Aufbruchstimmung bei der Asthma-Therapie: Neue Optionen für eine individuellere und differenziertere Behandlung

Dr. Thomas Meißner

Interessenkonflikte

29. März 2016

Leipzig – Die medikamentöse Therapie des allergischen Asthmas steht vor einem Umbruch. Sie wird aller Voraussicht nach individueller und differenzierter werden, sich nach Asthma-Subtypen und bestimmten physiologischen Gegebenheiten richten. Biologika und Biomarker rücken zunehmend in den Fokus klinischer Forschung. „Da tut sich ein Spektrum von Möglichkeiten auf, das in den nächsten Jahren größer werden und die Asthmatherapie revolutionieren wird“, zeigte Prof. Dr. Claus Kroegel, Asthmaspezialist am Universitätsklinikum Jena, beim Jahreskongress der Pneumologen in Leipzig überzeugt [1].

Wie viele spezifische Asthma-Formen tatsächlich existierten und wohin die Reise konkret gehen werde, das sei allerdings noch völlig offen, sagte Kroegel.

Geht es im Moment vor allem um zusätzliche Optionen bei schwerem allergischen Asthma, die die Behandlung mit inhalierbaren und oralen Kortikosteroiden sowie mit Betamimetika ergänzen, sollen systemisch applizierte biologische Arzneimittel künftig die Basistherapie verbessern, ja vielleicht sogar überflüssig machen. Im Fokus steht die Entzündung und davon ausgehend die bronchiale Hyperreagibilität der Atemwege.

Weitere Differenzierung in Subtypen

 
Da tut sich ein Spektrum von Möglichkeiten auf, das in den nächsten Jahren größer werden und die Asthmatherapie revolutionieren wird. Prof. Dr. Claus Kroegel
 

Die chronische Entzündung bei Asthma bronchiale lässt sich auf komplexe Interaktionen von Entzündungs- und Strukturzellen wie Mastzellen, eosinophilen Granulozyten, B- und T-Lymphozyten sowie bronchialen Epithelzellen und Myofibroblasten zurückführen. Einen dominanten Einfluss bei sehr schwer erkrankten Asthma-Patienten haben T-Helferzellen vom Typ 2 (Th2). Sie sind wesentliche Treiber des Geschehens, weshalb von einem Th2-Typ-Asthma gesprochen wird.

Die durch sie in Gang gesetzten Mechanismen scheinen sich jedoch noch weiter von Patient zu Patient zu unterscheiden, so dass in Zukunft womöglich weitere Asthma-Subtypen unterschieden werden müssen.

Kroegel: „Das Muster der immunologischen Reaktion passt sich dem Antigen an, eine immunologische Plastizität, die physiologisch sinnvoll ist.“ Bei der allergischen Entzündung allerdings ist etwas regulatorisch schief gelaufen. Nach Präsentation des Antigens durch dendritische Zellen bilden Th0-Zellen zu viel Interleukin (IL)-4. Was folgt, ist die Aktivierung der Th2-Zellen sowie konsekutiv von B-Lymphozyten, Mastzellen und Eosinophilen. Eine zentrale Rolle in der Dynamik und Ausprägung dieser Vorgänge spielen immer wieder IL-4, IL-5, IL-13 und IgE.

Anti-IgE-Thearapie vielversprechend

Erste Beispiele für erfolgreiche Biologika-Therapien sind das IgE-bindende Omalizumab sowie das kürzlich zugelassene Mepolizumab, welches sich gegen die Effekte von IL-5 richtet.

Kroegel schilderte in Leipzig den Fall einer 39 Jahre alten Büroangestellten mit anfangs allergischer Rhinokonjunktivitis bei Reaktion auf Gräser, Pollen und Hundehaar, die im Verlauf weitere atopische Erkrankungen sowie ein schweres Asthma bronchiale entwickelte. Der IgE-Spiegel war bei der Patientin mit 5.000 kU/l massiv erhöht.

Unter Rituximab sank zunächst die Zahl der IgE-produzierenden B-Zellen drastisch und damit der IgE-Spiegel auf etwa 1.500 kU/l. Es folgte die Behandlung mit Omalizumab, das das IgE in Komplexen bindet und so dessen Wirkung an den Effektorzellen verhindert. Nach einem Jahr hatte die Patientin keine asthmatischen Beschwerden mehr. Sie ist nach Angaben des Jenaer Pneumologen heute uneingeschränkt belastbar. Auch andere Atopien wie die atopische Dermatitis und eine bestehende Unverträglichkeit verschiedener Nahrungsmittel sind verschwunden.

