Leipzig – Die nicht-invasive Beatmung ist fester Bestandteil bei der Behandlung von Patienten mit respiratorischer Insuffizienz, und zwar nicht nur auf der Intensivstation, sondern zunehmend auch außerklinisch in Form der Heimbeatmung. Es mehren sich Hinweise darauf, dass damit etwa bei Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) die Sterberaten gesenkt werden können, ganz abgesehen von der verbesserten Leistungsfähigkeit und Lebensqualität.
Dies gelte zumindest für COPD-Patienten mit chronisch stabiler Hyperkapnie, hieß es beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) in Leipzig [1]. Eine Alternative zur nicht-invasiven Beatmung (NIV) mit Masken könnte die nasale Hochfluss-Therapie sein, bei der ein Luft-Sauerstoffgemisch per Nasenbrille mit einem Flow von bis zu 60 Litern pro Minute verabreicht wird.
Während eine Hypoxämie bis zu einem gewissen Grad noch mit der Gabe von Sauerstoff kompensiert werden kann, stellt sich die Frage, wie einem COPD-Patienten nach akuter Exazerbation geholfen werden kann, der chronisch hyperkapnisch bleibt. Die Insuffizienz der Atempumpe, hervorgerufen durch die erschöpfte Atemmuskulatur, und die emphysematös veränderte und verschleimte Lunge erschweren maßgeblich die Ventilation. Die Atemtiefe und das Atemzugvolumen nehmen ab, die Atemfrequenz nimmt zu – vergleichbar einem Marathon-Läufer, dessen Schritte vor dem Ziel immer kürzer und immer schneller werden.
Heimbeatmung beeinflusst Prognose von COPD-Patienten
Die Heimbeatmung gibt es bereits seit Ende der 1980er-Jahre. Doch lange Zeit konnte keinerlei prognostischer Vorteil nachgewiesen werden. Nach Meinung von PD Dr. Thomas Köhnlein vom Klinikum St. Georg in Leipzig lag das an zu kurzen Beatmungszeiten und zu niedrigen Beatmungsdrucken. Köhnlein und seine Mitarbeiter haben in einer deutsch-österreichischen Multicenterstudie nachgewiesen, dass mit vergleichsweise hohem Beatmungsdruck der arterielle CO2-Partialdruck (pCO2) innerhalb von 2 Wochen um bis zu 20% gesenkt werden und damit die Atemmuskulatur entlastet werden kann – und zwar anhaltend über 1 Jahr. Die 6-Minuten-Gehstrecke nahm im Vergleich zur Kontrollgruppe relevant zu, die Lebensqualität stieg messbar an, vor allem jedoch starben innerhalb eines Jahres 33% der Patienten in der Kontrollgruppe, in der NIV-Gruppe waren es mit 12% hochsignifikant weniger.
„Wir hatten viele Patienten, die deutlich länger als ein Jahr beobachtet worden sind“, sagte Köhnlein in Leipzig. „Der Überlebensvorteil blieb bei ihnen bis zu 2.500 Tage erhalten.“ Der Pneumologe betonte, dass sich 2 Drittel der Patienten täglich über mindestens 6 Stunden beatmet hatten und damit deutlich länger als in früheren Studien mit etwa 4 Stunden täglich. Die Studie bestätigt ähnliche Ergebnisse anderer Arbeitsgruppen.
Zuletzt konnte in einer großen niederländischen Studie jedoch kein Überlebensvorteil von COPD-Patienten mit prolongierter Hyperkapnie unter NIV nachgewiesen werden, da sich auch in der Kontrollgruppe der pCO2 allmählich besserte. Köhnlein: „Es gibt offensichtlich COPD-Patienten nach Exazerbationen, die bei Krankenhausentlassung noch hyperkapnisch sind, aber im Laufe von etwa drei Monaten normokapnisch werden.“ Für solche Patienten sei die Datenlage zum Stellenwert der NIV nicht einheitlich. Als gesichert könne jedoch gelten, dass chronisch stabile hyperkapnische COPD-Patienten von der langfristigen, außerklinischen NIV profitieren.
