Lungenkarzinom: Vakzinierung bislang erfolglos, aber „noch nicht tot“

Simone Reisdorf

Interessenkonflikte

18. März 2016

Berlin – Die adjuvante Impfung von Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) hat den Krankheitsverlauf bisher nicht verbessern können. Das ist das traurige Fazit aus mehreren großen Studien (darunter 3 Phase-3-Studien), die Dr. Martin Sebastian, Oberarzt in der Abteilung Hämatologie/Medizinische Onkologie am Universitätsklinikum Frankfurt/Main, beim Deutschen Krebskongress vorgestellt hat [1].

Im Gespräch mit Medscape Deutschland zeigte sich der Onkologe aber überzeugt, dass dies noch nicht das Ende dieses Therapieansatzes bei NSCLC-Patienten ist. Die Zukunft der Vakzinierung liege aber wohl in der Kombination mit anderen Therapiemodalitäten.

MAGRIT-Studie: Kein Vorteil beim krankheitsfreien Überleben durch Anti-MAGE-A3-Vakzinierung

Dr. Martin Sebastian

© Universitaetsklinikum Frankfurt

So waren in die von GlaxoSmithKline unterstützte MAGRIT-Studie insgesamt 2.312 Patienten mit NSCLC im Stadium IB, II oder IIIA aufgenommen worden. „Dies war die mit Abstand größte Studie zur Vakzinierung bei NSCLC“, berichtete Sebastian. Die Patienten wurden operiert und teils auch mit platinbasierten Chemotherapien behandelt. Patienten mit bzw. ohne Chemotherapie wurden jeweils im Verhältnis 2 zu 1 auf die adjuvante Vakzinierung mit einem rekombinanten Anti-MAGE-A3-Antikörper oder Placebo randomisiert.

Zum Hintergrund: MAGE-A3 (Melanoma-associatedantigen 3) ist ein Protein, dessen physiologische Funktion noch unklar ist, das aber bei Patienten mit Lungen-, Haut- oder Blasenkrebs mit einer schlechteren Prognose assoziiert ist. Jeder dritte gescreente NSCLC-Patient hatte das MAGE-A3-Antigen und konnte in die MAGRIT-Studie eingeschlossen werden.

Die Impfung gegen das Tumorantigen hat indes in der Studie nichts genützt: „Es gab beim krankheitsfreien Überleben keinen Unterschied, die Hazard Ratio lag bei 1,04“, berichtete Sebastian. Auch in der Subgruppe der Patienten ohne Chemotherapie war kein Benefit der Vakzinierung erkennbar; hier war die Hazard Ratio für das krankheitsfreie Überleben mit vs. ohne Vakzinierung 0,97.

START-Studie: Nur Patienten nach simultaner Chemoradiotherapie profitierten von L-BLP25

Die liposomale MUC1-Vakzine L-BLP25 (Tecemotide, Stimuvax® von EMD Serono/Merck) wurde bei Patienten mit NSCLC oder Brustkrebs untersucht. Sie richtet sich laut Sebastian sehr spezifisch gegen ein krebstypisches Antigen, ein sehr spezielles Glykoprotein, und hatte deshalb Anlass zur Hoffnung gegeben.

In der START-Studie erhielten 1.239 Patienten mit inoperablem NSCLC im Stadium III nach dem Zufallsprinzip entweder die Vakzine (n=829) oder Placebo (n=410). Einige hatten zuvor eine sequenzielle Chemo- und Radiotherapie durchlaufen, andere eine simultane Chemoradiotherapie.

Die anschließende Vakzinierung schlug in der Gesamtgruppe nicht an: „Das mediane Gesamtüberleben betrug mit Vakzinierung 39,9 Monate und ohne 37,7 Monate“, so Sebastian. Die adjustierte Hazard Ratio (HR) lag bei 0,88. Der Unterschied war laut Sebastian weder signifikant noch klinisch relevant.