Bemerkenswert: Über die Jahre fiel der IgE-Spiegel nach und nach weiter ab. „Das bedeutet, dass irgendetwas mit der entzündlichen Reaktion passiert sein muss“, so Kroegel. Es bleibe abzuwarten, ob langfristig eine Heilung erreicht werden könne.

 
Es besteht kein Zweifel daran, dass dieses neue Therapieprinzip (mit dem Angriffspunkt IL-5) die Asthma-therapieschemata nachhaltig verändern wird. Prof. Dr. Marek Lommatzsch und Dr. Paul Stoll
 

Die klinische Wirksamkeit der Anti-IgE-Strategie bei schwerem Asthma ist bereits vor mehr als 10 Jahren in der INNOVATE-Studie gezeigt worden. Inzwischen gibt es zudem Hinweise darauf, dass sie auch bei intrinsischem Asthma wirksam ist. Mit Ligelizumab ist kürzlich ein monoklonaler Antikörper mit deutlich erhöhter IgE-Affinität als bei Omalizumab entwickelt worden, dessen klinische Prüfung noch aussteht.

Interleukine im Visir

Ein weiterer therapeutischer Ansatzpunkt ist IL-5, das für die Reifung und die Rekrutierung eosinophiler Granulozyten wichtig ist. Entwickelt worden sind sowohl Antikörper gegen IL-5 wie Mepolizumab und Reslizumab, als auch IL-5-Rezeptorblocker wie Benralizumab. „Es besteht kein Zweifel daran, dass dieses neue Therapieprinzip die Asthmatherapieschemata nachhaltig verändern wird“, schreiben Prof. Dr. Marek Lommatzsch und Dr. Paul Stoll von der Universitätsmedizin Rostock in einem aktuellen Beitrag im „Allergo Journal“.

Entscheidend für die Wirksamkeit dieser Therapien ist allerdings die Eosinophilenzahl beim einzelnen Patienten. Sind die Werte normal, ist auch keine Wirkung zu erwarten. Je mehr Eosinophile sich im Blut finden, desto günstiger ist die therapeutische Wirkung. Nach Kroegels Meinung liegt die Schwelle für klinisch spürbare Wirkungen bei 450 bis 500 Eosinophilen pro Mikroliter und damit deutlich höher als in der Fachinformation vermerkt (ab 150/µl). Die Daten für Mepolizumab bestätigen, dass die Zahl der Exazerbationen reduziert wird und die Dosis notwendiger oraler Glukokortikoide gesenkt werden kann.

Die Antagonisierung von IL-13 mit einer Substanz namens Lebrikizumab hemmte in einer Phase-II-Studie bei leichtem bis moderatem Asthma die Spätreaktion und zeigte bei unter inhalierbaren Kortikosteroiden unkontrolliertem Asthma günstige Wirkungen auf die Lungenfunktion. Eine weitere Antizytokin-Therapie ist Dupilumab, ein monoklonaler Rezeptor-Antikörper, der sowohl IL-4- als auch IL-13-Effekte hemmt. Damit konnte bei schlecht kontrolliertem Asthma ebenfalls Exazerbationen reduziert und die Lungenfunktion verbessert werden.

Biomarker als Steuerinstrumente der Therapie

Bei der Auswahl der bereits zur Verfügung stehenden Biologika sowie jener, die in den nächsten Jahren zugelassen werden, spielen Biomarker eine wichtige Rolle. Wenn spezifische Zytokine angepeilt werden – und manche Substanzen zielen auf mehrere Angriffspunkte –, dann braucht es zuvor Analysen, um die richtigen Patienten für die vorhandenen Behandlungsoptionen auswählen zu können.

Neben dem bekanntesten Biomarker, dem Serum-IgE, sowie der Eosinophilenzahl im Sputum oder Blut sind nach Meinung von Kroegel das fraktionierte exhalierte Stickoxid (FeNO), das mit der Atemwegsentzündung korreliert, bedeutsam. Gleiches gilt für den Periostin-Spiegel im Blut. Periostin ist ein Transmembranprotein, korreliert mit dem Th2-Typ-Asthma und ist ein entscheidender Marker für die Anti-IL-13-Therapie.

 

REFERENZEN:

1. 57. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, 2. bis 5. März 2016, Leipzig

 

Kommentar

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