzung von Evidenzien in die tägliche Praxis bedarf einer deutlichen Verbesserung. Bin gespannt, ob Dr. Califf auch auf die Bereiche „Datenaustausch“ und „Wissenschaftsschmarotzer“ eingehen wird.

Der ACC-Kongress hatte seinen Schwerpunkt immer auf der ärztlichen Seite und bei den klinischen Studien. In diesem Jahr gibt es 5 Themenbereiche mit aktuellen Studien.

Die erste dieser Art wird gleich nach der Einführung vorgestellt. Da die Organisatoren wissen, dass der Saal voll sein wird, haben sie Themen direkt an den Anfang gesetzt, die zwei der zentralen Fragen in der aktuellen Kardiologie berühren, nämlich die Klappenerkrankungen und die medikamentöse Prävention von Herzkrankheiten.

Dr. Martin Leon (Columbia) stellt Ergebnisse aus der PARTNER-II-Studie vor (Placement of AoRtic TraNscathetER Valve), bei der die TAVR (Transcatheter Aortic-Valve Repair) mit einem herzchirurgischen Eingriff bei Mittelrisikopatienten mit Aortenstenose verglichen wird. Die nächste Grenze der strukturellen Kardiologie ist ja der TAVR-Einsatz bei Patienten unterhalb der chirurgischen Hochrisikogruppe. Die vorläufigen Evidenzien zur TAVR bei Niedrigrisikopatienten waren jedenfalls gut [2]. Dass der Vortrag von Dr. Leon auf die Plenumveranstaltungen folgt, verheißt jedenfalls Gutes für die Ergebnisse.

Dr. Salim Yusuf und seine Mitarbeiter von der McMasters University stellen Ergebnisse aus ihrer HOPE-3-Studie vor (Heart Outcomes Prevention Evaluation), die von AstraZeneca finanziert wird [3]. In einer Pressemitteilung von 2007 sagte Dr. Yusuf, das Ziel sei die Prüfung der Frage, „ob sich die Entwicklung einer KHK bei den meisten Menschen abbremsen oder sogar umkehren lässt“. In der HOPE-3-Studie erhalten Männer und Frauen mittleren Alters ohne Indikation zufällig Rosuvastatin 10 mg, Candesartan/Hydrochlorothiazide 16/12,5 mg oder Placebo in einem 2x2-faktoriellen Design. Das Follow-up erfolgt nach über 5 Jahren und die primären Endpunkte sind gemischt. Um ehrlich zu sein, beunruhigt mich das etwas. Die Verabreichung von Medikamenten an Gesunde mit anschließender Bestimmung komplexer Surrogat-Marker schafft die Voraussetzungen für positive Studienergebnisse – und für eine weitere Medikalisierung unseres Lebens. Vielleicht werde ich aber auch überrascht. Immer offen bleiben, John.

Kommentar

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