Die Subgruppe der Patienten, die die Chemo- und Radiotherapie nur nacheinander erhalten konnten, schnitt insgesamt erwartungsgemäß schlechter ab. Aber auch hier war kein signifikanter Unterschied zwischen den Studienteilnehmern mit vs. ohne Vakzinierung erkennbar. Patienten unter Placebo lebten sogar tendenziell etwas länger, nämlich im Median 24,6 Monate; bei den Patienten mit Vakzinierung waren es nur 19,6 Monate (HR = 1,12).

Lediglich Patienten mit gleichzeitiger Chemoradiotherapie hatten einen signifikanten Nutzen von der anschließenden Zusatzbehandlung mit Tecemotide: Sie lebten damit im Median noch 30,8 Monate, mit Placebo dagegen nur 20,6 Monate (HR=0,78). In einer asiatischen Studie hat sich aber auch dieser Teilerfolg nicht bestätigt. „Deshalb wird das Entwicklungsprogramm leider nicht mehr weiterverfolgt“, berichtete Sebastian.

Belagenpumatucel-L ebenfalls nur nach Chemoradiotherapie erfolgreich

 
Dies (die MAGRIT-Studie) war die mit Abstand größte Studie zur Vakzinierung bei NSCLC. Dr. Martin Sebastian
 

Die allogene Tumorvakzine Belagenpumatucel-L (LucanixTM, GlionixTM) war speziell für Lungenkrebspatienten bestimmt. Sie besteht aus 4 Tumorzelllinien, die durch Bestrahlung inaktiviert wurden: 2 stammen vom Adenokarzinom, eine vom Plattenepithelkarzinom und eine vom großzelligen Lungenkarzinom.

532 Patienten mit inoperablem NSCLC nahmen an einer randomisierten Phase-3-Studie zu Belagenpumatucel-L teil. Sie erhielten die Vakzine oder Placebo im Rahmen der Erhaltungstherapie. „Auch dies war eine negative Studie; das mediane Überleben betrug mit Vakzinierung 20,3 und ohne Vakzinierung 17,8 Monate“, konstatierte Sebastian (HR = 0,94).

Nur bei Patienten mit vorhergehender simultaner Chemoradiotherapie spielte es eine Rolle, ob sie die Vakzine bekamen: Ihr medianes Überleben war signifikant unterschiedlich und betrug mit dem „Impfstoff“ 28,4 Monate, ohne ihn nur 16 Monate (HR = 0,61).

TG 4010: Progressionsfreies Überleben verlängert – besondere Vorteile für Patienten mit Adenokarzinom und niedriger NK-Zellzahl

Das auf einem viralen Vektor basierende TG 4010 ist gegen MUC1 gerichtet. Es wurde in der Phase-2b-Studie TIME bei Patienten mit fortgeschrittenem MUC1-positivem NSCLC untersucht. Die Applikation von TG 4010 oder Placebo begann parallel zur Chemotherapie und wurde dann noch weiter fortgesetzt.

 
Die Vakzinierung bei NSCLC ist nicht tot. Dr. Martin Sebastian
 

Hier wurde primär das progressionsfreie Überleben ermittelt, es betrug 5,9 vs. 5,1 Monate und war damit im aktiven Studienarm signifikant länger als im Kontrollarm (HR = 0,74). „Besonders gute Ergebnisse sah man bei Patienten, die histologisch ein Adenokarzinom und dabei nur wenige Natürliche Killerzellen hatten“, betonte der Onkologe.

„Die Vakzinierung bei NSCLC ist nicht tot“, fasste Sebastian die Ergebnisse zusammen. Besonders aussichtsreich erscheint nach seinen Worten die Kombination von Vakzinierung und Bestrahlung. Künftig seien auch Studien mit Kombinationen von Vakzinierung und Checkpoint-Inhibition denkbar.

 

REFERENZEN:

1. 32. Deutscher Krebskongress, 24. bis 27. Februar 2016, Berlin

 

Kommentar

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