Menopause: Vorbehalte gegen die HRT führen in der USA, aber auch hierzulande zu Defiziten in der Facharztausbildung

Dr. Ingrid Horn

Interessenkonflikte

29. März 2016

Für Frauen, die unter menopausalen Beschwerden leiden, gibt es gesicherte hormonelle wie nicht-hormonelle Behandlungsmöglichkeiten. An US-amerikanischen Kliniken hat sich jedoch eine Unlust breit gemacht, diese Symptome überhaupt zu behandeln. Wie Dr. JoAnn E. Manson vom Brigham and Women’s Hospital in Boston und ihre Mitautoren im New England Journal of Medicine bemängeln, sei so die klinische Versorgung von Frauen im mittleren Alter aus der Spur geraten und ein Umdenken in der Facharztausbildung von Nöten [1].

Dr. Christian Albring

Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte und niedergelassener Frauenarzt in Hannover, sieht auch in Deutschland Mängel bei der Ausbildung: „Viele Inhalte der Weiterbildung zum Facharzt für Frauenheilkunde können heute nicht mehr in der Klinik gelehrt werden. Nur sehr wenige Universitätskliniken in Deutschland haben überhaupt noch eine gynäko-endokrinologische Abteilung“, erläutert er gegenüber Medscape Deutschland.

Mit einer Hormon-Ersatz-Therapie lässt sich vieles erreichen

Für Frauen ohne Kontraindikation gelte die systemische Hormontherapie als effektivste Maßnahme, um leichte bis mittelschwere vasomotorische Symptome zu lindern, halten die Autoren um Manson fest. „Die Kriterien dafür treffen auf circa 20 Prozent der Frauen in der frühen Menopause zu.“ Von diesen würden die meisten allerdings gar nicht behandelt. Für Frauen mit einer Kontraindikation oder einer Abneigung gegen Hormone zählen sie andere effektive Möglichkeiten auf und nennen als Beispiel die niedrigdosierte Gabe von Paroxetin.

„Zur ursächlichen Behandlung ist die hormonelle Ersatztherapie (HRT) ohne Alternative“, meint auch Albring. So sei die HRT etwa zur Therapie stärkerer Hitzewallungen sehr effektiv. Außerdem ist seinen Angaben zufolge erwiesen, dass sich viele weitere Veränderungen, die mit dem endokrinen Mangel nach den Wechseljahren verbunden seien, sehr gut mit einer HRT kompensieren lassen.

Er zählt dazu in erster Linie die Osteoporose: Aber auch bei der Primär- und Sekundärprävention der koronaren Herzkrankheit und des Diabetes könne die Substitution von Östrogen eine sinnvolle Unterstützung darstellen, meint Albring. Pflanzliche Mittel kommen, weil sie weniger wirksam sind, für ihn nur bei leichteren Wechseljahresbeschwerden in Betracht oder auch bei psychischen Veränderungen, die mit der hormonellen Umstellung in Verbindung gebracht werden.

Der Hannoveraner Frauenarzt weiß aber, dass sich in Deutschland viele Ärzte – vor allem wenn sie nicht in der Frauenheilkunde tätig sind – scheuen, ihren Patientinnen eine Hormontherapie vorzuschlagen. „Die Frauen bekommen dann leider statt der physiologisch sinnvollen HRT beispielsweise Bisphosphonate um die Osteoporose zu therapieren oder im Falle der Primärprävention von Diabetes und KHK, die – nur sehr selten erfolgreiche – Empfehlung zur Verhaltensmodifikation“, sagt Albring gegenüber Medscape Deutschland.

 
Viele Inhalte der Weiterbildung zum Facharzt für Frauenheilkunde können heute nicht mehr in der Klinik gelehrt werden. Dr. Christian Albring
 

Ergänzend verweist er auf die gängige Praxis, dass Frauen mit psychischen Symptomen oder Schlafstörungen Psychopharmaka und Schlafmittel verordnet werden. Dies alles könnte man mit einer niedrig dosierten HRT in vielen Fällen besser, adäquater und nachhaltiger lösen, ist er überzeugt.

Die Zurückhaltung ist wissenschaftlich nicht haltbar

In den USA ist seit 2002 die Verordnung von Hormontherapien um 80% zurückgegangen, wie Manson und ihre Kollegen schreiben. Den primären Grund hierfür sehen sie in der damals veröffentlichten Studie der Women’s Health Initiative (WHI), die zu einer Verunsicherung der Frauen geführt habe.

„Auch in Deutschland sind heute die Verordnungszahlen der HRT erheblich niedriger als vor 15 Jahren“, bestätigt Albring die Entwicklung. Dabei zeigt seiner Ansicht nach gerade die Detailauswertung der WHI-Studie, wie hilfreich und sinnvoll die HRT sein kann, um die durch die hormonelle Umstellung veränderten Stoffwechselprozesse zu unterstützen und damit echte kardiale Primärprävention zu leisten.

