Wer den Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad zurücklegt, zu Fuß geht oder den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nutzt, hat einen geringeren Körperfettanteil und Body-Mass-Index (BMI) als Pendler, die mit dem Auto fahren – das legen die Ergebnisse einer Studie in Lancet Diabetes & Endocrinology nahe [1].
Studienleiterin Dr. Ellen Flint, Dozentin für öffentliche Gesundheit an der London School of Hygiene & Tropical Medicine und ihr Kollege Dr. Steven Cummins haben die Daten von über 150.000 Personen aus dem UK Biobank Data Set ausgewertet. Dabei handelt es sich um eine große Beobachtungsstudie von 500.000 Individuen im Alter zwischen 40 und 69 Jahren in Großbritannien.
Die stärksten Assoziationen fanden Flint und ihr Kollege bei den Erwachsenen, die mit dem Rad pendelten – verglichen mit denen, die das mit dem Auto taten. Für den durchschnittlichen Mann in der Kohorte (Alter 53 Jahre, Größe 176,7 cm, Gewicht 85,9 kg) war das Radfahren zur Arbeit mit einer Gewichtsdifferenz von bis zu 5 kg assoziiert (BMI-Differenz 1,71 kg/m²). Für die durchschnittliche Frau in der Auswahl (Alter 52 Jahre, Größe 163,6 cm, Gewicht 70,6 kg) lag die Gewichtsdifferenz bei bis zu 4,4 kg (BMI-Differenz 1,65 kg/m²). Die Studie ist die bislang größte, die den möglichen gesundheitlichen Benefit des aktiven Pendelns im Verkehr analysiert hat.
„Es handelt sich um eine interessante und methodisch hochwertig durchgeführte Querschnittstudie. Sie liefert einen weiteren Hinweis, dass körperliche Aktivität im Alltag sinnvoll und hilfreich ist angesichts unserer Neigung zu zunehmendem Körpergewicht und entsprechenden Folgeerkrankungen“, kommentiert Prof. Dr. Erika Baum, Leiterin der Abteilung Allgemeinmedizin, Prävention und Rehabilitation an der Universität Marburg, im Gespräch mit Medscape Deutschland.
Auch beiläufige Bewegung bei der ÖPNV-Nutzung könnte wichtig sein
Etwas weniger günstig in punkto BMI und Körperfett als das Radfahren war das Laufen – jeweils im Vergleich zum Autofahren (BMI-Differenz 0,98 kg/m² für Männer und 0,80 kg/m² für Frauen). Bei beidem – Radfahren und Laufen – waren weitere Distanzen mit einem größeren Unterschied des BMI und des Körperfettanteils assoziiert.
Aber auch diejenigen Pendler, die nur den ÖPNV nutzten, hatten verglichen mit den Autofahrern einen geringeren BMI (Differenz 0,70 kg/m² für Männer), das galt auch für die „Kombinierer“, die ÖPNV plus Fußmarsch oder Rad nutzten (BMI Differenz 1,00 kg/m² für Männer, 0,67 kg/m² für Frauen). Der Effekt des öffentlichen Nahverkehrs war dabei auch leicht größer als bei Pendlern, die die Autonutzung mit anderen aktiven Methoden kombinierten (BMI-Differenz 0,56 kg/m² für Männer).
„Wenn selbst die Erwachsenen, die mit dem ÖPNV zur Arbeit pendeln, im Vergleich mit denen, die Auto fahren, einen verringerten Körperfettanteil und geringeren BMI zeigen, legt dies nahe, dass selbst die beiläufige Bewegung, die infolge der ÖPNV-Nutzung entsteht, wichtig sein könnte“, schreibt Flint.
Die Verbindung zwischen aktivem Berufspendeln und BMI war unabhängig von anderen Faktoren wie Einkommen, Problemgebieten/Problemstadtteilen, ob die Pendler in der Stadt oder auf dem Land wohnten, Ausbildung, Alkoholaufnahme, Rauchen, allgemeine körperliche Aktivität und allgemeiner Gesundheit und Behinderung. Wie Flint hinzufügt, tendierten frühere Studien, die die Art des Pendelns und seine Auswirkung auf die Gesundheit untersucht hatten, dazu, Laufen und Radfahren nicht gesondert zu betrachten. Dies habe dazu geführt, dass die positiven Effekte des Radfahrens unterbewertet wurden.
Allgemeinmedizinerin Baum gibt allerdings zu bedenken, dass die gefundenen Assoziationen noch kein Beweis für Kausalität sind: „Die Kausalität könnte durchaus auch umgekehrt sein: Dünne Menschen nehmen eher das Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel als das Auto.“ Und Flint räumt ein: „Die Verwendung von Selbstauskünften über die Art des Pendelns ist eine Schwäche der Arbeit. Es besteht die Möglichkeit eines Bias und dies wirft Fragen zur Aussagekraft und Verlässlichkeit der Angaben auf.“
Könnte die Förderung des öffentlichen Personennahverkehrs Fettleibigkeit vorbeugen?
In einem Kommentar zur Studie schreibt Dr. Lars Bo Andersen vom Sogndal und Fjordane University College in Norwegen [2]: „Das Ergebnis, dass aktives Pendeln positive Effekte für die Gesundheit haben könnte, ist wichtig, denn das Pendeln zur Arbeit ist eine Aktivität, die jeden Tag anfällt und von einer Menge arbeitender Menschen täglich gemacht werden muss.“ Darin sieht Andersen eine Menge Potenzial. Denn Freizeitsport oder Freizeit, die mit körperlichen Aktivitäten verbracht werde, sei für viele Menschen nicht attraktiv.
Aktives Pendeln, so Andersen, könne deshalb für diese Menschen eine wichtige und einfache Möglichkeit sein, ihre körperliche Aktivität zu steigern. „Leichte Bewegung während des Pendelns bringt einen gesundheitlichen Benefit – selbst dann, wenn die Bewegungsintensität moderat ist und keinen erhöhten Puls oder gar Schwitzen verursacht“, schreibt Andersen.
Körperliche Inaktivität sei eine der führenden Ursachen für schlechte Gesundheit und frühzeitigen Tod, bilanziert Flint. „In England halten sich zwei Drittel der Erwachsenen nicht an die Empfehlungen zu regelmäßiger Bewegung und Sport. Den öffentlichen Personenverkehr und aktives Pendeln zu fördern. könnte – besonders für Menschen in der Lebensmitte, wenn Fettleibigkeit ein zunehmendes Problem wird – ein wichtiger Teil einer weltweiten Strategie zur Prävention von Fettleibigkeit in der Bevölkerung sein“.
REFERENZEN:
1. Flint E, et al: Lancet Diab Endocrin (online) 16. März 2016
2. Andersen LB: Lancet Diab Endocrin (online) 16. März 2016
Diesen Artikel so zitieren: Britische Studie mit Berufspendlern: Wer das Rad nutzt, bringt im Schnitt fünf Kilogramm weniger auf die Waage - Medscape - 31. Mär 2016.
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