Nasale Hochfluss-Therapie – mehr als ein Nasenfön
Die Wirkungsweise der nasalen Hochfluss-Beatmung (NHF, Nasal High Flow) ist eine andere. NHF-Geräte verfügen über eine Turbine, die einen starken Luftstrom erzeugt. Die Befeuchtung und Anwärmung des Luft-Sauerstoff-Gemischs sorge dafür, dass die Patienten Ströme von 20 bis 60 Liter/Minute ertragen könnten, erklärte Dr. Jens Bräunlich von der Abteilung Pneumologie am Universitätsklinikum Leipzig. Zwar sorge der hohe Flow für eine gewisse Druckerhöhung in den Atemwegen, dies sei aber nicht zu vergleichen mit einer CPAP (Continuous Positive Airway Pressure)-Beatmung. Die Hauptwirkung werde vielmehr über den Auswascheffekt des CO2 aus den Atemwegen erzielt.
Die Atemzugtiefe der Patienten nehme zu und die Atemfrequenz sinke deutlich ab. Damit handele es sich bei NHF nicht nur um ein Oxygenierungsverfahren: „Dem Patienten wird Atemarbeit abgenommen“, erklärt Bräunlich. Wegen der verlangsamten Atemfrequenz werde sogar zu verabreichender Sauerstoff eingespart. Vorteil der NHF-Systeme ist die Applikation über spezifische Nasenbrillen. So müssten sich Patienten bei der Anwendung zu Hause nicht umgewöhnen und auch Patienten mit Maskenangst kämen damit zurecht.
Bei einem Vergleich von NHF mit der Oxygenierung per Venturi-Maske bei Intensivpatienten nach Extubation führte die NHF-Beatmung zu einer besseren Oxygenierung. Erneute Intubationen waren unter NHF signifikant seltener erforderlich. Bei akut respiratorisch insuffizienten Patienten mit hypoxämischem Versagen, aber ohne Hyperkapnie erwies sich NHF im Hinblick auf notwendige Intubationen als der Maskenbeatmung nicht unterlegen. Die 90-Tage-Mortalitätsrate war mit NHF sogar signifikant besser.
NHF: Manche Patienten profitieren, manche nicht
Ähnliches ist kürzlich in einer französischen Studie bei Patienten nach kardiochirurgischen Eingriffen beobachtet worden. Sie hatten zur Prophylaxe eines akuten Lungenversagens postoperativ entweder eine NHF- oder eine BiPAP (Bilevel Positive Airway Pressure)-Beatmung erhalten. NHF war der BiPAP-Beatmung nicht unterlegen.
„Man kann anhand dieser Studien nicht sagen, dass der NHF der NIV ebenbürtig ist“, stellte Bräunlich klar. Aber: „Nasaler Highflow ist mehr als ein Nasenfön.“ Mit Blick auf COPD-Patienten mache er die Erfahrung, dass manche Patienten profitieren, andere nicht. In eigenen Beobachtungsstudien waren die Leipziger Pneumologen nach Bräunlichs Angaben in der Lage, mit NHF das pCO2 bei hyperkapnischen Lungenfibrose- und COPD-Patienten deutlich zu senken. In einer Pilotstudie waren stabil hyperkapnische COPD-Patienten 6 Wochen lang erfolgreich per NHF zu Hause beatmet worden.
Unter Leitung des Leipziger Teams läuft derzeit die multizentrische TIBICO-Studie. Sie überprüft, ob bei COPD-Patienten mit chronisch respiratorischer Insuffizienz mit nasaler Hochfluss-Therapie für täglich mindestens 5 Stunden ähnliche Ergebnisse erzielt werden können wie mit BiPAP. Die Ergebnisse sollen Anfang 2017 vorliegen.
REFERENZEN:
Diesen Artikel so zitieren: Ateminsuffizienz: Es mehren sich die Hinweise, dass die richtige Heimbeatmung auch lebensverlängernd wirkt - Medscape - 22. Mär 2016.
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