Die WHI-Studie hatte Risiken und Nutzen einer Langzeit-Behandlung mit Hormonen im Hinblick auf die Vermeidung chronischer Erkrankungen bei postmenopausalen Frauen untersucht. Die Teilnehmerinnen waren bei Beginn der Behandlung im Durchschnitt 63 Jahre alt. „Die Resultate werden heute jedoch in unangemessener Weise für die therapeutische Entscheidungsfindung bei Frauen in den Vierzigern und Fünfzigern mit deutlichen vasomotorischen Symptomen angewendet“, kritisieren Manson und ihre Mitstreiter, von denen 2 an der WHI-Studie beteiligt waren.

„Wir wissen, dass das absolute Risiko unerwünschter Folgen bei jüngeren Frauen viel geringer ist als bei älteren“, führen sie ins Feld. Außerdem gäbe es heute neue Hormonrezepturen, bei denen beispielsweise die Dosierung niedriger sei oder die über die Haut aufgenommen werden können. FDA-geprüfte Behandlungsstrategien mit bioidentischen Hormonen stünden ebenso zur Verfügung wie nicht-hormonelle, wenn auch weniger effektive Präparate.

Fachärzte müssen besser für die Belange von Frauen qualifiziert werden

Die Vorbehalte gegen eine Verordnung sind nur die eine Seite der Medaille, wie Madson und ihre Kollegen deutlich machen. Die mangelnde Auseinandersetzung mit der Behandelbarkeit menopausaler Symptome hat ihrer Ansicht nach auch zur Folge, dass die nachwachsende Generation von Fachärzten keine ausreichende Kernkompetenz im Umgang mit diesem Beschwerdebild mehr erwirbt.

 
Auch in Deutschland sind heute die Verordnungszahlen der HRT erheblich niedriger als vor 15 Jahren. Dr. Christian Albring
 

Mit dem verfügbaren Behandlungsspektrum werden Mediziner durch klinische Praktika vertraut gemacht. „Den meisten US-Fortbildungsprogrammen zum Facharzt fehlt es jedoch an angemessenen Unterrichtseinheiten, die sich mit Frauengesundheit allgemein oder dem Menopause-Management im Besonderen befassen“, so die Autoren.

Sie verweisen dabei auf eine Befragung von 100 angehenden Internisten aus dem Jahr 2009: Mehr als 3 Viertel der Befragten beurteilten darin die medizinische Versorgung menopausaler Frauen als sehr wichtig, wiesen ihr sogar den Rang einer Kernkompetenz zu. Die klinische Praxis beurteilten die meisten jedoch als unzulänglich. Ein Drittel der Befragten gab an, überhaupt keine klinischen Erfahrungen auf diesem Spezialgebiet zu haben.

Diesen Trend kann Albring in seiner Eigenschaft als Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte auch für Deutschland bestätigen. Das endokrinologische Rüstzeug, das Frauenärztinnen und -ärzte für die Arbeit in der Niederlassung brauchten, eigneten sie sich im ambulanten Teil ihrer Ausbildung an. Zudem hält er es für einen eher seltenen Glücksfall, dass in der Weiterbildung zum Allgemeinarzt oder Internisten die Stoffwechselveränderungen in den Wechseljahren und die Indikationen zur HRT thematisiert werden.

Das für die USA geschilderte Manko betrifft nach Ansicht von Manson und ihren Mitautoren vor allem die Ausbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin sowie für Geburtshilfe und Gynäkologie. Ihr Credo ist angesichts der Tatsache, dass 2020 in den USA mehr als 50 Millionen Frauen älter als 51 Jahre sein werden, unmissverständlich: „Nur Kliniker, die auf der Höhe der Zeit sind, können die Weichen für die Behandlung der Frauen richtig stellen und dafür sorgen, dass die nächste Generation von Fachärzten in den USA die angemessene Ausbildung erfährt.“

Apps können Ärzte bei der Therapie menopausaler Beschwerden unterstützen

Die Facharztausbildung braucht jedoch ihre Zeit, weshalb Manson und ihre Kollegen abschließend einen Blick auf nützliche Apps werfen. Das kostenlose MenoPro der Nordamerikanischen Menopause-Gesellschaft ist ein solches Hilfsmittel. Es bewertet das Risikoprofil von Frauen und liefert Hinweise für hormonelle wie nicht-hormonelle Behandlungen.

„Das kann besonders für Ärzte sinnvoll sein, die nur hin und wieder mit der Behandlungsproblematik menopausaler Symptome konfrontiert werden“, meinen sie in der Hoffnung, dass sich so die adäquate Versorgung von Frauen verbessern lässt.

 

REFERENZEN:

1. Manson JE, et al: NEJM 2016;374:803-805

 

Kommentar

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