Bewegungsübungen aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) wie Tai Chi, Qigong wirken sich bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen positiv aus – und zwar auf physiologische und biochemische Parameter sowie die körperliche Funktionalität, die Lebensqualität und die Inzidenz von Depressionen. Zu dieser Schlussfolgerung kommt eine Metaanalyse von 35 randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt 2.249 Patienten, die aktuell im Journal of the American Heart Association veröffentlicht worden ist [1].
„Das sind sehr interessante Ergebnisse“, bestätigt Prof. Dr. Peter Schwarz, Leiter der klinischen Abteilung für Prävention an der Technischen Universität Dresden. „Man kann sich sehr gut vorstellen, dass diese positiven Effekte von Tai Chi oder Qigong durch den Wechsel von Muskelanspannung und -entspannung auf Stoffwechselvorgänge, aber auch auf den Blutdruck erreicht werden.“
TCM-Bewegungsübungen besserten signifikant zahlreiche Parameter
Die Autoren um Dr. Xue-Qiang Wang, Department of Sport Rehabilitation der University of Sport in Shanghai, China, wählten insgesamt 35 randomisierte Studien aus, die Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen einschließlich Herzinfarkt oder KHK (15 Studien), Schlaganfall (7 Studien), sowie Erkrankungen der Arterien und peripheren Gefäßen einschl. Bluthochdruck (13 Studien) betrachtet hatten.
Ferner musste die interventionelle Gruppe Tai Chi, Qigong oder ähnliche Bewegungsübungen regelmäßig ausgeübt haben und mit einer definierten Kontrollgruppe verglichen worden sein, darunter inaktive Patienten, aber auch solche, die ein Krafttraining absolviert hatten. Letztlich mussten die Ergebnisse mit klinisch anerkannten Methoden gemessen worden sein. 17 der Studien waren in China, 5 in den USA, jeweils 3 in Großbritannien und Korea, 2 in Japan und jeweils eine in Hong Kong, Italien, Taiwan, Neuseeland und Israel durchgeführt worden.
Insgesamt ergab die Metaanalyse, dass regelmäßige Bewegungsübungen der TCM
den systolischen Blutdruck signifikant um 9,12 mmHg (p = 0,01) und den diastolischen Blutdruck ebenfalls signifikant um 5,12 mmHg (p = 0,001) senkte.
Die Leistungen im 6-Minuten-Gehtest stiegen signifikant um 59,58 Meter (p = 0,003)
und die Werte des 36-Item Short Form of physical function scale ebenso signifikant um 0,82 (p = 0,001).
Die Triglyzeride sanken signifikant um 0,33 (p = 0,006).
Ebenso besserten sich die Ergebnisse des Minnesota Living With Heart Failure Questionnaires zur Lebensqualität (-17,08; p < 0,001)
und der Profile of Mood States depression scale (-3,02; p < 0,001).
Alle Werte beziehen sich auf einen Vergleich zu definierten Kontrollgruppen.
Große Heterogenität bei den Studien – aber trotzdem klare Ergebnisse
Trotz dieser klaren Ergebnisse bleiben die Autoren zurückhaltend in ihrer Bewertung, betonen aber, dass sie ausschließlich positive Veränderungen in allen Interventionsgruppen fanden. Die Übungen seien sehr gut verträglich und nahezu risikolos für die Patienten. Die Studien dauerten zwischen 5 Wochen und einem Jahr, die Intensität der Übungen lag bei einmal wöchentlich bis täglich. Die Studien waren demnach sehr heterogen.
Schwarz interpretiert die Ergebnisse trotzdem eindeutig: „Zwar besteht eine große Heterogenität der Studien und es wurden viele verschiedene chinesische Methoden untersucht. Summa summarum lautet die Quintessenz aber: Traditionelle chinesische Bewegungsmethoden verhindern kardiovaskuläre Risikofaktoren nachhaltig und substanziell.“
Bisher noch zu wenig klinische Belege
Bewegungsmangel ist nach Schätzungen der weltweit vierthäufigste Faktor für ein erhöhtes Todesrisiko. Regelmäßige Bewegung ist vorteilhaft für den Blutdruck und Cholesterinspiegel. Traditionelle Bewegungsabläufe, hierzulande oft als „Schattenboxen“ bezeichnet, praktizieren Millionen Chinesen jeden Tag erfolgreich um verschiedenen als Zivilisationskrankheiten bekannten chronischen Beeinträchtigungen der Gesundheit vorzubeugen. Allerdings seien diese Vorteile bisher noch zu wenig in klinischen Studien belegt, argumentieren die chinesischen Wissenschaftler.
„Leider laufen wir nur etwa 2.700 Schritte am Tag, sind aber biologisch dafür gemacht, über 30.000 Schritte täglich zu gehen“, erläutert Schwarz. „Würden wir vom 25. Lebensjahr an 10.000 Schritte am Tag laufen – was ja eine traditionelle Bewegungsmethode für die Menschen weltweit ist – bestände eine sehr gute Chance, nahezu jede chronische Erkrankung zu verhindern.“
Die meisten der einbezogenen Veröffentlichungen stammen aus den letzten 2 Jahren, führen die Autoren als Stärke ihrer Metaanalyse an. Andererseits waren lediglich 8 der Studien verblindet. Die Autoren betonen dies sei die erste umfassende Metaanalyse zu diesem Thema und fordern weitere kontrollierte und verblindete Studien, um die positiven Einflüsse von Bewegungsübungen der TCM bei kardiovaskulären Erkrankungen noch besser zu belegen.
„Wenn Sie also das nächste Mal jemanden sehen, der Tai Chi in seiner Frühstückspause macht, tut er ganz konkret etwas gegen einen Herzinfarkt“, so Schwarz. „Ob Sie nun 10.000 Schritte am Tag laufen, Ausdauersport betreiben oder traditionelle chinesische Bewegungsmethoden – alles hilft, ist gut fürs Herz, die Psyche und chronische Erkrankungen. Entscheidend ist, sich die Bewegung herauszusuchen, die einem am meisten Spaß macht und innerhalb von 2 bis 3 Tagen hilft, die Lebensqualität zu verbessern.“
REFERENZEN:
1. Wang X-Q, et al: J Am Heart Assoc. (online) 9. März 2016
Diesen Artikel so zitieren: Metaanalyse zu Tai Chi & Co bei kardiovaskulären Erkrankungen: TCM hilft nicht nur präventiv, sondern auch therapeutisch - Medscape - 18. Mär 2016.
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